Lee Alan Dugatkin: "Wie kommt die Güte in die Welt?"
Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den Anderen
Lee
Alan Dugatkin ist als Autor
etlicher populärwissenschaftlicher Bücher
hervorgetreten, insbesondere über
die Gabe der
Kooperation
von Tier und Mensch.
Im gegenständlich besprochenen Buch geht Dugatkin der Frage
nach, wie die Güte
in die Welt kommt. Er fragt: Wie entstand eigentlich der Sinn
für den Anderen
im Verlauf der menschlichen Entwicklungsgeschichte? Wie ist es
gekommen, dass
uneigennützige Hilfe für den anderen Menschen in die
evolutionäre Ausstattung
des homo sapiens aufgenommen wurde?
Charles Darwin, der spiritus rector der Evolutionstheorie, hat sich mit
dieser
Frage zeitlebens quälend schwer getan. Nach seiner Theorie der
natürlichen
Auslese musste jegliche Form von Altruismus im gnadenlosen
Überlebenskampf der
Arten zum erheblichen Störfaktor werden; in einem
Überlebenskampf, der seitdem
schon mancher Ideologie als wissenschaftliche Begründung
für eine
unmenschliche Politik diente.
Lee Alan Dugatkin zeichnet nun in seinem Buch die
Geschichte der evolutionsbiologischen Debatten nach, die in einer Zeit
geführt
wurden, bevor die determinierende
Macht der Gene entdeckt war. Er beschreibt die
Forschungen von Wissenschaftlern wie Thomas Henry Huxley, Pjotr
Kropotkin und
Warder Clyde Allec und arbeitet sehr überzeugend heraus, was
letztlich nicht
sonderlich überrascht, dass nämlich die Ergebnisse
ihrer Forschungen nicht
unwesentlich von der Biografie der jeweiligen Wissenschaftler
abhängen. Auch
die Tatsache, dass die meisten der in diesem Buch vorgestellten
Biologen zumeist
linke politische Überzeugungen hatten, prägte ihre
Naturbeobachtungen mit
Sicherheit.
Nach einer Regel, die der Biologe William D. Hamilton aufgestellt hat,
und die
die Evolutionstheorie revolutionierte, gilt heute als allgemeiner
Konsens, dass
sich der Altruismus am stärksten innerhalb der eigenen Familie
ausbildet und
immer weiter abnimmt, je entfernter die Verwandtschaft ist. Der
"Nächste"
ist also derjenige, der mir in meinem "Stamm", heute meiner Familie, am
nächsten ist.
Zu Fremden, zu weit Entfernten eine altruistische Beziehung aufzubauen,
hat die
Evolution jedenfalls bisher nicht vorgesehen.
Doch genau dies, so glaubt der
Rezensent, wäre nötig, um die neuen Herausforderungen
einer globalisierten
Welt zu bestehen.
Oder, der aberwitzige Gedanken sei einmal ausgesprochen: liegt es gar
nicht im
Sinn der Evolution, dass alle überleben?
Eine Fülle an philosophischen und
auch theologischen Fragen ergibt sich hieraus, auf die in "Wie kommt
die
Güte in die Welt?" allerdings nicht eingegangen wird.
Fazit:
Spannende, in ihren Schlussfolgerungen und Folgen aber auch bisweilen
irritierende Lektüre.
(Winfried Stanzick; 08/2008)
Lee
Alan Dugatkin: "Wie kommt die Güte
in die Welt? Wissenschaftler erforschen unseren Sinn für den
Anderen"
(Originaltitel "The Altruism Equation")
Übersetzt von Kurt Beginnen.
Berlin University Press, 2008. 170 Seiten.
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Weitere
Buchtipps:
Chris Buskes: "Evolutionär
denken. Darwins Einfluss auf unser Weltbild"
Im Jahr 1859 erschien ein Buch, das unser Weltbild für immer
verändern sollte:
Darwins "Die Entstehung der Arten".
Bis heute zeitigt Darwins Werk auf vielfältige Weise Wirkung.
Nach einer Einführung in die Evolutionstheorie geht
es Buskes vor allem um die Frage, inwiefern sie in andere
Wissenschaftszweige
eindringt. Nicht nur in den Biowissenschaften, sondern gerade auch in
den
Sozialwissenschaften haben Evolutionstheorie und evolutionäres
Denken Einzug
gehalten.
Neue Wissenschaftszweige wie Soziobiologie oder evolutionäre
Psychologie suchen
mit Darwin im Gepäck die Entstehung von
Sprache, Kultur, Kunst
und Religion zu
begreifen. Fragen wie die, ob erworbenes Wissen genetisch oder
kulturell
weitergegeben wird oder was es bedeutet, dass Menschen
Moral kennen, stellen
sich dabei ebenso wie die, ob Liebe eine pure Fortpflanzungsstrategie
ist. Auch
im Bereich der Philosophie hat Darwin Eingang in die Diskussion
gefunden - etwa
wenn es um die Frage nach dem freien Willen geht.
Chris Buskes zeigt in dieser einmaligen Zusammenschau Darwins Einfluss
auf die
unterschiedlichsten Wissensgebiete und skizziert auch die kontroversen
Diskussionen um
Darwins
Erbe. (Primus Verlag)
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John
Dupré: "Darwins
Vermächtnis. Die Bedeutung der Evolution für die
Gegenwart des Menschen"
150 Jahre nach dem Erscheinen von Darwins "Die Entstehung der Arten"
und ausgehend von der Frage nach den Folgen der Darwinschen Theorie
für das
Selbstverständnis des Menschen und für das
Verständnis der menschlichen
Kultur entfaltet John Dupré in "Darwins
Vermächtnis" ein Bild der
Evolution aus philosophischer Sicht. Scharfsinnig und provokant
verteidigt er
die Evolutionstheorie sowohl gegen ihre Liebhaber als auch gegen ihre
Kritiker.
Auch wenn sie nicht in der Lage ist, alle Facetten des menschlichen
Lebens zu
erklären, ist sie doch der entscheidende Schritt hin zu einer
naturalistischen
Erklärung der Ursprünge des Menschen - zu einem
Weltbild, in dem kein Platz
mehr ist für einen göttlichen Schöpfer oder
andere übernatürliche Kräfte.
Das, so Dupré, ist Darwins Vermächtnis. (Suhrkamp)
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Jürgen
Neffe: "Darwin.
Das Abenteuer des Lebens"
Fünf Jahre lang erkundete Charles Darwin ab 1831 auf einem
Segelschiff, der
"Beagle", die Erde und revolutionierte mit seinen dabei gewonnenen
Erkenntnissen das Bild vom Leben. Er ging als Gottesgläubiger
und kehrte als
Begründer der Evolutionstheorie zurück. Zum
Darwin-Jahr 2009 reist Jürgen
Neffe auf Darwins Spuren zu abgelegenen Inseln, durchstreift
Urwälder, trifft
Indianer, Naturschützer und Genforscher. Immer im Sog der
Grundfrage nach dem
Geheimnis des Lebens. Da lässt sich am Strand von Rio
über sexuelle Auslese
nachdenken oder bei einem Ritt durch Patagonien über die
natürliche Zuchtwahl.
Abwechslungsreiches über die Erforschung des Lebendigen -
gesättigt von
Erkenntnislust und Abenteuer, aufregend und im Bann jener Kraft, die
das Leben
dereinst auf den Weg brachte und die wir bis heute nicht zureichend
kennen. (C.
Bertelsmann)
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Steve
Jones: "Darwins
Garten. Leben und Entdeckungen des Naturforschers Charles Darwin und
die moderne
Biologie"
Charles Darwins "Weltformel des Lebens" begründete die Moderne
- und
doch ist Darwin unendlich viel mehr. Der Biologe Steve Jones, einer der
weltweit
führenden Darwin-Experten, hat nun den einzigen Ansatz
gewählt, der den
Naturforscher in seiner ganzen Bedeutung fassbar macht. Er
erzählt die große
Geschichte von Darwins Leben und seiner Idee als Geschichte von
vielfältigen,
zum Teil spektakulären Einzelentdeckungen. So fügen
sich die botanischen,
zoologischen, verhaltensbiologischen, anatomischen, gar psychologischen
Beobachtungen zur wirkmächtigen Evolutionstheorie. Damit
entsteht ein
Gesamtbild von Darwins Kosmos, dessen Gesetze Jones durch das, was wir
heute
wissen, fortschreiben kann. (Piper)
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Christian
Kummer: "Der
Fall Darwin. Evolutionstheorie contra Schöpfungsglaube"
Im November 1859 veröffentlichte der Theologe Charles Darwin
sein Buch
"Die Entstehung der Arten". Hat die Idee von einem
Schöpfergott
seitdem ausgedient? Der Jesuit und Biologe Christian Kummer zeigt, dass
Evolutionstheorie und Gottesglaube sich nicht ausschließen,
sondern im
Gegenteil aufeinander angewiesen sind.
Immer noch glauben bibeltreue Christen an die Schöpfung, wie
sie in der Bibel
erzählt wird, und lehnen die naturwissenschaftliche
Evolutionstheorie nach
Darwin strikt ab. Diese Haltung, so Christian Kummer, sei ein
"akademischer
Ladenhüter", der noch immer politischen Sprengstoff in sich
berge. Seiner
Meinung nach sollten Naturwissenschaft und Religion miteinander im
Gespräch
bleiben. Sie sind geradezu aufeinander angewiesen.
Denn die großen ethischen Fragen unserer Zeit, zum Beispiel
Lebensschutz oder
Stammzellforschung, kann man nicht ohne biologisches Wissen
beantworten. Und
unsere wissenschaftlich-technische Zukunft lässt sich ohne ein
religiös geprägtes
Verantwortungsethos nicht human gestalten. (Pattloch)
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