Andreas Exner, Christian Lauk, Konstantin Kulterer: "Die Grenzen des Kapitalismus"
Wie wir am Wachstum scheitern
Für
eine solidarische
Ökonomie
Das vorliegende Buch versucht, gegen den Wahn von Wachstum
anzuargumentieren,
der sich wie ein zäher Mythos seit Beginn des 20. Jahrhunderts
entwickelt hat -
indem die Autoren aufzeigen 'Wie wir am Wachstum scheitern'
(Untertitel). Es
gilt zu begreifen, dass das wirtschaftliche Wachstum soziale,
ökologische,
ethische und kulturelle Grenzen auferlegt bekommen muss - denn es kann
ja wohl
kein Selbstzweck sein. Überdies wird immer deutlicher, dass
die Weltwirtschaft
angesichts des Klimawandels,
der knapper werdenden Rohstoffe
und der eigentlich nur noch virtuell
nachvollziehbaren Kreditspekulationen nur noch eine "Blasenwirtschaft"
ist. Die Autoren möchten uns auf eine "fatale
Kopplung"
aufmerksam machen: "Die Wirtschaft wächst, das
Umweltproblem auch"
(Kapitelüberschrift). Im Laufe der Industrialisierung mussten
immer wieder die
lokalen Interessen gegenüber den nationalen
zurückstecken und die nationalen
gegenüber den globalen. Eine der
vielfältighinterhältigen Ironien der
Geschichte dabei ist, dass z.B. die Herstellung von Katalysatoren,
welche die
Luftverschmutzung reduzieren helfen, ihrerseits zu extremen
Umweltbelastungen führt.
Die Gefahr besteht, dass man sich mit der Gleichung "Wachstum gegen
Klima" abfindet und das Wachstum zum Goldenen Kalb erhebt,
während das
Klima zur quantité négligable
schrumpft. Eines machen die Autoren aber
auch klar: die Kernenergie kann den Rückgang fossiler
Brennstoffe nicht
auffangen. Bereits heute sorgt die Kernenergie nur für
fünf Prozent der
globalen Energie - und die Uranreserven werden sich weltweit in wenigen
Jahrzehnten erschöpfen. Und man will es einfach nicht
wahrhaben: unbegrenztes
Wirtschaftswachstum ist eine menschenverachtende Utopie. Daher steht
unverrückbar
fest: "Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist
unausweichlich."
Allerdings benötigen diese "Speicherkapazitäten
in großem Stil und
neuartige Stromnetze." Ernsthaft betrachtet müsste
unser
Energieverbrauch eigentlich sinken - das Gegenteil ist der Fall. Das
Wirtschaftsgebaren der Menschheit ist ein globales Harakiri.
Die Ökonomie bewegt sich in einem "Hamsterrad aus
Wachstum und
Investition". Mittlerweile gilt: "Bedürfnisbefriedigung
wird
Nebensache, das Hauptprodukt ist Geld." Dies ist der "Selbstzweck-Mechanismus
des Kapitalismus", und unser Denken hat sich pervertiert zur
Formel: "Wenig
geben, viel bekommen". Bereits der Ökonom Joseph
Schumpeter sprach von
"schöpferischer Zerstörung". Den
Kapitalisten interessieren
jedenfalls nicht die Menschen, die auf dem Arbeitsmarkt Schlange stehen
- er
jongliert mit virtuellen Finanzkapazitäten. Der moderne
Wirtschaftsmensch
produziert in der Regel mehr als er benötigt. Die Autoren
behaupten: "Die
Bürger der griechischen Polis zogen es vor, sich Politik und
Philosophie zu
widmen. Die Wirtschaft war eine Nebensache, eher lästig."
Ob die Welt
tatsächlich einmal solch eine Idylle war und jemals wieder zu
einer solchen
werden könnte, scheint eher illusorisch. Denn das System des
Wachstumsdenkens,
der Geld- und Machtvermehrung realisierte Massenproduktion und
Massenkonsum,
Massenmedien und Massenpolitik. Der Mensch wurde zu einer
"Funktionseinheit" aus Arbeit und Konsum.
Wir verwirklichen uns auf Kosten Anderer, entwickeln ein
Fließbandbewusstsein
und taxonomisieren unsere sozialen Dienstleistungen und Kontakte. Aus
der
Bedrohung des Wachstumssystems durch die
68er
erwuchs dessen Modernisierung und Stabilisierung. Versuche,
solidarische
Produktionsbedingungen zu schaffen, blieben sporadisch und nicht von
Dauer. Wir
müssen allerdings eine Alternative zum Gewinn- und
Karrieredenken entwickeln.
Wie könnten wir leben ohne Markt, ohne Kapital, ohne Staat?!
Die Autoren
entwickeln diesbezüglich einen Dreistufenplan: 1) Wohlstand
vom Wachstum
entkoppeln und gleich verteilen - 2) Wachstum stoppen - 3) das Leben
jenseits
von Markt und Staat neu organisieren. Fragen, die hierbei eine Rolle
spielen, wären
die soziale Absicherung bzw. ein garantiertes
Grundeinkommen,
kollektive
Wohnformen und Genossenschaftsbetriebe.
Und das in einer Situation, in der mit
Kapital mehr oder weniger
abstrakt
spekuliert wird, der Staat aber konkret sanieren und subventionieren
muss. Und
die Autoren meinen zudem: "Kein ökologischer Umbau
kann die globalen
Finanzmassen noch sinnvoll investieren." Der Teufelskreis der
Gegenwart
beschreibt sich schließlich so: "Je
häufiger der Staat aber rettet in
der Not, desto eher kalkuliert die Wirtschaft ihn als
kostengünstige
Ausfallshaftung bei allen Unternehmungen ein." Die Autoren
fordern nun,
dass wir "unser Auskommen vom Einkommen entkoppeln."
Und wenn
wir "einander bedingungslos unterstützen",
wird auch ein ökologischer
Richtungswechsel möglich, weil er dann auch "sozial
von Vorteil"
ist.
Unser gemeinsames Ziel wäre also eine "solidarische
Ökonomie",
in der nicht der Profit im Mittelpunkt stünde, sondern die
Bedürfnisse der
Menschen. Eine positive Utopie deutet sich an - in den USA betreibt man
'Community
Building' - 'Aufbau virtueller Gemeinschaften', aus der Hip-Hop-Szene
kommt "Poesie
für den
sozialen Wandel", Wandmalereien schaffen Gemeinsinn, 'Urban
Gardening' - 'Gärtnern in der Stadt' beginnt sich zu
entwickeln und effektiv zu werden.
Die Idee der
sich selbstversorgenden Gemeinschaften wird von Wissenschaftlern,
Künstlern und
Aktivisten verfolgt. Die Botschaft lautet: nicht Gott, nicht der Staat,
nicht
die Wirtschaft werden uns retten: "Eine Welt, die Frieden
macht mit sich
und der Natur, schaffen nur wir selbst." Allein aus "Widerstand
und Kooperation"
wird eine neue wachstumsfreie Lebensweise
und
Solidarität entstehen. Das vorliegende Buch argumentiert
nüchtern viele
globale Fakten durch und endet mit großem Idealismus und dem
Glauben an die
menschliche Vernunft und Kraft zur Selbstbefreiung.
(KS; 10/2008)
Andreas
Exner, Christian Lauk, Konstantin Kulterer:
"Die Grenzen des Kapitalismus. Wie wir am Wachstum scheitern"
Verlag Carl Ueberreuter, 2008. 223 Seiten.
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Weitere Buchtipps:
Sighard Neckel: "Flucht nach vorn. Die Erfolgskultur der
Marktgesellschaft"
In der Gesellschaft der Gegenwart hat die "Pflicht zum Erfolg" eine
allgemeine Kulturbedeutung angenommen - in privaten Lebenswelten, im
beruflichen
Alltag, in der heutigen Ökonomie. Unfähig, die
gesellschaftlichen Probleme zu
lösen, welche der Markt hinterlässt, tritt der
kulturelle Kapitalismus unserer
Zeit im Erfolgskult die Flucht nach vorn in eine Lebensform an, in der
das Ökonomische
mehr oder minder subtil das Handeln, die Gefühle und die
Sinnwelten regiert.
Doch kehren im neuen Gewand auch alte Gegensätze
zurück: Erfolg und Scheitern,
Arm und Reich, Gewinner und Verlierer. Und hinter der
allgegenwärtigen Rede von
"Leistung" verbirgt sich der Vorrang des reinen Marktprinzips. Sighard
Neckel rückt der Vermarktlichung der Gesellschaft mit kultursoziologischen
Studien zu Leibe, die vor allem die Selbsttäuschungen und
Paradoxien der
heutigen Erfolgskultur aufdecken. (Campus Verlag)
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Daniel Goeudevert:
"Das
Seerosen-Prinzip. Wie uns die Gier ruiniert"
"Wir haben kein Unterschichten-, wir haben ein
Oberschichtenproblem!"
Daniel Goeudevert
Massenentlassungen, Korruptionsskandale, Finanzkrisen und eine immer
größere
Kluft zwischen Arm und Reich haben das Vertrauen in die
Führungskräfte der
Wirtschaft stark erschüttert. Daniel Goeudevert, viele Jahre
Spitzenmanager in
der Automobilindustrie, wirft einen Blick hinter die polierten Fassaden
der
Geschäftswelt. Dabei entlarvt er die Vorstellung von einer
rein rational
agierenden Ökonomie als gefährliche Illusion. Er
zeigt, dass uns die alles
beherrschende Wirtschaft unserer Lebensgrundlagen beraubt, wenn sie
weiterwuchern darf wie bisher. Eine unserer wichtigsten Ressourcen
steht auf dem
Spiel: das Vertrauen. Und nur verantwortliches Handeln kann jenes
Vertrauen
schaffen, auf das nicht nur die Gesellschaft, sondern auch der Markt
dringend
angewiesen ist.
"Die Seerose ist für mich das passende Bild
für das Agieren eines Großteils
unseres Managements. Der 'krautige Oberflächenwucherer' gilt
als Meister der
Selbstinszenierung, weil alle Voraussetzungen seiner
Schönheit unter Wasser
verborgen bleiben. Doch die Idylle ist trügerisch. Sowohl die
Seerosen als auch
viele Manager sind 'Starkzehrer'. Sie tendieren dazu, ihrem Untergrund
so viele
Nährstoffe zu entziehen, dass sie ihren eigenen Lebensraum zu
zerstören
drohen." Daniel Goeudevert (DuMont Buchverlag)
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Pater Hermann-Josef
Zoche: "Die
sieben Todsünden unserer Zeit"
In seinem klugen, aufrüttelnden Buch bringt Pater Zoche die
sieben Tugenden als
Gegenmodell ins Spiel: Demut, Verzicht, Gelassenheit, Bescheidenheit,
Askese,
Leidenschaft und Mitfreude können den Menschen helfen, sich
auf sich selbst zu
konzentrieren, individuelle und freie Entscheidungen zu treffen und
sich nicht
von oberflächlichen Trends unter Druck setzen zu lassen.
Die Menschen haben zu allen Zeiten gesündigt. Doch heute gibt
es kein Regulativ
mehr, das sie zur Umkehr bewegt. An vielen Beispielen aus Wirtschaft
und
Privatleben zeigt Pater Zoche, wie sich aus den klassischen die neuen
Todsünden
entwickelt und unsere Gesellschaft in eine gefährliche
Schieflage gebracht
haben. Hohe Managergehälter und die heiklen Geschäfte
der Banken fußen auf Völlerei
und Habgier. Neurowissenschaftler
und Embryonentechniker sind die "neuen Götter", die den
Menschen erklären,
formen, unendlich machen. Diese neue Todsünde resultiert aus
dem Hochmut, dass
der Mensch sich niemandem verdanken will: Er hat seine Demut vor der
Schöpfungskraft
Gottes verloren. (Econ)
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Wolfgang
Müller: "Die
großen Wirtschaftslügen. Raffgier mit System"
Was Konzernmanager und Berater gerne verschweigen, enthüllt
Wolfgang Müller:
Wie die Jagd nach maximaler Rendite als Sachzwang verkauft wird. Warum
für
viele Vorstände die Finanzmärkte wichtiger sind als
der
Markt für ihre Produkte. Warum Manager zig Millionen kassieren
und kaum
Steuern zahlen. Wie Aufsichtsräte für dumm verkauft
werden. Die Mär vom
teuren Standort Deutschland und andere Milchmädchenrechnungen.
(Knaur)
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