Åke Edwardson: "Rotes Meer"
"Er
war nach einem
Winter und einem Frühling in Südspanien
zurückgekehrt, aus einer schönen
Wohnung in Marbella. Nicht viel Regen, nachts nicht so kalt,
funktionierende
Heizung, klare Tage. Jemand mit etwas Fantasie würde
behaupten, er habe bis
nach Afrika schauen können. Ein verdammt gutes halbes Jahr.
Angela hatte in der
Klinik gearbeitet, und er hatte zu Hause gearbeitet."
Kommissar Erik Winter und seine aus Deutschland stammende Frau Angela
haben mit
der Rückkehr nach Göteborg die Entscheidung
über ihren zukünftigen Lebens-
und Arbeitsmittelpunkt wieder einmal vertagt. Sie könnte in
Spanien Chefärztin
werden, ihm macht sein Beruf nach wie vor Spaß, auch wenn
sich über den ganzen
Roman hinweg immer wieder Andeutungen finden, die auf eine
ausgewachsene Migräne,
wenn nicht sogar Schlimmeres, schließen lassen, das sich dort
zeitweise sehr
schmerzhaft in Erik Winters Kopf abspielt. Auch die Entscheidung, ob
man auf dem
Grundstück am Meer, das der durchaus wohlhabende Winter vor
einigen Jahren
gekauft hat, ein Wohnhaus bauen und dort dauerhaft -
außerhalb der Stadt -
leben soll, ist weiterhin umstritten zwischen den beiden ansonsten
ziemlich glücklichen
Ehepartnern. Man spürt, dass sich da etwas anbahnt, das
entweder gelöst werden
muss, oder in einem größeren Konflikt enden wird.
Winters Kollegen Halders und Ringmar sind mit seiner Abwesenheit gut
zurechtgekommen, konnten ihn aber sehr schnell wieder in die Mannschaft
integrieren. Diesen Mannschaftsgeist brauchen sie auch dringend bei
ihrem neuen
Fall, denn es werden kurz nacheinander vier Menschen getötet.
Deren Gesichter
werden dabei regelrecht ausgelöscht. Die Opfer sind Kurden,
Menschen "mit
Migrationshintergrund", wie man es neudeutsch und "politisch korrekt"
formulieren könnte; Menschen, die nach Schweden geflohen sind
und dort
zurechtzukommen versuchen .
Schon in früheren Romanen wies Åke Edwardson immer
wieder auf die Situation
der zahlreichen
Zuwanderer
in Schweden hin und beschrieb auch die
enormen
Probleme, die sie für das ehemals inselartig existierende
Wohlstandsland mit
sich bringen. In der Entwicklung von Erik Winters Kollegen Frederik
Halders von
einem Fremdenhasser und Rassisten hin zu einem Polizisten, der zu
differenzieren
gelernt hat und mit einer schwarzen Kollegin zusammenlebt, dokumentiert
Edwardson einen Prozess, wie er ihn wohl für Andere
wünscht.
In "Rotes Meer" geht Edwardson diesbezüglich so weit wie nie
zuvor.
Sehr tief lässt er seine Protagonisten in das schwierige
Geflecht der
Beziehungen unter den Exilkurden eindringen, zeigt dabei viel
Verständnis sowie
Empathie, und dennoch stehen die Polizisten bis zum Ende vor einer
Mauer des
Schweigens, verursacht durch die nackte Angst. Sie lösen den
Fall, aber das
Schweigen bleibt, wie ein Symbol der Nicht-Kommunikation zwischen dem
alten
Schweden und den vielen neuen Kulturen, die ins Land gekommen sind.
Auch
Schweden hat ein großes Migrantenproblem und ist dabei
genauso hilflos und
machtlos wie viele andere EU-Länder.
Es geht um Ehre und verletzten Stolz, es geht
um die Sache des
kurdischen Volkes
und darum, wie Menschen ohne Heimatland mit verlorenen Wurzeln in einer
ihnen
immer fremd bleibenden Umgebung haltlos werden und oft auch kriminell.
"Rotes Meer" lebt ganz von den langen und zum Teil quälenden
Dialogen. Sie haben dem Rezensenten das Lesen oft schwer gemacht, doch
sei
zugegeben, dass Edwardson sie bewusst einsetzt, um einen Eindruck von
der
Sprachlosigkeit und der nicht gelingenden
Kommunikation
zwischen den
Kulturen zu
vermitteln. Edwardson ist einfühlsam, poetisch geworden, und
die Lücke
zwischen seinem wohlsituierten Erik Winter, der nach wie vor
sündhaft teuren
Whiskey trinkt und sich keine finanziellen Sorgen machen muss, und
denen, die im
Schatten dieses Wohlstands leben und denen Winters Mitgefühl
gilt, wird immer
größer.
Man wird gespannt sein können, wie Edwardson seine
Göteborger
Sozialgeschichte, denn das sind seine Kriminalromane mittlerweile,
weiterschreibt. Eine unverzichtbare Reihe.
(Winfried Stanzick; 02/2008)
Åke
Edwardson: "Rotes Meer"
(Originaltitel "Vänasteland")
Aus dem Schwedischen von Angelika Kutsch.
Ullstein, 2008. 362 Seiten.
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Hörbuch:
Gelesen von Ulrike Grote und Boris Aljinovic.
HörbucHHamburg, 2008. 4 CDs.
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Weitere
Bücher des Autors
(Auswahl):
"Samuraisommer"
Diesen Sommer im schwedischen Ferienlager wird Kenny, zwölf
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Wald, das er mit seinen Samurai-Freunden baut, und auch nicht Kerstin.
Doch dann
verschwindet das Mädchen plötzlich aus dem Lager und
es scheint, als hätte
der Sohn der Lagerleiterin etwas damit zu tun. (List. Ab 11 J.)
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"Drachenmonat"
Es ist Herbst, und Kenny und Kerstin sind zurück aus dem
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schließlich sieht Kenny nur noch
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führt ihre Reise
eigentlich? Nach "Samuraisommer", das für den
Jugendliteraturpreis
nominiert wurde, legte Edwardson mit "Drachenmonat" die Fortsetzung
vor, die den Leser ebenso gebannt in Atem halten wird. (Carlsen. Ab 11
J.)
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"Das
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In alle Ewigkeit"
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der es auf Winter selbst abgesehen hat. Nicht bis "In alle Ewigkeit"
ruht ein ungeklärter Fall aus der Vergangenheit, denn der
Serienmörder,
den
Winter jagt, trieb schon einmal sein Unwesen. (List)
Doppelband
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"Die
Schattenfrau"
Die Leiche einer Frau ohne Namen. Spuren, die alle ins Nichts zu weisen
scheinen. Die aufgeladene Atmosphäre eines heißen
schwedischen Sommers. Und
ein verängstigtes Mädchen, das sich in dem Versteck,
in dem es festgehalten
wird, nach seiner Mutter sehnt. Kommissar Winter, dessen Vorliebe
für guten
Jazz und elegante Anzüge sich in Göteborg
herumgesprochen hat, setzt sein
ganzes psychologisches Feingefühl ein, um den Mörder
- und das Mädchen - zu
finden. (Ullstein)
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