Thomas Görnitz, Brigitte Görnitz: "Die Evolution des Geistigen"
Quantenphysik - Bewusstsein - Religion
Ein bemerkenswertes, faszinierendes Buch
Schlägt der Leser dieses Buch auf, so tritt er in ein
Gedankengebäude von bezwingender Kühnheit. Es erwartet ihn
hier eine faszinierend elektrisierende Darstellung dessen, was die
Autoren Thomas und Brigitte Görnitz als Protyposis bezeichnen.
Diese Idee der Protyposis ist vor dem Hintergrund der Quantentheorie
entwickelt worden. Den Anstoß dazu lieferte der Physiker und
Philosoph
Carl Friedrich von Weizsäcker,
dessen Schüler, Freund und Mitarbeiter Thomas Görnitz war.
Ihm ist dieses Buch auch gewidmet. Thomas Görnitz ist Professor
für Didaktik der Physik an der Universität Frankfurt/Main und
Vorsitzender der Carl Friedrich von Weizsäcker-Gesellschaft.
Brigitte Görnitz ist Tierärztin, diplomierte Psychologin und
dazu noch praktizierende Psychoanalytikerin.
Soweit zu den Autoren. Was aber hat man sich nun unter dem Begriff Protyposis vorzustellen? Ich zitiere aus dem Buch: "Protyposis
ist die begriffliche Erfassung einer abstrakten, kosmologisch
begründeten Quanteninformation, der sich Gestalt und auch
Bedeutung einprägen kann." An anderer Stelle heißt es: "Protyposis
ist abstrakte Quanteninformation, die man dem Bereich des Geistigen
zuordnen kann und die vor allem nichtlokalisiert zu denken ist." Eine dritte, definierende Umschreibung: "Protyposis
ist abstrakte und vorerst bedeutungsfreie Quanteninformation, in die
sich gegebenenfalls Gestalten oder auch Bedeutungen einprägen
können." Natürlich wird das im Buch in aller
Ausführlichkeit erläutert. Auch zur Definition der
Quantentheorie möchte ich nun ein Zitat der Autoren heranziehen: "Quantentheorie ist zu verstehen als die notwendige
Selbstkorrektur
einer Wissenschaft, die bis dahin die Welt letztendlich in
unveränderliche Fundamentalobjekte zerlegen wollte und die damit
den Beziehungscharakter der Wirklichkeit leugnen muss, der eine Ganzheit mehr sein lassen kann als die Summe ihrer Teile."
Da die Quantentheorie in dem zweifelhaften Ruf steht, sich dem
Verständnis der physikalischen Laien zu entziehen, war es ein
wichtiges Anliegen der Autoren, dieses Missverständnis oder
Vorurteil auszuräumen. Mit überwältigendem Erfolg, wie
ich meine. Immer wieder werden anschauliche Beispiele aus dem Alltag
herangezogen, um die Quantentheorie begrifflich und begreifbar zu
machen. Und immer wieder werden die Kernaussagen wiederholt und dabei
immer wieder in ein neues Gewand gekleidet, um ein Höchstmaß
an Anschaulichkeit zu erzielen, so dass auch dem begriffsstutzigsten
Nicht-Physiker so nach und nach ein erhellendes Licht aufgehen kann. Da
sage noch jemand, Physikbücher seien trocken und langweilig!
Thomas und Brigitte Görnitz widerlegen diese vielstrapazierte
Mär auf sehr eindrucksvolle Weise. In glasklarer Transparenz
werden selbst schwierigste Zusammenhänge deutlich gemacht. Und
auch Schrödingers Katze hat für mich endlich eine andere,
aussagekräftigere Farbe erhalten als das Konturen verwischende
"Nachtssindallekatzengrau".
Kommen wir zur Gliederung des Buches. Acht umfangreiche Kapitel, die
aber auf vielfältige Weise untereinander vernetzt sind, was sich
zwangsläufig aus der Natur des hier behandelten Stoffes ergibt,
versuchen, dem Leser die Idee der Protyposis nahe zu bringen. Im ersten
Kapitel wird der Weg aufgezeigt, den die Naturwissenschaft seit ihrer
Entstehung gegangen ist. "Zugang zur Welt - unmittelbar und durch Wissenschaft"
lautet dann die Überschrift des zweiten Kapitels. Im dritten geht
es um die Quanten und um alles, was damit zusammenhängt. Kapitel
vier ist der Idee der Protyposis vorbehalten, im fünften geht es
um Evolution und
Leben, im sechsten um das Phänomen des Bewusstseins, das hier als
Quanteninformation definiert wird, die sich selbst kennt und erlebt.
Das siebte Kapitel schließlich überschreitet die Grenzen des
durch Wissenschaft Überprüfbaren und wendet sich der
Philosophie zu. Überschrieben ist es mit "Naturphilosophische Ausblicke".
Dort räumen die Autoren dann auch ein, dass das Idealbild einer
unzweifelbaren Gewissheit für die Wissenschaft unerreichbar ist.
Dies muss natürlich auch für die Protyposis gelten. Das achte
und letzte Kapitel geht noch einen Schritt weiter und stößt
das Tor zur Transzendenz weit auf. Die Autoren plädieren hier
für ein Weiterdenken und Fragen über die methodisch bedingten
Grenzen der Wissenschaft hinaus. Dies führt zwangsläufig in
den Bereich von Spiritualität und Religion, den Themen des letzten
Kapitels. "Die Wirklichkeit ist im Grunde geistig",
formulieren die Autoren, und sie vertreten die Meinung, dass auch die
empirischen Ergebnisse naturwissenschaftlichen Forschens durchaus Raum
für einen Glauben lassen, dem es möglich ist, einen Sinn im
Ganzen zu sehen. Ihr Buch atmet den Geist einer Versöhnung sich
scheinbar als unvereinbar gegenüberstehender Gegensätze; auf
der einen Seite der deterministisch ausgerichtete Materialismus, auf
der anderen Seite Spiritualität und Religion.
Thomas und Brigitte Görnitz wagten mit ihrem Buch den Sprung
über Gedankenbarrieren. Ihre innovatorischen Denkwege haben sie
dabei gut abgesteckt, so dass sie auch für einen Nicht-Physiker
begehbar sind. Auch eine gewisse missionarische Leidenschaftlichkeit
ist in ihrer Argumentation zu spüren. Ob aber das Konzept, das die
Autoren hier präsentieren, auch die Sprengkraft für
historisch zu nennende Umwälzungen in der Wissenschaft, namentlich
der Physik, besitzt, das muss die Zukunft zeigen.
Quantentheorie - ein Buch mit sieben Siegeln? Ich kann Ihnen
versichern, dass Sie nach der Lektüre dieses hervorragenden Buches
einige dieser sieben Siegel getrost werden entfernen können.
Gäbe es ein "Buch des Jahres" zu küren, so wäre dieses
hier zweifellos einer meiner ganz heißen Favoriten. Und ich kann
nur jedem empfehlen, das lohnende Experiment zu wagen, einen Zugang
zur
Quantentheorie zu suchen und sich dieses Buch zuzulegen.
Und was sagt uns die Bibel:
"Am Anfang war das Wort" (Rede, Satz, Sinn, Gehalt, Information, Protyposis).
(Werner Fletcher; 03/2008)
Thomas Görnitz, Brigitte Görnitz: "Die
Evolution des Geistigen. Quantenphysik - Bewusstsein - Religion"
Vandenhoeck & Ruprecht, 2008. 372 Seiten.
Buch
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