Douglas Hofstadter: "Ich bin eine seltsame Schleife"
Das
selbstbezügliche Ich
Als "Der 'Gödel, Escher, Bach' für alle" wird das
vorliegende Buch
auf der Einbandrückseite bezeichnet. Potenzielle Leser der
Jahrgänge ab etwa
1965 und davor werden sich vielleicht noch daran erinnern, dass
Hofstadters
erstes Werk, eben "Gödel, Escher, Bach - ein Endloses
Geflochtenes
Band" in den 1980er-Jahren regelrecht Kultstatus erlangte. Ob man den
Inhalt begriff oder nicht, man musste es zumindest im Regal stehen
haben und den
Eindruck erwecken, man habe es mit Begeisterung gelesen. So mancher
verstand
allerdings nicht allzu viel von Hofstadters komplexen
Ausführungen.
In "Ich bin eine seltsame Schleife" greift der Autor in der Tat
zahlreiche Inhalte aus seinem Erstlingswerk wieder auf und stellt sie
anschaulicher, weniger kompliziert dar. Zentrales Thema sind die
Identität,
also das "Ich", Zirkularität, Selbstbezüglichkeit,
darstellbar
anhand von mathematischen und logischen Schleifen, die sich denn auch
durch das
gesamte Buch ziehen. Man könnte auch sagen, dass sich das Buch
mit der
Funktionsweise des Gehirns befasst, freilich nicht von der
neurologischen Seite
her, sondern auf der Basis von Informationsverarbeitung über
Symbole.
Hofstadter leitet ab, dass diese Arbeitsweise einer so hocheffizienten
"Maschine" wie des Gehirns zwangsläufig zur
Selbstbezüglichkeit führt.
Vor allem der Mathematiker Gödel tritt im Buch häufig
auf, nicht nur bezüglich
seiner Auseinandersetzung mit den hochinteressanten Fibonacci-Zahlen.
Denn Gödel
gelang es, mit mathematischen Mitteln beziehungsweise Symbolen eine
Aussage über
die Mathematik selbst zu machen: Hier begegnet uns wieder das fast
allgegenwärtige
Motiv der Schleife, die Selbstbezüglichkeit, die sich unter
anderem auch in den
optischen Täuschungen des niederländischen Grafikers
Escher niederschlägt,
der in Hofstadters neuem Buch ebenfalls anzutreffen ist, freilich eher
am Rande
wie auch Johann
Sebastian Bach; um eine reine Vereinfachung von
"Gödel,
Escher, Bach" handelt es sich bei diesem Buch eben doch nicht.
Das Ich als Schleife: geboren aus unserer Wahrnehmung, die aber nicht
unbedingt
die Realität abbildet, denn was ist Realität?
Hofstadter verwebt
Naturwissenschaft und Philosophie, Kognitionswissenschaft und das, was
man
gemeinhin als "gesunden Menschenverstand" bezeichnet. Vor Fallstricken
schreckt er nicht zurück: Wie sieht das Bewusstsein von Tieren
aus? Gibt es
kleine und große Seelen? Bei dieser letztgenannten Frage
präsentiert
Hofstadter den Friedensnobelpreisträger
Albert Schweitzer als
eine große Seele
und stellt die Frage, ob das Gewissen die Grundlage des Bewusstseins
sei, unter
anderem auch im verantwortungsbewussten
Umgang mit Tieren; ein Thema,
das der
Vegetarier Hoftstadter in diesem Buch relativ häufig
aufgreift, ohne allzu
missionarisch aufzutreten.
Jedes der in "handliche" kleinere Abschnitte gegliederten Kapitel
beginnt mit einem Foto, das eine "seltsame Schleife" zeigt, eine
Zirkularität. Die Texte sind, auch wenn es sich ja um
"'Gödel, Escher,
Bach' für alle" handeln soll, keine leichte Kost, sondern sie
erfordern
aufmerksames Mitdenken und den Mut zu recht kühnen
Gedankenspielen. Verstehen
kann man Hofstadters in einem kurzweiligen Stil verfasste
Ausführungen auf
jeden Fall, wenn man sich darauf einlässt. Es lohnt sich auch,
die Anmerkungen
am Ende des Buchs zeitnah zur Lektüre der Kapitel durchzulesen.
Wer sich für das Thema interessiert und mit "Gödel,
Escher, Bach"
nicht klarkam, dürfte dieses Buch eher genießen. Es
ist mit Hofstadters
gewohnter gedanklicher Brillanz geschrieben, die Tiefe wurde etwas
reduziert
zugunsten einer besseren Allgemeinverständlichkeit, was aber
definitiv nicht
schadet. Manche Einsichten und Ideen des Autors mag man vielleicht
nicht teilen.
Doch es lohnt sich, dem Autor bei seiner Untersuchung des "Ichs" zu
folgen.
(Regina Károlyi; 05/2008)
Douglas
Hofstadter: "Ich bin eine
seltsame Schleife"
(Originaltitel "I Am a Strange Loop")
Übersetzt von Susanne Held.
Klett-Cotta, 2008. 528 Seiten.
Buch
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Douglas Hofstadter, geboren am 15. Februar 1945, ist der Sohn des Physik-Nobelpreisträgers Robert Hofstadter. Er verbrachte seine Jugend in Genf und studierte Physik, Informatik und Kognitionswissenschaften u. a. in Stanford und Oregon, wo er 1975 promovierte. Gastprofessuren an der Universität Regensburg und dem MIT. Für "Gödel, Escher, Bach - ein Endloses Geflochtenes Band" erhielt er 1980 den "Pulitzer-Preis" sowie den "American Book Award" für das beste Sachbuch. Heute hat er einen Lehrstuhl an der Indiana University in Bloomington inne.