Claudius Müller (Hrsg.): "Weiter als der Horizont"
Kunst der Welt
Ausdrucksvolle
Streiflichter
Noch vor nicht allzu langer Zeit galten Angehörige anderer
Ethnien als
"Wilde", und auch heute fällt es den Europäern
häufig schwer, beim
Stichwort "Kunst" über den vom
Eurozentrismus
vorgezeichneten
Tellerrand hinauszublicken.
Unter anderem im Münchner Museum für
Völkerkunde
hat man das stets anders
gesehen. Dort entstand nicht zufällig die auf mehrere Jahre
ausgelegte
Ausstellung, deren Katalog das hier besprochene Buch bildet.
Die Ausstellung und das Buch befassen sich mit teils historischer,
teils zeitgenössischer
Kunst aus den unterschiedlichsten Regionen der Erde: Afrika,
Lateinamerika,
Ozeanien, Nordamerika, Südasien, Ostasien und Orient.
Einführungen vermitteln
einen Eindruck der keineswegs einfachen Aufgaben deutscher Ethnologen
zur Zeit
der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert, als man den so genannten Wilden
die Fähigkeit
zur Herstellung von Kunstwerken absprach. An dieser Stelle wird
natürlich
explizit auf die Situation in München eingegangen.
Die einzelnen Kapitel greifen Aspekte der Kunst in den genannten
Regionen
heraus, wobei die vorhandenen Exponate selbstverständlich eine
wesentliche
Rolle spielen. Daraus ergeben sich interessante Streiflichter zu
einzelnen
Kulturen und Epochen in einer gründlichen und spannenden
Darstellung, die
sicherlich ihresgleichen sucht. Hervorgehoben seien unter anderem die
ausdrucksvollen Kunstwerke aus Westafrika, beispielsweise vom Stamm der
Yoruba,
oder die einzigartige Keramik der
Shipibo-Indianer aus dem
Amazonasgebiet, die
auch heute noch Anwendung findet. Wenig vertraut dürften die
nicht fachkundigen
Leser und Ausstellungsbesucher zudem etwa mit der Kunst der arktischen
Völker
und der Papua sein.
Die Aufmerksamkeit des Lesers wird jedoch nicht nur auf in der
Öffentlichkeit
seltener wahrgenommene Ethnien gelenkt; auch süd- und
ostasiatische Kunst, die
mit dem Buddhismus und
Hinduismus
in essenzieller Verbindung steht, erfährt
hinreichende Würdigung.
Jede vorgestellte Kunstrichtung, die betreffenden Ethnien
eingeschlossen, wird
ausführlich präsentiert. Eine Einführung
macht den Leser mit Volk, Geschichte
und regionaler Kunst vertraut. Der sich jeweils anschließende
Katalogteil mit
Abbildungen und ausführlichen Erläuterungen zu jedem
Exponat wird, wo
erforderlich, ergänzt durch weitere Ausführungen zu
bestimmten Kunstprodukten,
sei es Kunst mit mystischem, repräsentativem oder kultischem
Hintergrund, seien
es Gebrauchsgegenstände. So entsteht ein kompakter Eindruck
der Kunstgeschichte
der jeweiligen Epoche und Region.
Die Abbildungen sind von bester Qualität und zeigen die
Exponate, sofern
erforderlich, von allen Seiten oder in relevanten Ausschnitten. Sofern
es sich
um mehr oder weniger zeitgenössische Kunst handelt, werden
auch
Herstellungsschritte illustriert und erläutert sowie einzelne
Künstler
vorgestellt, die entweder eine repräsentative Funktion
erfüllen oder aus dem
Gros heraustreten.
Ob man die Ausstellung besucht, besucht hat, besuchen möchte
oder sich
lediglich für die Kunst unterschiedlichster Völker
und Epochen interessiert -
dieses Buch bietet einen interessanten und wertvollen Querschnitt.
Aufgrund des
natürlich eingeschränkten Fundus des Museums bleiben
etliche Völker und
Kulturen ausgespart, etwa die Maya und Inka, Japan oder auch die
indigene Kultur
Australiens. Die eingangs erwähnten, im Buch und in der
Ausstellung präsenten
Ethnien werden jedoch gründlich und detailliert vorgestellt,
sodass der Leser
und gegebenenfalls Besucher einen nachhaltigen Eindruck von
außereuropäischer
Kunst unterschiedlichster Epochen erhält; einer Kunst, die
eine solche Würdigung
mit Sicherheit verdient.
(Regina Károlyi; 08/2008)
Claudius
Müller: "Weiter als der
Horizont. Kunst der Welt"
Mit Beiträgen von M. Appel, E. Bujok, S. Eisenhofer, J.
Frembgen,
C. Müller, B. Richtsfeld, J.-L. Rousselot, A. Schlothauer, W.
Stein.
Hirmer Verlag, 2008. 288 Seiten, 65 Tafeln in Farbe und 4 in
schwarz-weiß,
178 Abbildungen in Farbe und 28 in schwarz-weiß, 7 Karten.
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Noch
ein Buchtipp:
Christian Saehrendt, Steen T. Kittl: "Das sagt mir was!
Sprachführer. Kunst - Deutsch, Deutsch - Kunst"
Wie man ein Gespräch über Kunst würdevoll
übersteht.
Schlechte Werke, hohe Preise, hohle Phrasen. Ist damit schon alles
über zeitgenössische
Kunst gesagt? Das Sprechen über Kunst ist paradox. Mit Sprache
versuchen wir,
das Kunstwerk zu erfassen. Doch ein entscheidendes Merkmal von Kunst
ist gerade
das Begriffslose. Die unformulierbare Ergiebigkeit des Kunstwerks macht
das
Reden über Kunst oft so schwierig, unverständlich,
peinlich und phrasenhaft.
Als Folge dieser Sprachnot entwickelte sich eine verbale Mystik der
Eingeweihten. Fehlt einem also nur die Lizenz zum Kunstverstehen, wenn
man an
den Werken selbst nicht nachvollziehen kann, was die Experten dazu
sagen?
Nun liegt der erste Sprachführer vor, der den esoterischen
Kunstjargon der
Kunstliebhaber samt Galeristen, Sammlern und Kritikern gnadenlos ins
Allgemeinverständliche übersetzt. "Das sagt mir was!"
erklärt nicht
nur wichtige Fachbegriffe und Standardsätze, es liefert auch
unzählige
praktische
Tipps, wie man ein Gespräch über Kunst
würdevoll übersteht: In
kurzer Zeit kann man auf spielerische Weise die "Fremdsprache Kunst"
erlernen und erhält nebenbei wertvolle Informationen
über den zeitgenössischen
Kunstbetrieb. (DuMont Buchverlag)
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