Heere Heeresma: "Ein Junge aus Amsterdam"


"Im babylonischen Talmud heißt es, dass der Mensch zweimal stirbt. Zuerst erleidet den Tod, und dann gerät er in Vergessenheit. Dieses Buch wurde aus Protest geschrieben."

Mit diesen Worten beginnt ein sehr bewegendes Alterswerk des bekannten niederländischen Schriftstellers Heere Heeresma, der, 1932 geboren, als Kind die Besatzung Amsterdams durch die Deutschen miterlebte. Sein Vater, auf den er als alter Mann noch unendlich stolz ist, ist protestantischer Theologe, ein gebildeter und kluger Mann, der mutig im Widerstand aktiv ist und Juden zur Flucht und zum Untertauchen verhilft.
Einen Jungen, Johan, hat die Familie des Autors sogar über Monate in der eigenen Wohnung versteckt. "Der Junge aus Amsterdam" ist über viele dieser Aktionen informiert, außerdem hat er Augen und Ohren. Und er sieht, wie einer seiner jüdischen Freunde nach dem anderen verschwindet, wie sich Erwachsene ergeben an dem von den Nazis angegebenen Sammelpunkt einfinden, um dann in die Züge zu steigen, die sie in die Vernichtung fahren werden.

Doch der Autor erinnert sich auch an die Spannung, mit der er als Junge der Krieg verfolgte und sich mit seinen Freunden über die verschiedenen Waffensysteme der Kriegsteilnehmer austauschte.

So entsteht ein Bild eines Viertels in Amsterdam-Süd, wo das früher gute Zusammenleben zwischen Juden und Nicht-Juden nach der Einführung des Judensterns und den beginnenden Deportationen unzählige Menschen diesen bedrohten Menschengeschwistern zur Seite stehen lässt. Beschrieben werden aber auch die zahllosen Kollaborateure sowie holländische Nazis und ihre Organisationen.

Heere Heeresma gelingt es beeindruckend, von menschlicher Größe in einer unmenschlichen Zeit zu erzählen.
Mich persönlich hat am meisten berührt, wie der alte Autor sein enges und liebesvolles Verhältnis zu seinem Vater beschreibt. So einen Vater wünscht man jedem Jungen.

"Ein Junge aus Amsterdam" ist ein wichtiges literarisches Zeugnis aus Holland, das mir einen tieferen Einblick vor allem in die holländische Kollaboration mit den Nazis verschafft hat.

(Winfried Stanzick; 05/2008)


Heere Heeresma: "Eine Junge aus Amsterdam"
(Originaltitel "Een jongen uit plan Zuid '38-'43")
Aus dem Niederländischen von Marianne Holberg.
Ammann Verlag, 2008. 152 Seiten.
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Der niederländische Schriftsteller und Poet Heere Heeresma, geboren am 9. März 1932 in Amsterdam, hat Dutzende von Büchern veröffentlicht. Sein Durchbruch gelang ihm in den 1960er- und 1970er-Jahren, getragen durch die "Provo-Bewegung", mit heute noch populären Büchern. "Een dagje aan het strand" ist von Roman Polanski verfilmt worden, sechs weitere Filmstoffe in internationalen Produktionen. Seine Bücher wurden in viele Sprachen übersetzt.

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Philip Snijder: "Sonntagsgeld"

Die windschiefen Häuser, die Gassen und Grachten der Insel in Amsterdam, wo seine Familie schon seit Generationen lebt, sind die einzige Umgebung, die der elfjährige Erzähler kennt. Doch die Träume der Kindheit enden plötzlich, als er das verwirrende Leben der Erwachsenen entdeckt. Ein bewegender Roman über eine verlorene Welt. Das Leben des elfjährigen Erzählers ähnelt dem gleichaltriger Jungen in dem Amsterdamer Armeleuteviertel, wo er mit seiner weitläufigen Familie wohnt. Wie sie hängt er sich an die sich öffnende Zugbrücke über die Gracht und springt mutig auf die Inseln aus Schlamm und Müll, die sich in den Kanälen sammeln, wie sie besucht er am Sonntag Onkel und Tante zum Kaffee, um nach einer Stunde steifen Wohlverhaltens sein "Sonntagsgeld" abzuholen. Schmale Häuser und enge Gassen, rauchgeschwängerte Stuben und arbeitslose Männer, die an den Straßenecken zusammenstehen, bestimmen das Leben auf der Insel mitten in Amsterdam, die seit Jahrhunderten von denselben Familien bewohnt wird. Vom Aufwachsen in einer Welt, wie es sie heute nicht mehr gibt, erzählt dieser humorvolle und warmherzige Roman. (Claassen)
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Geert Mak: "Niederlande"
Herausgeben von Helmut Schmidt und Richard Freiherr von Weizsäcker.
"Die Deutschen und ihre Nachbarn" - unter diesem Titel geben Helmut Schmidt und Richard von Weizsäcker gemeinsam eine auf zwölf Bände angelegte Reihe heraus, die den Deutschen Politik, Gesellschaft und Kultur der europäischen Nachbarländer vorstellt.
Was man auf vielerlei Reisen in sich aufnimmt, das soll hier vertieft und dabei auch von mancherlei Vorurteilen befreit werden. Dabei steht nicht so sehr das lexikalische Grundwissen im Vordergrund, sondern die lebendige Anschauung der Lebensverhältnisse und der jeweiligen nationalen Besonderheiten - auch im Verhältnis zu Deutschland.  Die beiden Herausgeber haben für "Die Deutschen und ihre Nachbarn" hervorragend ausgewiesene Kenner gewonnen, die ihr oft in Jahrzehnten erworbenes Wissen ebenso konzise wie anschaulich in den Bänden der Reihe weitergeben. Ganz bewusst ist dabei auch ein persönlicher Blickwinkel erlaubt. So hat jedes Buch ein eigenes Gesicht, doch alle haben miteinander gemeinsam, dass sie auf höchst informative Weise die Vielfalt und den Reichtum, aber auch die Gemeinsamkeiten der europäischen Länder widerspiegeln. (C.H. Beck)
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Bettina Baltschev: "Ein Jahr in Amsterdam. Reise in den Alltag"
Vielleicht ist Amsterdam keine klassische Weltstadt und die Sprache nicht wirklich zu gebrauchen, aber warum der reinen Logik folgen? Ein Jahr in Amsterdam - das bedeutet Massenpicknick im Vondelpark, ein Besuch im Coffeeshop, kulinarische "Abenteuer" mit Poffertjes, Pannekoeken, Matjes, Stropwafels und Snoepm und Hausboote überall. Und spätestens, wenn endlich das Fahrrad gestohlen wird, gehört man dazu ... (Verlag Herder)
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Sabine Burger, Alexander Schwarz: "Amsterdam und Umgebung"
Die facettenreiche Touristenmetropole von innen heraus gesehen: Kultur in Jahrhunderte alter Tradition, Schmelztiegel der Nationalitäten, Szenen und kulturelle Freiräume, nationales Selbstverständnis eines stolzen Volkes.
Dieser praktische Reiseführer hilft, die vielen Facetten Amsterdams zu entdecken, sich in der Stadt zurecht zu finden und sie individuell zu erleben. Er enthält eine Fülle von Reiseinformationen, aktuellen Preisen und Adressen:
Unterkunftshinweise für jeden Geldbeutel, kulinarische Tipps vom Schnellimbiss-Nasi-Goreng bis zum Menü der Spitzenklasse, Einkaufstipps vom Flohmarkt bis zu angesagten Geschäften mit Designermode, Tipps für Nachtschwärmer und Liebhaber ausgefallener Kneipen, Bars und Discos sowie Hinweise auf kulturelle Veranstaltungen und Sportmöglichkeiten. Spezielle Tipps für Kinder, Liebhaber des Nulltarifs, Schwule und Lesben. Ausführliche Exkurse zu interessanten Hintergrundthemen.
Mit Den Haag, Scheveningen, Rotterdam und Utrecht. (Reise Know-How Verlag Rump)
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O'Niel V. Som: "Niederländisch - Wort für Wort"
Die Sprechführer der "Kauderwelsch"-Reihe orientieren sich am typischen Reisealltag und vermitteln auf anregende Weise das nötige Rüstzeug, um ohne lästige Büffelei möglichst schnell mit dem Sprechen beginnen zu können, wenn auch vielleicht nicht immer druckreif. Besonders hilfreich ist hierbei die Wort-für-Wort-Übersetzung, die es ermöglicht, mit einem Blick die Struktur und "Denkweise" der jeweiligen Sprache zu durchschauen.
Natürlich kann man sich auch in den Niederlanden auf Deutsch verständigen. Aber jeder, der schon einmal dort war, weiß, dass man viel freundlicher aufgenommen wird, wenn man versucht, Niederländisch zu sprechen. Dabei wird keineswegs eine perfekte Sprache verlangt, schon wenige Brocken genügen, um in engeren Kontakt mit den Leuten dort zu kommen. Wer sich nicht die Mühe macht, ein paar Wörter und Sätze zu lernen, wird die Niederlande nur aus Touristensicht erleben. Manche Auskunft wird erst gar nicht gegeben, wenn man es auf Deutsch versucht.
Da die Niederländer außerdem ein sehr reisefreudiges Volk sind, kann man mit ihnen in ganz Europa Bekanntschaft machen. Es lohnt sich daher, wenigstens etwas Niederländisch zu lernen. Noch dazu, weil die Sprache dem Deutschen sehr ähnlich ist und man ohne große Mühe schnell Fortschritte machen kann. (Reise Know-How Verlag Rump)
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Ulrich Ufer: "Welthandelszentrum Amsterdam. Globale Dynamik und modernes Leben im 17. Jahrhundert"
Aufgestiegen aus einer Sumpflandschaft, etablierte sich Amsterdam während des "Goldenen Zeitalters" der Niederlande als Zentrum des europäischen Handelssystems und wurde zum wichtigsten Knotenpunkt des europäisch-asiatischen Seehandels. Durch die weltweiten Wirtschaftsnetzwerke konzentrierten sich hier Reichtümer aller Kontinente und trugen zur Entstehung einer wohlstandsorientierten und konsumfreudigen urbanen Massengesellschaft bei. Zu den Charakteristika des modernen Lebens, die hier untersucht werden, zählen unter Anderem die aufkommende soziale Mobilität, die Kommerzialisierung des Alltags, die Individualisierung und die großstädtische Anonymität wie auch das stete Bedürfnis nach neuen Waren, das unter Anderem im beschleunigten Modenwechsel und in der Akkulturation exotischer Importe seinen Ausdruck fand. Diese kulturhistorische und sozialanthropologische Studie bietet einen fundierten Einblick in die Frühgeschichte der Globalisierung und in die Soziogenese des modernen Lebens im 17. Jahrhundert. Die sich aus der globalen Vernetzung Amsterdams entwickelnden Modernisierungstendenzen können zugleich als stellvertretend für generelle Entwicklungslinien der europäischen Zivilisation seit der Frühen Neuzeit gelten. (Böhlau Verlag Köln)
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Carel ter Haar (Hrsg.): "Europa erlesen. Amsterdam"
Obwohl etwa die Stadt Utrecht viel älter ist, der Rotterdamer Hafen als größter der Welt die Amsterdamer Konkurrenz weit überflügelt hat, manche sich alternativ nennende Lebensformen nur bedingt Zustimmung finden können und sicher noch weitere Argumente gegen die Stadt zu finden wären, hat dies alles ihre Faszination nie beeinträchtigen können.
Amsterdam ist seit dem 17. Jahrhundert auf eine unnachahmliche Weise präsent. In den Niederlanden selbst dadurch, dass die Stadt immer wieder eine zur Erstarrung drohende Bürgerlichkeit zu durchbrechen wusste, und dabei in durchaus eigenwilliger Weise auf ihre Freiheit und Unabhängigkeit pochte, im Ausland als Handels- oder Kunstmetropole und sowohl im wörtlichen als auch im übertragenen Sinne als Tor zu einer unbekannten, fernen Welt, deren Kostproben in der Stadt selber allgegenwärtig sind.
Es wurde, um dem geschichtlichen Aspekt gerecht zu werden, eine behutsame historische Auswahl von Texten getroffen, in denen die vergangenen Jahrhunderte, aber auch die jüngste Vergangenheit zum Ausdruck kommen. Man könnte von einer vertikalen Erzähllinie sprechen. Den weitaus größeren Platz nimmt die horizontale Erzähllinie ein, welche die Breite des Stadtlebens zeigen soll. Es sind besonders die Erfahrungen der Menschen in der Stadt. Die Klischees der Touristen stehen neben der Ironie oder der Frechheit der Einheimischen, bei denen neben ihrer Liebe zur Stadt immer wieder eine unerschütterliche und oft unbekümmerte Vitalität auffällt. Nachdenklichkeit und Traum stehen neben Aktionismus und Protest. Selbstironie zieht sich wie ein roter Faden durch die Texte. Und alles fügt sich wie selbstverständlich in das Stadtbild ein.
Mit Beiträgen von: A. C. Baantjer, A. F. Th. Van der Heijden, Albert Vigoleis Thelen, Andreas Burnier, Anja Meulenbelt, Anne Frank, Arnon Grünberg, Cees Nooteboom, Christian Reuter, Conny Braam, Cornelis, Bastiaan Vaandrager, Daphne Meijer, Doeschka Meijsing, Dragan Veliki , Etty Hillesum, Flip Droste, Frans Pointl, Geert Mak, Geerten Meijsing, Georg Weerth, Georg Forster, Gerard Reve, Grete Weil, Gustav Meyrink, H. C. Ten Berghe, Hans Magnus Enzensberger, Hans Keilson, Hans Plomp, Harry Mulisch, Heinrich Heine, Hendrik van Loon, Herman Koch, Herman Franke, Hester Albach, Ineke van Mourik, Ischa Meijer, Jan Kal, Johannes Jacobus Klant, Joost van den Vondel, Judith Herzberg, Justus van Maurik, Karl Gutzkow, Kees van Beijnum, Klaus Mann, Lizzy Sara May, Margriet de Moor, Marijke Höweler, Marjan Berk, Martin Bril, Max Beckmann, Max Dendermonde, Multatuli, Neel Doff, Nescio, Nicolaas Matsier, Oek de Jong, Oscar van den Boogaard, Paul Auster, Peter van Straaten, Philip Markus, Remco Campert, Renate Rubinstein, Richard Wagner, Rudi van Dantzig, Simon Vestdijk, Simon Carmiggelt, Sipko Melissen, Theun de Vries, Wessel te Gussinklo, Willem Frederik Hermans, Willem Antonie Paap, Willem Jan Otten, Wolfgang Koeppen. (Wieser Verlag)
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Leseprobe:

Van Rooien, die Papierwarenhandlung an einer traurigen Ecke vom Marathonweg, beherbergte außer der kleinen Stadtteilbibliothek auch eine daumengroße Post-Stelle von einem mal einem Meter. Am Schalter, verborgen hinter Fliegendraht, und am Ende des Tages auch noch hinter Bergen von Post und Paketen, kümmerte sich eine steinalte Frau um die Geschäfte. Bei van Rooien also traf ich Esther Moritz. Eine Schulkameradin, eine der Besten aus der Klasse. Ein ungestümes Mädchen auch. Im Laden hing der gleiche Geruch, den ich aus den Schreibtischschubladen meines Vaters kannte. Papier. Radiergummi. Lila Tinte. Stempelkissen. Die kleine, grüne Postwaage aus Metall. Als Esther mich sah, kreischte sie vor Vergnügen und versetzte mir gleichzeitig einen solchen Stoß gegen die Schulter, dass ich beinahe gegen den Ständer mit den Waterman-Füllern knallte. Na ja, von Esther ließ ich mir so was gefallen. Wir kauften beide dasselbe, eine große Rolle Klebeband aus Papier, denn die durchsichtige Variante gab es damals noch nicht. Damit sollten wir die Fenster bekleben. Wenn Bomben fielen, war das gut gegen umherfliegende Glasscherben. Gemeinsam gingen wir weiter und phantasierten, wie wir das Klebeband auf den Fensterscheiben anbringen würden. Bestimmt nicht im Schachbrettmuster, das man überall sah. Ich selber dachte an kirchliche Motive, auch wenn ich sie mir als Protestant nicht so eins zwei drei vorstellen konnte. Aber dann wenigstens etwas aus der Welt von Old Shatterhand, von Winnetou, doch Esther wollte mich noch übertrumpfen. Sie hatte eher etwas Strenges im Sinn, so in der Art von Bauhaus. Wir blufften beide.
So kamen wir zur Feinkosthandlung Oet, wo es einen Automaten gab, der frisch gebrannte Erdnüsse in eine Schale warf. Daneben auch zwei gelbe Bonbonautomaten, auf die jetzt die Sonne fiel. Ich warf in beide Automaten ein silbernes Zweieinhalb-Cent-Stück ein, erhielt dafür vier Gummibonbons, von denen ich Esther eins abgab, denn wer gibt, der hat, wer hat, bestimmt. Und weiter ging's, während wir ab und an die Bonbons aus dem Mund nahmen, um zu sehen, welche Farbe sie jetzt wieder hatten. Grün also. Wird wohl vom Krieg kommen. Mangel an Grundstoffen oder so. Außerdem schmeckten sie nicht mehr süß, sondern säuerlich, ein bisschen wie Aspirin.
Auf dem Minervaplatz ließ ich mich auf eine Bank unter Bäumen fallen, aber Esther wollte sich nicht setzen. "Guck doch!", flüsterte sie aufgebracht. Und tatsächlich. Eifrige städtische Arbeiter hatten auch hier ein Schild angebracht. "Voor Joden verboden". Betroffen erhob ich mich wieder. Wie war das möglich? Warum durfte ich und Esther nicht? Und für einen Augenblick wusste ich nichts zu sagen. "Habt ihr schon einen Aufruf gehabt?", war das Einzige, was mir einfiel. Und auf einmal liefen ihr Tränen an der Nase herunter. "Ja, Mordechai, er schon", schluchzte sie. "Wir durften ihn nicht mal zur Schouwburg bringen." Wieso wollten sie ihn da hinbringen? Die Hollandsche Schouwburg in der Strasse, die Plantage hieß und ganz nah beim Tierpark Artis lag, war der Sammelplatz für Juden, die auf Transport geschickt wurden. Niemand wollte dort auch nur in die Nähe kommen. Ich versuchte, Esther zu beruhigen. "Vielleicht liegt euer Aufruf schon bei euch im Briefkasten, und dann holst du deinen Bruder wieder ein." Kein wirklicher Trost, aber wo lernt man schon trösten? Noch einmal sah sie mich an, und ich war betroffen von dem traurigen Blick, der mich ganz und gar ausschloss. Dann drehte sie sich um und rannte davon. "He, Feuermelder!", rief ich ihr nach, denn sie hatte feuerrotes Haar, wie man es jetzt gar nicht mehr sieht. Aber sie bog um die Ecke und war verschwunden. Und, nein, ich habe Esther Moritz nie wiedergesehen. Nicht in der Schule. Nicht auf der Straße. Und nicht in den Wolken über unserem Dach, zu denen ich oft aufblickte. Und die Rolle Klebeband, die sie auf der Bank hatte liegen lassen, die habe ich noch immer.

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