Günter Grimm: "Heroen, Götter, Scharlatane"
Heilserwartungen und Heilsbringer der Antike
Günter
Grimm ist Ordinarius für Klassische Archäologie am
Zentrum für Altertumswissenschaften der Universität
in Trier. In vielen Publikationen hat er sich in der Vergangenheit mit
religionsgeschichtlichen Problemen und Phänomenen befasst.
Auch in seinem als Band Nummer 117 der Reihe "Kulturgeschichte der
Antiken Welt" veröffentlichten Buch geht er einer nicht nur
für Christen sehr interessanten religionsgeschichtlichen Frage
nach:
Wie konnte es eigentlich geschehen, das sich der Christusglaube
innerhalb kürzester historischer Zeit gegen die bisherigen
antiken Götter, Heroen und Heilsbringer und vor allen Dingen
gegen die Vorstellung des Hades durchsetzen konnte?
Diesem wunderbar bebilderten, in großzügiger
Aufmachung verlegten Buch stellt der Autor den Aphorismus des deutschen
Schriftstellers
Hermann
Hesse voran:
"Gegen den Tod brauche ich keine Waffe, weil es keinen Tod
gibt. Es gibt aber eines: Angst vor dem Tode. Die kann man heilen."
Zunächst beschreibt Günter Grimm eindrucksvoll und
mit wunderbaren Bildern entsprechend illustriert, wie sich schon in
antiker Zeit bei den Griechen immer wieder Hoffnungsbilder
durchzusetzen versuchten, Hoffnungsbilder und Legenden, die alle ein
Ziel hatten: zu beschreiben und auszudrücken, dass der Hades,
jene furchtbare Unterwelt, die jedem als Schicksal bestimmt war,
überwunden werden konnte. Dazu kam, dass nach dem
Zusammenbruch der Herrschaft Alexanders des Großen die antike
Welt in einem ziemlich chaotischen Zustand war, der in den einzelnen
Menschen den Wunsch nach Halt außen und innen immer
größer werden ließ. In ihrer gewaltigen
Verzweiflung wandten sich die Menschen den antiken Göttern zu
und fanden in Gestalten wie
Dionysos,
Herakles,
Asklepios oder Achill
Leitbilder, die ihnen Hoffnung gaben. Und es entstand das
Bedürfnis nach einem Jenseits nach dem Tod, das
schöner und erstrebenswerter war als die bisherige Vorstellung
vom Hades, in dem die Toten nur als
fahle
Schatten herumirren.
Alte Orakel lebten wieder auf, und geheimnisumwitterte
Mysterienkulte
sprossen hervor. Wunderheiler und Wanderprediger traten allenthalben
auf, und viele Menschen folgten ihnen in der Hoffnung auf Rettung ihrer
Seelen und auf einen Neuanfang in ihrem Leben.
Auch in Palästina fanden solche Entwicklungen statt. Das
Judentum entwickelte apokalyptische Vorstellungen, oft gepaart mit
politischen Vorstellungen von Frieden und Gerechtigkeit ohne die
Herrschaft der Römer. In dieser Zeit fängt
Jesus von
Nazareth an aufzutreten. Er ist nicht der einzige
Wanderprediger Anfang
des 1. Jahrhunderts. Von Apollonius von Tyana beispielsweise gibt es
ganz ähnliche Erzählungen von Jungfrauengeburt,
Wunderheilungen, gewaltsamem Tod und Himmelfahrt.
Günter Grimm unternimmt nun, nachdem er all dies
verständlich erläutert hat, den Versuch, zu
erklären, wie es die Christen durch die Wirkung der
Evangelien,
insbesondere aber durch die Schriften des Intellektuellen
Paulus von Tarsos, schafften, ihre Glaubensinhalte in Szene zu setzen,
wie die Auseinandersetzungen innerhalb des frühen Christentums
verliefen und wie es ihnen gelang, die ehedem große und
unendlich scheinende Macht des Hades verblassen zu lassen.
Der Glaube an Christus vermochte sich schließlich
durchzusetzen, innerhalb historisch beachtlich kurzer Zeit und mit
langer Wirkung:
"Und was auch je im Laufe der Geschichte gegen das Christentum
oder in Konkurrenz dazu von intelligenten Menschen ersonnen und von
Mächtigen unternommen wurde - die christliche Offenbarung
erwies sich gegen verbale Attacken wie konzeptionelle
Anschläge jedweder Art als resistent. Sie scheint in Substanz
und Design letztlich das geblieben zu sein, was schon die
Spätantike in ihr fand: praktische Lebenshilfe in sozialen
Belangen, Anleitung zum Streben nach moralischer und spiritueller
Vervollkommnung, nie versiegender Quell der Hoffnung auf ausgleichende
Gerechtigkeit, Befreiung von persönlicher Schuld und
Todesfurcht und nicht zuletzt Garantin ewigen, glückseligen
individuellen Seins im Himmelreich."
"Heroen, Götter, Scharlatane" ist ein sehr empfehlenswertes
Buch, gerade auch für Theologen und theologisch Interessierte,
das die christliche Religion sozial- und religionsgeschichtlich in der
Spätantike verortet und einordnet sowie ihre
Aktualität und Attraktivität für viele
Menschen bis auf den heutigen Tag aufzeigt.
(Winfried Stanzick; 06/2008)
Günter
Grimm: "Heroen, Götter, Scharlatane. Heilserwartungen und
Heilsbringer der Antike"
Philipp von Zabern, 2008. 110 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen