Gunther Geltinger: "Mensch ENGEL"
Die
erste Buchveröffentlichung des 1974 im
mainfränkischen Erlenbach geborenen und mittlerweile in
Köln lebenden Schriftstellers
Von dort in Mainfranken lässt er sein Alter Ego Leonard Engel
auch nach dem Abitur zu einer Lebensreise aufbrechen, die er in diesem
Roman auf leidenschaftliche Weise beschreibt. Ein Teil der den Leser
mitreißenden, oft aber auch erschütterten
Leidenschaft resultiert aus der offensichtlichen autobiografischen
Anlage des Buches. Alle Stationen Leonard Engels tauchen in der Vita
des Autors auf. Doch bald schon ist das beim Lesen nicht mehr von
großem Interesse, denn der Leser reist und quält
sich mit dem Protagonisten durch ein Leben, wie man es nicht gerne
führen würde; ein Leben, das von erotischen
Abenteuern geprägt ist, die nur Schalheit und manches Mal auch
Ekel zurücklassen, inszenierten Katastrophen und
fürchterlichen Exzessen, vor allen Dingen durch unglaubliche
Mengen von Tabletten, vor allem Tavor, die Leonard
Engel während der beschriebenen Jahre einwirft.
Im Verlauf einer Abiturfeier kommt es zu Engels Selbstenttarnung: Er
schläft zum ersten Mal mit seinem Mitschüler Marius.
Für Marius ist es
die große Liebe, an der er später auch zerbrechen
wird, für Engel ist es - ja was eigentlich? Reiner Sex,
Machtspiel, der verzweifelte Versuch, mit seiner sexuellen
Identität und mit seiner unklaren Zukunft klar zu kommen - von
allem ist es ein
Wenig und noch Vieles mehr, was den Leser mit jeder Seite mehr in einen
Strudel der Erschütterung darüber zieht, wie ein
Mensch sein Leben und seine Talente so wegwerfen kann. Denn Engel hat
großes Talent. Er studiert Drehbuch
in Wien
und danach in
Köln. Nur von
Liebe
ist nicht die
Rede. Lediglich von der Suche danach.
Dort, nach Jahren der Wanderschaft und der
Sucht mit langen
Aufenthalten in psychiatrischen Kliniken in Frankreich, Deutschland und
Österreich beginnt Engel mit dem konsequenten Schreiben seiner
Geschichte. Schon in den Jahren vorher war ihm das Schreiben oft als
einzige Möglichkeit des Überlebens erschienen, ohne
die er verrückt geworden wäre oder sich umgebracht
hätte. Nach vielen wechselnden Partnern ist er nun mit einem
Lehrer zusammen, der ihn versteht und ihm einen Ort gibt, wo er,
mühsam zwar, zu sich selbst finden kann.
Doch dazu muss er alles aufschreiben und erzählen, die "ganze
Scheiße" seiner permanenten Selbstverletzungen, (er
ist ein "Schnippler", der sich nur durch
regelmäßiges Aufschneiden von Adern psychische
Erleichterung verschaffen kann), und seiner Tablettensucht. Er
erzählt in Rückblicken, und so entfaltet sich vor dem
Leser ein Leben, von dem er am Ende der Lektüre nicht
weiß, wie es weitergehen wird.
Gunther Geltinger ist ein furioser Auftakt gelungen, doch man hat
erhebliche Zweifel, ob er noch einmal diese Kraft für ein Buch
aufbringen wird, vielleicht auch einmal eines außerhalb
seiner ghettoartigen Existenz. Er hat viel in Schwulenzeitschriften
veröffentlicht, doch der Rezensent wünschte sich ein
Buch, in dem diese Thematik nicht gewissermaßen endlos
variiert wird.
(Winfried Stanzick; 08/2008)
Gunther
Geltinger: "Mensch ENGEL"
Gebundene Ausgabe:
Schöffling & Co. Verlag, 2008. 271 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Suhrkamp, 2010.
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