Werner Gruber: "Die Genussformel"
Kulinarische Physik
Werner Gruber ist nicht
nur Autor, sondern in erster Linie seit 1999 Physiker und am Institut
für Experimentalphysik in Wien tätig. Dort gilt er als
Experte für Alltagsphysik und gibt auch regelmäßig
Kurse zu diesem Thema an der Wiener Volkshochschule - auch dies mit
großem Erfolg.
Im August 2008 erschien Grubers Buch "Die Genussformel. Kulinarische
Physik" im
Ecowin Verlag. Damit hat er ein gebundenes Buch veröffentlicht,
das sich auf 298 Seiten mit dem Thema auseinandersetzt - also eine
Menge lehrreicher Lektüre.
Zunächst widmet Gruber sich den Grundlagen: Was hat Kochen mit der
höheren Wissenschaft zu tun? Der Autor versucht sich an einer
Antwort, stellt berühmte Wissenschaftler vor, die sich mit dem
Kochen beschäftigt haben, und erörtert, warum die meisten
Rezeptangaben unbrauchbar sind (wenn Sie es wissen wollen, wissen Sie
ja nun auch, wo Sie die Antwort finden können).
Im Kapitel "Kampf ums Gulasch" befasst sich der Autor mit der Theorie
des Auskühlens und Erwärmens, mit verschiedenen Angaben auf
Fertiggerichten und deren Bedeutung, einmal mehr mit unterschiedlichen
Temperaturen und mit den Schärfegraden von Chili, Pfeffer, Tabasco
und Co.
In "Das Spiegelei schlägt zurück" erörtert Gruber das
Geheimnis, ein Drei-Minuten-Ei korrekt zuzubereiten, ergründet
Eierkocher und thematisiert am Rande auch die Geheimnisse der
Mayonnaise.
"Die Rückkehr des guten Geschmacks" informiert den Leser über
das perfekte Steak, das Wiener Schnitzel und die Thermodynamik einer
Weihnachtsgans.
Weitere Kapitel des Buches befassen sich mit der Physik bei
Knödeln,
Tafelspitz, Osmose und Diffusion, Mikrowellen und deren Sinn, der
Körnung von Kartoffelpüree, der wunderbaren Welt der Saucen,
dem Wendekreis von Torten und im Detail noch mit einigem mehr.
Weitere Bonbons des Buches sind ein kurzes Kapitel zur zeitgeistigen (oder schon nicht mehr im Trend liegenden)
Molekularküche,
die tatsächliche Niederschrift und Erläuterung der
wissenschaftlichen Formel für Genuss, ein Wörterbuch
"Österreichisch - Deutsch" (das Nicht-Österreicher das eine
oder andere Mal auch durchaus gern zu Rate ziehen werden) sowie Listen
zu verschiedenen Temperaturen und deren Bedeutung in der Küche
sowie zu Maßeinheiten beim Kochen.
"Die Genussformel" ist leicht zu lesen, und Gruber versteht es, seine
Informationen auch dann noch locker, leicht und verständlich zu
präsentieren, wenn der Leser von Physik
keinerlei Ahnung oder auch kein Interesse an ihr hat. Somit spricht
Gruber einen sehr weiten Leserkreis an: vom passionierten Profi bis hin
zum eher frustrierten Amateur in der Küche. Sie alle können
gleichermaßen Spaß bei der Lektüre des Buches haben,
auch wenn für den Amateur selbstredend sehr viel mehr Neues zu
entdecken ist als für den Profi.
Trotz aller Begeisterung für das Buch gibt es jedoch auch einige
Mängel. Zum Einen sind es die teils vermeidbaren Redundanzen
innerhalb des Buches, die stören, dann sind es die Stellen, an
denen Gruber seinem eigenen hohen Anspruch an universelle, einfache
Rezepte oder Ergebnisse nicht ganz gerecht wird. So beginnt etwa das
Kapitel "Warum darf man Eier nicht zu hart kochen?"
folgendermaßen: "Natürlich
sollte man auch harte Eier abschrecken - denken Sie sich. Aber warum
eigentlich wirklich? Die Restwärme sorgt nur dafür, dass das
Ei im Inneren eine Spur wärmer wird, aber härter kann es
nicht werden - sollte man meinen. Kocht man Eier zu lange oder ist noch
zu viel Restwärme gespeichert, so wird das
Eiklar zäh, und zwischen Dotter und Eiklar bildet sich ein
grüner Rand."
Die Rede ist hier vom Schwefelwasserstoff, der allerdings
ungefährlich ist, was den Verzehr angeht. Zwei Seiten weiter ist
dann zum Abschrecken zu lesen: "Kurz gesagt, Sie sollten es
vermeiden. Bei gekochten Eiern zieht sich das Innere beim Abkühlen
zusammen. Dabei ist es möglich, dass von der Außenseite der
Schale Salmonellen durch die Poren in das Innere des Eies gezogen
werden. Die Salmonellen können sich im Inneren des Eies bei den
richtigen Temperaturen vermehren, und das Ei wird gefährlich." Ein paar Zeilen später steht dann: "Vergessen
Sie aber auch nicht, dass sich fast immer ein paar Salmonellen in Eiern
befinden. Normalerweise [...] wird der Körper mit den Salmonellen
ohne Probleme fertig. Leiden Sie aber trotzdem an Durchfall nach dem
Verzehr von rohen oder halbrohen Eiern, so liegt die Ursache
wahrscheinlich nicht bei den Salmonellen, sondern bei einer
Lebensmittelunverträglichkeit." Wieder eine halbe Seite später wird von den "tausendjährigen" oder auch "chinesischen" Eiern berichtet, die
im asiatischen Kulturkreis als Delikatesse gelten. Gruber schreibt: "Aufgrund
des hohen Salmonellengehalts sind diese Eier gar nicht so leicht
erhältlich, dafür braucht man einen 'Dealer', der einen damit
beliefert." Im Folgenden wird die Zubereitungsart dieser speziellen
Eier beschrieben, und der Autor schließt diese Erklärung ab
mit: "Aufgrund des hohen alkalischen Gehalts der Paste können sich Bakterien nicht vermehren", allerdings sind Salmonellen doch Bakterien ... Insgesamt also ein verwirrendes Kapitel.
Auf Seite 97 thematisiert Gruber den Unterschied zwischen verschiedenen
Salzen und hält dabei fest, dass die Körnung des Salzes
entscheidend sei. Er schlägt den Spaß vor, die gleiche Menge
Meersalz und Salinensalz in warmem Wasser aufzulösen und jemanden
kosten zu lassen, welches besser schmecke und empfiehlt: "Sie sollten jemand anderen kosten lassen, denn selber ist man voreingenommen (Doppelblindversuch)."
Der Begriff "doppelblind" ist an dieser Stelle natürlich falsch,
da lediglich die Versuchspersonen nicht wissen, wo welches Salz
aufgelöst wurde, man selbst weiß dies aber schon. Demnach
handelt es sich um einen einfachen Blindversuch, und wer dies
weiß, bleibt auch an dieser Stelle kurz hängen, zumal der
Autor ein bekannter Wissenschaftler ist.
Im Buch lassen sich noch einige Merkwürdigkeiten und
Ungenauigkeiten dieser Art finden. Der Gerechtigkeit halber ist
allerdings zu bemerken, dass diese eben deswegen besonders ins Auge
fallen, weil das Buch als Ganzes sehr genau und detailliert erarbeitet
wurde. Also ein auffallender und etwas störender, in der
Gesamtansicht des Werkes jedoch nicht sonderlich gravierender Umstand.
Wie bereits geschrieben, eignet sich "Die Genussformel" für eine
breite Leserschaft und ist für eben jene unbedingt empfehlenswert.
Sicher hat jeder so manches Faszinosum im Küchenbereich, zu dem er
gern eine Erklärung oder einige Hintergründe erfahren
würde. Die Chance ist groß, dass Werner Gruber sich diesen
Aspekten in seinem thematisch sehr breit gefassten Buch näherte
oder diese gar explizit erörtert hat.
(Tanja Thome; 11/2008)
Werner Gruber: "Die Genussformel. Kulinarische Physik"
Ecowin Verlag, 2008. 298 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Werner Gruber, geboren 1970 in Ostermiething, schloss 1999 sein Physikstudium mit ausgezeichnetem Erfolg ab und ist seither als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Experimentalphysik an der Universität Wien tätig. Dort gilt er als der Experte für alle Fragen der Alltagsphysik. Bereits als 17-Jähriger erhielt er in Linz für die Entwicklung eines dreidimensionalen Bildschirms den "Ersten österreichischen Jugendforschungspreis", dem zahlreiche weitere Auszeichnungen und Preise folgten. Seine Volkshochschulkurse in Wien ("Die Naturwissenschaft von Star Trek", "Die Physik des Papierfliegerbaus", "Kulinarische Physik") sind regelmäßig ausgebucht und wurden bisher von Tausenden Teilnehmern besucht. Als Kolumnist schreibt er für verschiedene Zeitschriften wie "Gusto" und "Profil", er war Redakteur der "Physikalischen Soiree" bei "Ö1" und hatte bereits zahlreiche Fernsehauftritte im In- und Ausland.