Gabriel García Márquez: "Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter"

Lesung. Sprecher: Jan Josef Liefers
(Hörbuchrezension)

Erzählungen

Diese tragische Geschichte ist schon seit den 1980er-Jahren in deutscher Sprache erhältlich, neu im Februar 2008 ist sie jedoch als Hörbuch, gesprochen von Jan-Josef Liefers, im DAV (Der Audio Verlag) erschienen. Die Lesung umfasst zwei CDs.

Das junge Mädchen Eréndira lebt bei seiner Großmutter und führt bei der reichen Dame ein ärmliches und tristes Dasein. Von früh bis spät muss sie Arbeiten erledigen, die sie alle zuverlässig und ohne eine Spur des Widerwillens ableistet. Dass der Umfang der Arbeiten dabei leicht das übliche oder auch vorstellbare Kontingent für einen einzigen Tag überschreitet, hindert Eréndira nicht daran, stets zu gehorchen.
Eines Tages vergisst das erschöpfte Mädchen, die Kerzen zu löschen. Das gesamte Haus brennt ab, aller Reichtum der Großmutter ist verloren. Anstatt ihre Enkelin auszuschimpfen, reagiert diese jedoch sehr pragmatisch: All das hat über eine Million Pesos gekostet, und die muss Eréndira ihr selbstverständlich auch zurückzahlen. Schnurstracks nimmt die Großmutter Eréndira an die Hand und macht sich auf die Suche nach dem bestbietenden Mann für deren Jungfräulichkeit. Danach begibt sie sich mit der Enkelin auf Reisen, um deren Körper an alle möglichen Männer zu verkaufen. Kosten für Träger, Zelte und derlei mehr notiert die Großmutter akribisch, denn all diese Kosten zählt sie zu dem Schuldenberg des jungen Mädchens dazu.
Auch diese Forderungen ihrer Großmutter erträgt Eréndira geradezu stoisch, doch eines Tages verliebt sie sich in einen jungen Mann, der die seltsame Beziehung der beiden Frauen ins Wanken bringt.

Der Kolumbianer Gabriel García-Márquez, der 1982 den Nobelpreis für sein literarisches Werk erhielt, hat die hier beschriebene Geschichte im Kern selbst erlebt. In seiner Jugendzeit begegnete er einem jungen Mädchen, das sich für eine sehr viel ältere Frau prostituierte, und fragte sich, was wohl deren Beweggründe wären. Aus diesem Erlebnis schuf er schließlich die Erzählung von Eréndira.

Die Geschichte ist bekannt, sie wurde 1983 sogar verfilmt. Die Hauptrollen spielten Claudia Ohana als Eréndira und Irene Papas als Großmutter. Deren Bilder sind auch im Rahmen der CD-Hülle und im beigefügten achtseitigen Begleitheft zu sehen und verleihen dem Hörbuch somit eine ganz besondere Note, weil es sich eben um reale Bilder, wenn auch gestellte, handelt und sie somit sehr viel dramatischer auf den Zuhörer einwirken als Zeichnungen.

Jan-Josef Liefers ist in Deutschland ein bekannter Schauspieler und verfügt über eine markante Stimme. Fraglich ist vor dem Hören, ob er auch diese Geschichte zu tragen vermag. Sollte nicht eine Frau diese delikate Geschichte zweier Frauen vorlesen?
Diese Annahme erweist sich schon nach den ersten Minuten als gänzlich unbegründet, denn Liefers beherrscht etwas, das für das Vorlesen dieser Geschichte ein ganz wichtiger Aspekt ist: die Gratwanderung zwischen Gleichgültigkeit, Resignation, Lakonie und Wehmut, Träumerischem, Entrücktem.
Diese Balance hält er auf grandiose Weise, und so vermischen sich beim Zuhören nicht weniger als beim eigenen Lesen diese Elemente der Geschichte, die García-Márquez zusammengebracht hat.

Denn obwohl die Geschichte eine sehr ernste und in der Kernidee authentische ist, so sind Träume und Fantastisches doch wie selbstverständlich in die Geschichte aufgewoben. Es ergibt sich eine eigenartige Harmonie und zugleich Spannung, die diese Geschichte mit dem ungewöhnlich langen Titel sehr lesenswert macht - und in der vorliegenden Form ebenso hörenswert.

(Tanja Thome; 03/2008)

Gabriel García Márquez: "Die unglaubliche und traurige Geschichte von der einfältigen Eréndira und ihrer herzlosen Großmutter"
Lesung. Sprecher: Jan Josef Liefers.
Regie: Ralf Ebel. Produktion: Rundfunk Berlin-Brandenburg.
Der Audio Verlag, 2008. 2 CDs; Laufzeit ca. 120 Minuten.
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Buchausgabe:
Fischer Taschenbuch Verlag, 2008. 128 Seiten.
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