Giacomo Cacciatore: "Der Sohn"
Wie die Mafia eine Familie zerstört
Wir schreiben das Jahr 1978. Es ist kurz vor der
Fußball-Weltmeisterschaft
in Argentinien, und wir befinden uns in Palermo
auf Sizilien. Der zehnjährige
Giovanni, aus dessen Blickwinkel der gesamte Roman erzählt
ist, fährt mit
seinem Vater durch die einzelnen Stadtviertel. Sein Vater besucht
Geschäfte und
trifft seine Freunde in Cafés. Giovanni träumt von
einem Farbfernseher, den er
gerade in einem der Geschäfte gesehen hat. Der
Geschäftseigentümer hat
Giovannis Wunsch sensibel registriert, und schon kurze Zeit
später steht dieses
Fernsehgerät der völlig neuen Generationen im
Wohnzimmer der Familie -
kostenlos und ohne Verpflichtung. Denn Giovannis Vater ist Polizist und
gleichzeitig Mitglied der anderen "Familie"; sein Wahlspruch lautet: "Wenn
man das Böse nicht sieht, existiert es nicht."
Giacomo Cacciatore, 1967 in Kalabrien geboren und als eines der
großen
literarischen Talente Italiens gehandelt, erzählt in "Der
Sohn" eine
Geschichte der Familie in doppeltem und dreifachem Sinn. Denn der Vater
Vincenzo
tanzt sozusagen auf mehreren Hochzeiten; er arbeitet für die
Mafia und im
Auftrag des stellvertretenden Polizeichefs, selbst eine üble
Gestalt, als
Spitzel gegen die Mafia, die auch bald ihr böses Gesicht
zeigt. Menschen
verschwinden, es gibt Tote auf der Straße, darunter eben
jener Polizeichef und
eine Menge Verhaftungen.
Ohne dass Giovanni es völlig durchblicken könnte,
spürt er doch deutlich und
bedrohlich eine geheimnisvolle Macht, die sich durch den ganzen Roman
zieht und
entfaltet. Ständig versteckte Zeichen, schwer zu deutende
Gesten und
Verbindungen. Mehr und mehr spürt der wache und sensible
Junge, der im Lauf des
Romans durch entsprechende Zeitsprünge des Autors zum jungen
Mann heranwächst,
dass sein Vater Unrecht tut und in großer Gefahr schwebt.
Giovanni ergreift die Initiative, um seinen Vater aus diesem Sumpf des
Verbrechens und der Abhängigkeiten zu befreien, doch sein Plan
endet in einer
tragischen Überraschung ...
Dieser Roman ist eine außergewöhnliche und
atmosphärisch sehr dichte Auseinandersetzung mit der Mafia und ihrer "Omertà", sowie
mit den Verstrickungen eines ganz normalen italienischen Familienlebens.
Ein mutiger Roman aus Sizilien.
(Winfried Stanzick; 01/2008)
Giacomo Cacciatore: "Der Sohn"
(Originaltitel "Figlio di Vetro")
Aus dem Italienischen von Judith Schwaab.
Gebundene Ausgabe:
Rowohlt, 2007. 220 Seiten.
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Taschenbuchausgabe:
rororo, 2008.
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Giacomo
Cacciatore wurde 1967 in
Polistena, Kalabrien, geboren. Er studierte Literatur und
Sprachwissenschaft und lebt als
Journalist und Korrespondent, u.a. von "La Repubblica", in Palermo. Er
hat diverse Sachbücher, Erzählungen sowie den Roman "Uomo di
spalle" veröffentlicht.
Zwei weitere Buchtipps:
Roberto Saviano: "Gomorrha. Reise in das Reich der Camorra"
Die süditalienische Camorra mischt mit im internationalen
Drogenhandel, verschiebt riesige Mengen
Giftmülls
in Italien, macht gewaltige Geschäfte mit
der Herstellung billiger wie hochwertiger Textilien, hat praktisch das
Monopol auf den Handel mit Zement - und Geschäftsbeziehungen, die bis
nach Deutschland, Schottland oder China reichen. Der Journalist Roberto Saviano hat unter
Einsatz des eigenen Lebens vor Ort in Neapel recherchiert, Beweise geliefert
und ein Buch geschrieben, das dem Leser den Atem nimmt. In Italien schlug es
ein wie eine Bombe, der Autor war damit schlagartig berühmt - aber
auch gefährdet. (dtv)
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"Das Gute an der Mafia ist, dass sie sich gegenseitig umlegen"
Aufsätze neapolitanischer Kinder über die
Camorra
Ermuntert von einem jungen Anti-Camorra-Pfarrer und einem Lehrer erzählen Kinder und Jugendliche aus Neapel von ihrem Alltag und ihren Erfahrungen mit der Mafia, von ihren Hoffnungen und Träumen. Ihre Texte zu den drastischen Zuständen in ihrer Stadt verblüffen und berühren umso mehr, als sie so authentisch und fröhlich daherkommen.
Jeden Tag erleben die Kinder in Neapel, wie die Camorra ihr Leben und die Stadt dominiert: Menschen werden auf offener Straße erschossen, Rauschgifthändler stehen an jeder Ecke, Kinder verrichten Schwarzarbeit, statt zur Schule zu gehen.
Und damit nicht genug: Der Müll türmt sich in den Gassen, und die Arbeitslosigkeit treibt viele Familien in die Arme von Wucherern. Doch die Kinder lassen sich nicht unterkriegen. Geradeheraus schreiben sie über alles, was sie bedrückt und was sie begeistert. Und haben tausend Ideen, wie man aus Neapel eine bessere Stadt machen könnte. (Diogenes)
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