Paulo Coelho: "Brida"
Als im Jahr 1996 Paulo Coelhos
viele Jahre vorher geschriebenes Buch "Der Alchimist" auf Deutsch bei
Diogenes erschien, gelangte damit ein Text an die Öffentlichkeit, der seit
dieser Zeit Millionen von Menschen bewegt, angerührt und auch verändert hat.
Dieses Buch war spirituelle Literatur auf ihrem Höhepunkt, und es ist bis auf
den heutigen Tag zu Recht eines der bestverkauften Bücher Coelhos, der seitdem
etliche weitere gute Bücher veröffentlicht hat.
"Brida", das vorliegende Buch, hat Paulo Coelho schon 1990 in
Brasilien zum ersten Mal publiziert, fast auf den Tag genau ein Jahr nach
"Der Alchimist". Und nicht ohne Grund haben er und sein Züricher
Verlag bis ins Jahr 2008 gewartet, es einem deutschsprachigen Publikum zu präsentieren,
das, soviel sei gleich gesagt, von Paulo Coelho bessere und tiefergehende
Literatur gewöhnt ist.
Der Roman "Brida" reicht bei Weitem nicht an die anderen spirituellen
Bücher von Coelho heran und hat mich enttäuscht. Erzählt wird die wohl
authentische Geschichte der jungen, gerade einmal 21-jährigen jungen Irin Brida.
Ihr ist Coelho in Lourdes (!) begegnet und hat sie, begeistert von ihrer
Geschichte, gebeten, sie einem größeren Publikum erzählen zu dürfen.
Es ist die Geschichte einer Frau, die sich auf den Weg gemacht hat, nach ihrer
Bestimmung zu suchen. Zwei Menschen, denen sie begegnet, erkennen unabhängig
voneinander ihre spirituelle Begabung und lehren sie die Traditionen des Mondes
und der Sonne. Die Eine ist eine
Hexe namens Wicca, der Mann ist ein Meister,
der vor langer Zeit aus dem Kreis der Magier ausgestoßen wurde, weil er einen
Fehler gemacht hatte.
Besonders das, was Brida mit diesem Mann erlebt, hat den Diogenes Verlag
veranlasst, im Klappentext anzukündigen, dass in diesem Buch "die
spirituelle Seite der Erotik und die erotische Seite der Spiritualität"
beschrieben werde. Doch bei allem Respekt, ich kann dies nach der eher
gelangweilten Lektüre die Buches, was mir so bei Coelho zum allerersten Mal
passiert ist, nicht bestätigen.
Das Hauptthema ist jener aus der Esoterik bekannte Topos des "Anderen Teils",
also jener Vorstellung, dass jeder Mensch in jeder Inkarnation dazu bestimmt
ist, seinem anderen Teil zu begegnen. Das heißt nicht unbedingt, mit ihm auch
ein gemeinsames (Liebes-)Leben zu führen. Doch es ist quasi die Hauptaufgabe
jedes Lebens, jenen anderen Menschen zu finden, und nicht daran vorbeizugehen,
denn man kann bei dieser Suche auch scheitern.
Wie man merkt, geht Coelho ohne weitere Erläuterung davon aus, dass wir
Menschen viele Male auf die Erde kommen und in jeder Wiedergeburt die Aufgabe
haben, uns spirituell zu vervollkommnen. Der Rezensent steht, jedenfalls in
seiner jetzigen Lebensphase, dieser Vorstellung relativ distanziert gegenüber,
ist aber sehr ratlos, wenn sein fünfjähriger Sohn David davon seit einiger
Zeit redet, dass er und seine Eltern auch im "nächsten Leben",
wie er sagt, zusammen sein werden und dass er dann auch sicher seinen (1986
verstorbenen) Opa Hans kennen lernen könne, worauf er sich schon sehr freue,
weil der ihm doch so viel Handwerkliches beibringen könne.
Niemand in unserer Familie hat je über so etwas gesprochen, in keinem der
zahlreichen Bücher, die ich ihm vorgelesen habe, tauchte dieser Gedanke jemals
auf, und doch spricht er davon, als hätte er es schon selbst erlebt.
In diesem Zusammenhang erinnere ich mich an einen Jungen aus einer befreundeten
Familie, der, etwa im gleichen Alter wie mein Sohn, vor langer Zeit immer wieder
davon sprach, "damals
in Australien" habe er dies und das so
und so gemacht.
Wie auch immer, die Idee an sich fasziniert die Menschen offenbar immer wieder,
doch so, wie sie Coelho in "Brida" literarisch umgesetzt hat, bleibt
sie langweilig und fad. Der Verlag hätte seinem Erfolgsautor raten sollen,
dieses alte Buch doch lieber in der Schublade zu lassen.
(Winfried Stanzick; 11/2008)
Paulo
Coelho: "Brida"
(Originaltitel "Brida")
Aus dem Brasilianischen von Maralde Meyer-Minnemann.
Gebundene Ausgabe:
Diogenes, 2008. 250 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
Diogenes, 2010.
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Hörbuch (gekürzte Lesung):
Sprecher: Sven Görtz.
Diogenes, 2008. 4 CDs; Spieldauer ca. 312 Minuten.
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