Amitav Ghosh: "Das mohnrote Meer"
Im August 2008 veröffentlichte
der Blessing-Verlag das neueste Buch des Autors Amitav Ghosh: "Das mohnrote
Meer". Auf 649 Seiten (abzüglich der 29 Seiten des Glossars und Ghoshs
abschließenden Dankesworten) breitet der Autor ein fulminantes historisches
Epos aus.
Im Mittelpunkt steht zunächst Diti, die mit Mann und Tochter auf einer Mohnfarm
lebt und arbeitet. Nach dem Tod ihres abhängigen Gatten erfährt Diti, dass ihr
Mann zu ihrer Eheschließung längst nicht mehr zeugungsfähig war und Diti in
ihrer Hochzeitsnacht tatsächlich unter dem Einfluss von Drogen von ihrem
Schwager vergewaltigt wurde. Diti will sich daraufhin traditionell als Witwe
verbrennen lassen, wird jedoch letztlich gerettet und flieht. Auf der Flucht
sieht sie schließlich das Schiff aus ihren Träumen und Visionen: die "Ibis".
"Das mohnrote Meer" ist längst nicht allein die Geschichte Ditis,
sondern ein Historienepos, das im Indien des neunzehnten Jahrhunderts spielt und
vor allem den damaligen Opiumhandel thematisiert. So einfach hat es Ghosh dem
Leser dann aber auch wiederum nicht gemacht, und so tauchen zahlreiche Figuren
mit unterschiedlichen Motivationen, aus unterschiedlichen Schichten und Ländern
auf, um sich durch den Roman zu bewegen, der seinerseits zahlreiche Themen und
Andeutungen zu solchen beinhaltet.
Der Roman ist hierbei spannend zu lesen, doch es ist keiner, den man vielleicht
auch im Zug oder Flugzeug auf dem Weg zur Arbeit oder in den Urlaub lesen könnte
oder sollte. Man verliert leicht den Faden bei der Lektüre und sollte schon
allein deswegen das Lesen am besten auf ein ruhiges Wochenende verschieben, um
Ghoshs Geschichte in möglichst wenigen Etappen hintereinander weg zu lesen.
Andernfalls läuft man Gefahr, den verlorenen Faden nicht mehr recht
wiederzufinden und den Spaß an diesem Buch dadurch zu verlieren.
Die Frage, ob sich dieser Aufwand lohnt, stellt sich
für
Bollywood-Freunde und solche von historischen Romanen sicherlich überhaupt
nicht. Diese können sich mit Leichtigkeit auch im positiven Sinn in diesem Buch
verlieren. Doch was ist mit allen Anderen? Klar zu beantworten ist diese Frage
nicht, denn Ghosh gibt am Ende den Ausblick auf weitere Geschichten rund um die
"Ibis" und die Figuren auf ihr, lässt den Leser damit zugleich jedoch
auch nicht in allen Punkten befriedigt mit einem Schluss zurück. Dafür entschädigt
er den Leser jedoch mit sehr ausgefeiltem und durchdachtem Sprachstil.
(Tanja Thome; 11/2008)
Amitav Ghosh: "Das mohnrote Meer"
(Originaltitel "Sea of Poppies")
Übersetzt von Barbara Heller, Rudolf Hermstein.
Blessing, 2008. 649 Seiten.
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Amitav Ghosh, 1956 in Kalkutta
(jetzt Kolkata) geboren, wuchs in Bangladesch, Sri Lanka und Nordindien auf. Er
studierte Geschichte und Sozialanthropologie in Neu-Delhi, und nach seiner
Promotion in Oxford unterrichtete er an verschiedenen Universitäten Indiens und
der USA.
Weitere Bücher des Autors (Auswahl):
"Zeiten des Glücks im Unglück. Indische Augenblicke"
Essays.
Die vergangenen Jahrzehnte waren für den indischen Subkontinent verhängnisvoll:
Indira Gandhi wird ermordet, die indische Regierung führt Atomtests in der Wüste
Thar durch, ein Tsunami fordert Tausende von Opfern. Der vor allem als
Romanautor bekannte Inder Amitav Ghosh erzählt von den wesentlichen
politischen, sozialen und kulturellen Ereignissen seiner Heimat - seine Essays
überzeugen durch ihre scharfsinnige Analyse und berühren durch ihre
Menschlichkeit.
Der Inder Amitav Ghosh wird gern als "Weltbürger" bezeichnet. Und
dennoch ist Ghoshs Kompass auf jene Region geeicht, die seine erste Heimat war.
Alle seine Werke sind auf dem indischen Subkontinent verortet und spiegeln das
dortige Leben.
Seit Jahrzehnten schreibt Ghosh Essays. Schon mehrfach wurden seine fein
geschliffenen Prosastücke, die einmal Reiseschilderung, dann wieder Reportage,
einmal sachliche Analyse, dann wieder Autobiografie sind, mit journalistischen
Preisen ausgezeichnet. Er hat sich weltweit einen Namen als scharfsinniger
Kommentator der indischen Gegenwart gemacht, als einer, der aktuelle Ereignisse
in einen großen historischen Zusammenhang einordnen kann.
In diesem Band sind jene Artikel versammelt, in denen sich Ghosh mit den
wesentlichen Themen, die die indische Gesellschaft beschäftigt haben,
auseinandersetzt: die Konfrontation mit Pakistan wegen Kaschmir; das
Katastrophenjahr 1984, als Indira Gandhi ermordet wurde; der Auszug der
Intellektuellen in die Diaspora. Doch egal wie sachlich-abstrakt das Thema ist,
der Aufklärer und Chronist Ghosh scheut sich nicht, das Denken, Empfinden und
Erleben der Betroffenen in den Mittelpunkt seines Schreibens zu stellen. Sein
ungewöhnlich persönlicher Fokus ermöglicht einen unverstellten Blick auf
diese Weltregion, die mit Siebenmeilenstiefeln in die Zukunft schreitet und
zugleich noch tief im Mittelalter steht - und er ermöglicht Verständnis. (Blessing)
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"Hunger der Gezeiten"
Die us-amerikanische Meeresbiologin Piya kommt nach Indien, um vom Aussterben
bedrohte Delfinarten zu erforschen. Fokir, ein einheimischer Fischer, begleitet
sie durch den
Mangrovenwald. Piya verliebt sich in den aufregenden, warmherzigen
Mann, dessen Sprache sie nicht spricht. Doch dann taucht Kanai, ein Dolmetscher
aus Neu-Delhis Oberschicht, auf, und wirbt um Piya. Hin und her gerissen
zwischen dem jungen Wilden und dem wohlhabenden, gebildeten Mann, ist sie unfähig,
eine Entscheidung zu treffen. Bis eine Naturkatastrophe über ihr Schicksal
entscheidet. (btb)
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"Schattenlinien"
Drei Generationen, zwei Kontinente: Ein Knabe in Kalkutta träumt von der großen
weiten Welt. Er bewundert seine ostbengalische Großmutter und seinen
exzentrischen Verwandten, der ihm von seiner Zeit in London während des Zweiten
Weltkriegs erzählt. Und dann ist da noch seine Cousine Ila, das erotische
Objekt seiner pubertären Begierden, die als Diplomatentochter mit ihren Eltern
ständig in der Weltgeschichte herumgondelt. Jahre später muss er allerdings
erkennen, dass zwischen Traum und Wirklichkeit Welten liegen ...
Die Geschichte des Knaben ist die Geschichte eines Menschen zwischen den
Kulturen, der versucht, seine Identität zu finden. (btb)
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Weitere Buchtipps:
Rainer Krack: "KulturSchock Indien"
Dieses Buch will helfen, Indien und die Inder zu verstehen. Es ist ein Reiseführer
durch den Dschungel des indischen Alltags, ein Knigge für bewusstes Reisen und
Erleben. Es beschreibt die Denk- und Verhaltensweisen der Einwohner, erklärt
die geschichtlichen, religiösen und sozialen Hintergründe, die zu diesen
Lebensweisen führen und bietet somit eine Orientierung im Dschungel des fremden
Alltags. Familienleben, Moralvorstellungen und Anstandsregeln werden genauso erläutert
wie Umgangsformen, religiöse Gebote oder Tischsitten. Davon abgeleitet werden
Empfehlungen für den Reisealltag, z.B. im Hotel, unterwegs, beim Einkaufen und
beim alltäglichen Umgang mit den Einwohnern des Gastlandes. (Reise Know-How
Verlag Rump)
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Abbé Jean Antoine Dubois: "Leben
und Riten der Inder"
Indien ist für den Europäer auch nach über 500 Jahren enger Kontakte immer
noch ein Land mit sieben Siegeln: Traumstrände, eine tiefe und reiche Kultur,
ein manchmal explosives, aber immer wieder integriertes Vielsprachen- und
Religionengemisch, Architektur, Musik, Kastenwesen, Mystik und Rituale vom
Erhabensten bis zum Trivialsten stellen für jeden Reisenden ein riesiges Puzzle
dar, zu dem bisweilen auch den Indern selbst die Anleitung abhanden gekommen zu
sein scheint.
Hiermit erscheint zum ersten Mal auf Deutsch die Landesbeschreibung des
Missionars und Abbé Dubois aus dem Jahr 1807, die bis auf den heutigen Tag als
unübertroffener Klassiker gilt. Sie liefert noch immer den wohl anregendsten,
informativsten und kenntnisreichsten Schlüssel zu einem Kulturraum, der weit über
das eigentliche Indien hinaus ganz Südostasien, ja sogar noch Teile Ostasiens
umfasst. Ob Kastengesellschaft, spirituelle und rituelle Welt der Hindus,
Buddhismus, Jainismus oder die Welt des Animismus - alles wird pointiert,
lesbar, oft mit Vorurteilen, aber immer wohlunterrichtet skizziert - kein
Wunder, lebte der Verfasser doch 31 Jahre mitten in der indischen Gesellschaft,
die er lebendig und farbig, stets anschaulich und konkret, freilich immer mit
bissigen Randbemerkungen porträtierte. Die Europäer kommen bei dem erstaunlich
"modernen" Abbé schlecht weg: Indien ist ihm in vielem Vorbild,
zumindest aber ein verblüffendes Kontrastprogramm zu einer allzu
selbstgewissen, selbstsicheren westlichen Welt. Ein lesenswertes Handbuch für
zu Hause - eine Fundgrube zum Nachschlagen - ein Klassiker zum Schmökern
unterwegs! (Reise Know-How Verlag Rump)
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Ilija Trojanow: "Gebrauchsanweisung
für Indien"
Der persönliche Blick des Indienkenners Ilija Trojanow auf die älteste
existierende Kultur der Menschheit, auf das vielfältigste Land der Welt ist ein
Masala-Mix voll unerwarteter Einsichten.
Eine überraschende, vergnügliche Entdeckungsreise in das Land der Widersprüche:
Anhand populärer, mehrdeutiger Begriffe wie Guru, Tamasha oder Maya unternimmt
Ilija Trojanow, der über sechs Jahre in Indien lebte und ausgiebig dort reiste,
einen erfrischend anderen Streifzug durch den heutigen Alltag zwischen Chutney,
Cricket und Crocket, zwischen Armut und Ayurveda, Saris und Sufis, Raga und
Bhangra, Cybergöttern und Popidolen. Dabei kann Trojanow, der mit gängigen
Klischees aufräumt, auf unterschiedlichste eigene Erfahrungen zurückgreifen
etwa als Hauptdarsteller bei einer indischen Hochzeit oder in einer Nebenrolle
bei einem "Bollywood"-Schinken. Mit seiner ironischen Perspektive
schlachtet er dabei durchaus auch heilige Kühe, vor allem die der europäischen
Wahrnehmung. (Piper)
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