Kerstin Ekman: "Der Wald"
Eine literarische Wanderung
Die bekannte schwedische
Schriftstellerin Kerstin Ekman hat mit "Der Wald" ein Buch geschrieben,
das sich in vielem von seinen Vorgängern unterscheidet. Diesmal
legt
die Autorin dem erstaunten Publikum keinen Roman vor, sondern ein mehr
als fünfhundert Seiten dickes Buch über den Wald. In einer
wohl enormen schriftstellerischen Anstrengung hat sie eine wahre
Enzyklopädie verfasst. Wie während eines langen Spaziergangs,
bei dem das Auge einmal hierhin, dann wieder dorthin blickt und sich zu
orientieren versucht, nimmt
Kerstin Ekman den Leser mit auf ihrem Versuch, dem Wald in allen seinen
Gestalten gerecht zu werden, in seiner Geschichte und den Legenden, die
sich um ihn ranken, in der fast unendlichen Vielfalt seiner Flora und
Fauna, in Erzählungen von der
Jagd, von
der Ausbreitung der Pflanzen. Aber auch kritische Töne sind zu
lesen, wo Kerstin Ekman die Ökonomie des Kahlschlags in harten
Worten beschreibt und traurig die verschwundenen Baumriesen
früherer Zeiten beschwört.
Sie selbst fühlt sich der
Natur
verbunden, bewirtschaftet in Roslagen, hundert Kilometer von Stockholm
entfernt, einen kleinen Hof. In einer großen Anstrengung, auch
immer wieder durch persönliche Erzählungen und Erinnerungen
ergänzt, hat sie etwa hundert einzelne Essays aus verschiedenen
Zeiten zu einer grandiosen Gesamtdarstellung des schwedischen Waldes
verbunden. Liest man das Buch, spürt man eine eigenartige, dennoch
wohltuende Ruhe, so als ob Kerstin Ekman ihren Schreibstil dem
langsamen Wachsen eines Baumes angepasst hätte.
Kerstin Ekman weiß ganz genau, dass es den Wald als Naturzustand
so nie gegeben hat und wohl auch nie geben wird, und dennoch huldigt
sie ihm als einem geradezu
mythischen Ort der Sehnsucht
und der Furcht. Zahllose Beispiele aus der Literatur der Vergangenheit
und Gegenwart führt sie an, begeistert den Leser immer wieder mit
profunden historischen Kenntnissen und Informationen.
Doch es geht nicht nur um Geschichte, und es geht auch nicht nur um die
aktuelle Lage des Waldes, der durch Stürme, verursacht durch den
Klimawandel,
und die Monokultur in den letzten Jahren sehr gelitten hat, sondern in
Kerstin Ekmans Pamphlet vom großen, tiefen Wald steckt auch noch
eine andere, dunkle Idee. Wer "so viel über seinen Wald und dessen Bewohner weiß, blickt in das Dunkel und erkennt dort keine Widersacher."
Bei aller auch sprachlichen Schönheit dieses einzigartigen Buchs
drückt sich in ihm doch auch immer wieder der Überdruss aus,
der die Autorin angesichts der gesamten Zivilisation erfüllt. Es
ist ein leiser Widerwille gegen jegliche Form von Gemeinschaft
spürbar. Das ganze Wissen über den Wald, das Kerstin Ekman in
diesem Buch anhäuft, mag letztlich, so vermutet der Rezensent,
dazu dienen, leichten Herzens und mit entschlossenem Schritt den Weg in
die zukunftslose Finsternis anzutreten, in eine Welt ohne Horizont.
Dennoch muss man vor der literarischen Leistung der Autorin großen Respekt haben, einer "literarischen Wanderung",
die bei aller schon erwähnten Skepsis im Leser eine Sehnsucht zu
wecken vermag, die schon viele Menschen früherer Zeiten so
gespürt haben und die sich in zahllosen Sagen, Märchen und
Legenden niedergeschlagen hat. Wichtig ist auch Ekmans gar nicht
rückwärtsgewandtes Plädoyer gegen eine zunehmende
industrielle Bewirtschaftung des Waldes. Sie sei geeignet, schreibt
sie, die Heimat der Menschen zu zerstören und den
Mythos des
Waldes gleich mit.
Fazit:
Das Buch ist eine wunderbare und in eine manchmal poetische Sprache
gekleidete Verbeugung vor dem Wald und seinen uralten Geschichten.
(Winfried Stanzick; 10/2008)
Kerstin Ekman: "Der Wald. Eine
literarische Wanderung"
(Originaltitel "Herrarna i skogen")
Aus dem Schwedischen von Hedwig M. Binder.
Piper Nordiska, 2008. 528 Seiten.
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Kerstin Ekman, geboren am 27. August 1933 in Risinge, Schweden, zählt zu den bedeutendsten schwedischen Autorinnen der Gegenwart. Für ihr Werk wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem "Literaturpreis des Nordischen Rats" und dem renommierten "Pilotpreis".