Robert Haasnoot: "Der Erinnerer"
Von
kalvinistischer Glaubensstrenge und gravierenden sozialen
Veränderungen an der niederländischen Küste
um 1900
"Der Erinnerer", der Roman von Robert Haasnot, einem in den
Niederlanden sehr bekannten und beliebten Schriftsteller,
entführt seine Leser in den kleinen niederländischen
Küstenort Zeewijk um das Jahr 1900 herum. Der Erinnerer, so
wird der Ich-Erzähler von der Bevölkerung genannt,
setzt eine schon seit langer Zeit bestehende Familientradition als
Gemeindeschreiber und Helfer bei allen möglichen schriftlichen
Dokumenten fort, ist auf diese Tätigkeit auch stolz und
übt sie sehr ambitioniert aus.
Was er zu erzählen hat, ist für den
zeitgenössischen Leser zunächst einmal fremd,
führt Robert Haasnot doch, indem er Vergangenheit und
Gegenwart genial vermischt, ein faszinierendes Panorama vor. Ein Bild
eines abgründigen Minikosmos des Städtchen Zeewijk
und einer Gemeinschaft, die an der Schwelle des 20. Jahrhunderts mit
seinen auch für den Ort gravierenden Veränderungen,
immer noch in Tradition und Aberglauben verstrickt ist.
Da haben sich ungewöhnlich aggressive Raben
auf dem Kirchturm niedergelassen und greifen bei ihrer
Nahrungssuche auch Menschen an: Anlass für die
wüstesten Spekulationen über mögliche
Todesbotschaften, welche diese schwarzen Vögel in der
Tradition bringen.
Und eine mysteriöse Seuche hat die große Population
der Kaninchen in den Dünen betroffen. Wochenlang brennen die
Feuer, welche die verendeten Tiere vernichten und ein
Übergreifen der Seuche verhindern sollen.
Auch gibt es den fremden und undurchsichtigen Wijnand Marseu, der in
einer weißen Villa über dem Meer wohnt, und um den
sich die aberwitzigsten Gerüchte ranken. Eines davon ist, dass
auch er, ähnlich wie übrigens der erzählende
Erinnerer selbst, einen seltsamen Traum von einem heiligen Ort in den
Dünen gehabt haben soll.
Der Erinnerer ist ehrgeizig, und er will und muss sich der
Familientradition würdig erweisen. Folglich macht er sich,
selbst noch völlig in Glauben und Aberglauben sowie
in den zahllosen Legenden des Dorfs verwurzelt, auf die Suche. Er zieht
von einem Dorfbewohner zum nächsten, will erfahren, was
geschehen ist und geschieht.
Indem er eine Anekdote nach der anderen sammelt und sie dem
amüsierten Leser präsentiert, offenbart er Zug um Zug
sein eigenes Geheimnis ...
(Winfried Stanzick; 04/2008)
Robert
Haasnoot: "Der Erinnerer"
(Originaltitel "De heugling")
Aus dem Niederländischen von Christiane Kuby.
Berlin Verlag, 2008. 207 Seiten.
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Robert
Haasnoot wurde 1961 in den
Vereinigten Staaten von Amerika geboren, aufgewachsen ist er im
niederländischen
Fischerdörfchen Katwijk. 1997 erschien sein
Debütroman "De kracht van het
woud". Für den Roman "Wahnsee" wurde Robert Haasnoot mit dem
"Prix des Ambassadeurs" ausgezeichnet.
Lien zur Netzseite des Autors:
https://www.roberthaasnoot.nl.
Weitere Bücher des Autors:
"Steinkind"
Wouters Eltern, Kunsthändler in einem holländischen
Fischerdorf, sind über
Nacht verschwunden. Tage später wird die Leiche des Vaters an
Land gespült,
von der Mutter gibt es keine Spur. Dafür mehren sich die
Anrufe eines
Unbekannten - es geht um ein sehr wertvolles Bild. Ein Buch, so
eindringlich und
poetisch wie ein Traum, spannend wie ein
Krimi.
Eine ruhige Sommernacht in einem kleinen holländischen
Fischerdorf. Wouter kann
nicht einschlafen. Er hört seine Eltern miteinander reden und
auf eine Weise
lachen, die ihn ausschließt. Eifersüchtig beobachtet
er, wie sie wie ein
frisch verliebtes Paar
zum
Strand gehen, und verwünscht den
Vater, der ihm die
Mutter entführt. Am nächsten Morgen stellen Wouter
und sein älterer Bruder
Stijn fest, dass die Eltern nicht von ihrem nächtlichen
Ausflug zurückgekehrt
sind. Tage später wird der leblose Körper des Vaters
an Land gespült; die
Mutter bleibt verschollen. Was mag in dieser Sommernacht geschehen
sein? Dass
diese Frage eigentlich nie gestellt wird, ist einer der gelungenen
Kunstgriffe
des Autors, denn umso stärker beschäftigt sie als
untergründige Spannung ein
Publikum, das hier ganz der wenig verlässlichen Perspektive
eines übersteigert
fantasievollen, pubertären Jungen ausgeliefert ist. Wouter
zieht sich
vollständig in sich selbst zurück, er beobachtet mit
zunehmendem Widerwillen,
wie sein Bruder nach wenigen Tagen das Schlafzimmer der Eltern
ausräumt und
selbst bezieht, den Kunsthandel des Vaters auflöst. Er selbst
kann den Verlust
der Mutter nicht annehmen. Gequält von Schuldgefühlen
- hatte er nicht oft den
Tod des Vaters herbeigewünscht -, steigert er sich immer mehr
in die
komplizenhafte Überzeugung hinein, die Mutter werde auf
geheimem Wege zu ihm
zurückkehren. Dem Unbekannten, der immer wieder anruft und den
Vater sprechen
möchte - offenbar geht es um ein sehr wertvolles Bild -,
verschweigt er dessen
Tod und legt sich Schritt für Schritt eine eigene Version des
Geschehenen
zurecht ... (Berlin Verlag)
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