Manfred Eder: "Kirchengeschichte"

2000 Jahre im Überblick


Kompendium zur Kirchengeschichte

Der 1958 geborene Theologe Manfred Eder, Inhaber des Lehrstuhls für Kirchengeschichte am Institut für Katholische Theologie der Universität Osnabrück, legt mit diesem "Kompendium für Theologiestudenten, Einsteiger und Interessierte" ein für 2000 Jahre Kirchengeschichte knappes, dennoch übersichtliches und klar gegliedertes Buch vor, das zudem noch erschwinglich ist.
Diese Einführung, so der Autor in seinem Vorwort, will Grundkenntnisse zu den wichtigsten kirchengeschichtlichen Entwicklungen und Ereignissen von der Urgemeinde bis zur Weltkirche von heute vermitteln. Sie tut es aus einer klar und deutlich formulierten katholischen Perspektive, und schafft es dennoch, z.B. im Kapitel über Luther und die Reformation, sehr objektiv zu informieren.
Um die massive Textlastigkeit aller anderen kirchengeschichtlichen Einführungen zu vermeiden, hat sich Eder strengste Stoffbegrenzung verordnet und mit vielen Abbildungen, Zeichnungen und grafischen Hilfen das Buch gut aufgelockert. Es ist dabei immer der historisch-kritischen Methode verpflichtet, die der Autor in einer Einleitung dem Laienpublikum unter seinen Lesern erläutert.
Der Verzicht auf Anmerkungen und andere wissenschaftliche Apparate macht das Buch neben den schon erwähnten Hilfsmitteln auch für theologische Laien gut lesbar, und, wenn man um die klare katholische Ausgangsposition weiß, auch für Protestanten.

Manfred Eder ist Wissenschaftler, und er schreibt kritisch. Besonders deutlich wurde dem Rezensenten dies im letzten Teil des Buches, den er mit spezieller Sorgfalt begutachtete, worin Eder die Rolle der Kirche im Dritten Reich beschreibt.

Während sich die Bischöfe in ihren Hirtenworten vom 28. Juni 1945 und vom 23 August 1945 bescheinigten, "von Anfang an vor den Irrlehren und Irrwegen des Nationalsozialismus ernsthaft gewarnt" zu haben und das deutsche Volk "mit wenigen Ausnahmen keine Kenntnis gehabt" habe von den Konzentrationslagern, und so nach Auffassung von Manfred Eder weit hinter den evangelischen Schuldbekenntnissen von Stuttgart und Darmstadt zurückbleiben, zitiert der Autor einen Ausspruch des späteren deutschen Bundeskanzlers Konrad Adenauer, überzeugter und gläubiger Katholik, von 1946. Als evangelischer Theologe hat sich der Rezensent über Jahrzehnte mit dieser Phase der deutschen Geschichte und der Rolle der Kirchen befasst. Doch diese bemerkenswerte Stellungnahme Adenauers war ihm bis dato völlig unbekannt. Die kirchliche Verantwortung, insbesondere diejenige der Bischöfe benennend, schrieb er damals 1946:
"Nach meiner Meinung trägt das deutsche Volk und tragen auch die Bischöfe und der Klerus eine große Schuld an den Vorgängen in den Konzentrationslagern. Es hat sich fast widerstandslos, ja zum Teil mit Begeisterung gleichschalten lassen, darin liegt seine Schuld. Im Übrigen hat man aber auch gewusst - wenn man auch die Vorgänge in den Lagern nicht in ihrem ganzen Ausmaß gekannt hat -, dass die persönliche Freiheit, alle Rechtsgrundsätze, mit Füßen getreten wurden, dass in den Konzentrationslagern große Grausamkeiten verübt wurden, dass die Gestapo, unsere SS und zum Teil auch unsere Truppen in Polen und Russland mit beispielslosen Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung vorgingen. Die Judenpogrome 1933 und 1938 geschahen in aller Öffentlichkeit ... Man kann also wirklich nicht behaupten, dass die Öffentlichkeit nicht gewusst habe, dass die nationalsozialistische Regierung und die Heeresleitung ständig aus Grundsatz gegen das Naturrecht, gegen die Haager Konvention und gegen die einfachsten Gebote der Menschlichkeit verstießen.
Ich glaube, dass, wenn die Bischöfe alle miteinander an einem bestimmten Tage öffentlich von den Kanzeln aus dagegen Stellung genommen hätten, sie vieles hätten verhindern können. Das ist nicht geschehen, und dafür gibt es keine Entschuldigung."

Das zur gleichen Zeit entstandene Ahlener Programm der CDU atmet einen ähnlichen Geist, von dem schon einige Jahre später nichts, aber auch gar nichts mehr zu spüren war.

Es ist ein Drama, dass ein und derselbe Mann drei Jahre später als Bundeskanzler mit Hans Globke einen der schlimmsten Handlanger der Vernichtung zu einem wichtigen Mann in seinem ersten Kabinett machte.

Der Rezensent glaubt, dass, wenn Konrad Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung all dies benannt hätte, was er drei Jahre zuvor in Richtung der Bischöfe und der Bevölkerung gesagt hatte, die Geschichte der BRD vielleicht anders verlaufen wäre. Aber der Kalte Krieg und seine Ideologien haben das nicht zugelassen.

Und so hat es sehr lange gedauert, bis in der Kirche selbstkritische Töne zu hören waren. In diese Richtung möchte der Autor auch seine Leser bringen, wenn er über eine neue Ära der Kirchengeschichte am Ende des Buches schreibt:
"Von diesen drei Optionen - fundamentalistischer Rückzug, basiskirchliches Modell oder pluriformer und weltoffener (nicht weltförmiger!) Katholizismus - bietet nur das letztere Konzept die Chance für eine zeitgemäße Repräsentation des Christentums". Und in Richtung der anderen Konfessionen schreibt er seiner Kirche ins Stammbuch:
"Zudem hat sich der Katholizismus im Interesse seiner gesellschaftlichen Präsenz weltweit immer wieder in aufrichtiger ökumenischer Gesinnung auf den allen Christen gemeinsamen Ursprung und auf den tragenden Grund des Glaubens zu besinnen."

Dem kann der Rezensent als evangelischer Theologe nur zustimmen und im Übrigen dem Autor und dem Verlag zu einem hervorragenden Buch gratulieren.

(Winfried Stanzick; 05/2008)


Manfred Eder: "Kirchengeschichte. 2000 Jahre im Überblick"
Patmos, 2008. 256 Seiten.
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