Ernst Jünger: "Annäherungen"
Drogen und Rausch
Die
Annäherung als Weg ohne
Ziel
Als Annäherungen betitelte Ernst Jünger seine
Aufzeichnungen zum Themenkomplex
Drogen und Rausch, die 1970 zum ersten Mal erschienen sind. Es handelt
sich um
Annäherungen an Grenzen, die nicht überschritten
werden, an Geheimnisse, die
wohl erahnt, jedoch nicht gelüftet werden können.
Denn mehr als eine Annäherung
vermag laut Jünger keine Droge dieser Welt zu leisten, die
letztendliche Erfüllung
der Begier wird dem Suchenden immer wieder versagt bleiben. Und genau
deswegen
kann die Annäherung auch kein konkretes Ziel haben, allein im
Weg liegt da der
Sinn. So sah es Ernst Jünger, und der Mann wusste
schließlich, wovon er redete
oder schrieb.
Es geht in diesen Texten auch um Jüngers ganz
persönliche Annäherung an die
Droge, und von daher gesehen besitzen seine Aufzeichnungen einen
eindeutigen
Tagebuchcharakter. Es sind rückschauende Reisen in den
Erinnerungsspuren
intensiv erlebter Vergangenheit. Einer Vergangenheit, die nicht nur
Erfahrungen
mit Drogen sondern auch Kriegserlebnisse und Anderes beinhaltet. Auch
Annäherungen
an das Wesen
der Zeit bietet uns Jünger. Ein ums andere Mal
stößt der Autor
seine Leser auf den engen Zusammenhang von Zeit und Rausch. Denn im
Rausch wird
die Zeit vom menschlichen Bewusstsein
anders
verwaltet als im
nüchternen
Zustand. Man borgt sich gewissermaßen Zeit aus, aber die
Kehrseite ist, dass
man auch hinterher dafür bezahlen muss, mit dem Kater der
Ernüchterung, mit
Langeweile oder mit
Depressionen.
Ja, wer sich auf den
regelmäßigen Konsum von
Drogen einlässt, der muss sogar damit rechnen, mit jeder
höheren Dosis auch
nachher auf einer höheren Ebene der Enttäuschung und
Ernüchterung zu
stranden. Dies gilt übrigens auch für andere Bereiche
des Lebens. Ernst Jünger:
"Wir fliegen zu den Polen und zum Mond und bringen die
Öde mit."
Jüngers Autorität in diesen Dingen ist nicht
anzuzweifeln, und es ist
keinesfalls die Autorität eines schulmeisterlich erhobenen
Zeigefingers. Aber Jünger
beschönigt und verharmlost auch nichts. Seine
Autorität hat etwas von einem
ausgleichenden Orakelspruch. Das macht ihn so glaubwürdig. Von
den
schwindelnden Höhen der Marmorklippen bis hinab auf den Grund
der Erscheinungen
reicht seine geistige Spannweite. Da nimmt es nicht Wunder, wenn seine
Gedanken
ihn manchmal auf Abwege führen, die ihn weit vom Thema
wegleiten. "Die
Betrachtung ist ein wenig überbordet, hat ins Weite
geführt", gesteht
er an einer Stelle seinen Lesern ein. Doch es sind stets
erkundenswerte,
interessante und abenteuerliche Weiten, in die uns der Autor
führt. Und die
Droge ist, wie Jünger weiß, auch nur einer von
mehreren Schlüsseln, um Reiche
zu erschließen, die der normalen Wahrnehmung im Regelfall
verschlossen bleiben.
Alles was Jünger schreibt, hat Tiefe, nichts bleibt
oberflächlich. Ein wahres
Füllhorn an Ideen und Gedanken ergießt sich
über den Leser aus, um seinen
Geist anzuregen und zu befruchten. Vielleicht, um ihm eine ganz
besondere Droge
schmackhaft zu machen, die Droge der Bibliophilen: Das
Lesen.
Jünger erweist sich in seinen Annäherungen als ein
scharfer Beobachter und
disziplinierter Denker. Ein Denker, der augenscheinlich auch im hohen
Alter noch
die Dinge mit der Objektivität und Klarheit eines Spiegels
reflektieren konnte.
Die Eleganz seines Stils ist von der gleichen Klarheit und
lässt des Autors
Gedanken für seine Leser transparent werden. Und was den
Umgang mit
bewusstseinserweiternden Drogen betrifft, so gibt Ernst Jünger
seinen Lesern
noch eine Empfehlung mit auf den Weg: "Einmal
genügt. Sie haben dann
eine Vorstellung von den Dimensionen gewonnen, innerhalb deren sie sich
als
Blinde bewegen, haben ein Mal die Tiefe ausgelotet, die unter den
Planken ihres
Bootes gähnt. Dort durften sie Grund fassen, und diese
Landnahme hält vor."
Baudelaire kam übrigens bei seinen Annäherungen zum
gleichen Fazit. Dies
sollte jedoch nicht unbedingt als Aufforderung missverstanden werden,
die eine
oder andere Droge selbst zu probieren.
Mein Fazit kleide ich in die Empfehlung: Kaufen und lesen Sie
Jüngers Annäherungen.
Weder das Geld, das Sie in den Kauf, noch die Zeit, die Sie in das
Lesen
investieren, werden Sie hinterher als vergeudet ansehen. Im Gegenteil,
das Buch
wird Ihnen gewiss Kurzweil und Gewinn bringen.
(Werner Fletcher; 09/2008)
Ernst
Jünger: "Annäherungen. Drogen und Rausch"
Klett-Cotta, 2008. 456 Seiten.
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Weitere
Buchtipps:
Alexander Pschera (Hrsg.): "Bunter Staub. Ernst Jünger im
Gegenlicht"
Ernst Jünger scheidet die Geister. Wir tun uns schwer mit
seinem Werk. Worin
aber liegen die Faszination und die Abschreckung? Vielleicht gelingt
eine
Antwort, wenn man mit Jünger über ihn hinausdenkt.
"Bunter Staub" ist Wörterbuch und Langessay in einem.
Beiträge
unterschiedlichster Autoren unterziehen die wichtigsten
weltanschaulichen
Grundbegriffe Ernst Jüngers einer Relektüre:
Abenteuer - Inneres Erlebnis -
Waldgang - Myrdun - Verlorener Posten - Désinvolture -
Heiterkeit - Autorschaft
- Schmerz - Rausch - Linie - Strahlungen - Überlegte Partie -
Flugtraum -
Arbeit - Technik und Spiel - Gläserne Bienen - Posaunisten -
und andere.
Ernst Jüngers Texte erscheinen in einer neuen Optik, sie
werden in Gegenlicht
getaucht und zum Tanzen gebracht. Bunter, glitzernder Staub: Rambo auf
Waldgang
... Schmerz und Rausch ... Reisen in den Raum der Tiefe ... Das
universelle
Theorie-Subjekt ... Der alte Mann und das Meer ... No, Sir!
...
Gepolsterte Gegenwart ... "Was hat die Bombe mit dem Brief zu tun?"
... Eine Dream-Machine in Petersburg ...
Désinvolture after Duchamp ...
Der ERNST des Lebens ...
Mit Beiträgen von Martin van Creveld, Günter Figal,
László F. Földényi,
Christophe Fricker, Yuri Harari, Lorenz Jäger, Marc Jongen,
Georg Klein,
Sebastian Kleinschmidt, Eckhard Nickel, Thomas Palzer, Tom Peuckert,
Mark von
Schlegell, Heimo Schwilk, Marion Titze, Peter Trawny, David Woodard
u.A. (Matthes
& Seitz)
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Thomas
Köhler: "Rauschdrogen. Geschichte, Substanzen, Wirkung"
Ist der Gebrauch von Cannabis strafbar? Wie schädlich sind
Designerdrogen?
Woraus werden Asthmazigaretten hergestellt? Der Band gibt kompetent
Auskunft über
Zusammensetzung und Wirkungsweisen von sogenannten psychoaktiven
Substanzen wie
Opium, Kokain,
Amphetaminen,
Cannabis,
Halluzinogenen, Designer- und
Naturdrogen, deren Konsum zu einer Art "Rausch" führt. Im
Mittelpunkt
stehen dabei nicht nur biopsychologische und medizinische, sondern auch
kulturhistorische und rechtliche Gesichtspunkte. (C.H. Beck)
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Ingo
Niermann, Adriano Sack: "Breites Wissen. Die
seltsame Welt der Drogen und ihrer Nutzer"
Ein
Buch über
Drogen, wie es noch keines gegeben hat! Keine Pamphlete,
keine Bekenntnisse,
keine Belehrungen, sondern Anekdoten, Listen, Tabellen, Illustrationen.
Vorurteilsfrei und schamlos, detailversessen und lehrreich, schnell,
aber nicht
oberflächlich. Fast möchte man sagen: Es macht
süchtig.
"Breites Wissen" ist eine Sammlung von Klatsch und Kuriosem,
biochemischen Erkenntnissen und kulturgeschichtlichen Meilensteinen.
Das Buch
enthält fast alles über Schäden und Nutzen
von Drogen, über angenehme und
fatale Wirkungen, über Schönes, Schreckliches und
Peinliches - zum Beispiel:
Die unwürdigsten Methoden, Haschisch zu rauchen;
Denkwürdige Drogentode und Höchstdosierungen,
die überlebt wurden; Glamouröse
Therapieplätze; Die beliebtesten Drogen in
der DDR; Die Kokain-Sucht von Sherlock Holmes in Original-Zitaten;
Trunkene Präsidenten
und süchtige Diktatoren; Whitney Houston, Christoph Daum, Kate
Moss: Prominente
und ihre Drogenprobleme; Natürliche Wege in den Rausch - und
zurück; Wie
Kriege süchtig machen. (Eichborn)
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Andreas
Geyer: "Friedrich
Georg Jünger. Werk und Leben"
Den größten Teil seines Lebens stand der
Schriftsteller Friedrich Georg Jünger
(1898-1977) im Schatten seines älteren Bruders Ernst. In den
Jahren nach dem
Zweiten Weltkrieg schien Friedrich Georg Jünger
zunächst auf dem besten Weg zu
sein, in die erste Garnitur der deutschen Intellektuellen
aufzurücken.
Die diversen Rollen, in denen Friedrich Georg Jünger im Laufe
seines Lebens
aufgetreten ist, sind in ihrer Heterogenität und
Widersprüchlichkeit mehr als
irritierend: Jünger begegnet uns in den Zwanziger Jahren als
radikaler
Nationalist - und später als entschiedener und couragierter
Gegner des
nationalsozialistischen Regimes. Wir sehen ihn als Verherrlicher des
Fronterlebnisses im Ersten Weltkrieg - und später als weisen
Werber für ein
ökologisches
Weltverständnis. Jünger
präsentiert sich als
intoleranter Verfechter eines
germanozentrischen Imperiums - und später als subtiler und
verständnisvoller
Interpret
antiker
Mythen, entlegener Literaturen und fremder
Weltkonstruktionen.
Er zeigt sich als ebenso energischer wie pessimistischer Kritiker von
Technik,
Wissenschaft und Fortschritt, propagiert ein zyklisches Weltbild der
ewigen
Wiederkehr - und verkörpert zugleich in seiner Person die
Lebenshaltung einer
apollinischen Heiterkeit und dionysischen Festlichkeit.
Die erste Monografie zu Friedrich Georg Jünger, die hier
vorgelegt wird,
versucht in das facettenreiche Werk dieses schillernden Autors
einzuführen und
dessen Entwicklung vor dem Hintergrund seiner Zeit nachzuzeichnen.
(Karolinger)
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