Hans Christoph Buch: "Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand"


Mythisches Sansibar

Klaus Harpprecht, Mitherausgeber der "Anderen Bibliothek" bei Eichborn, schreibt in einem Faltblatt, das dem Roman beiliegt, unter anderem: "Mitgerissen vom Elan der Sprache, gebannt von den phantastischen Ereignissen, fasziniert von den seltsamen Geschöpfen - den historischen und den fiktiven - las ich den Roman in einem Zug. Ein virtuoses Buch, fand ich, ... Sie werden, liebe Leserinnen und liebe Leser, sich an dem Buch ebenso erfreuen."

Diese Einschätzung konnte ich zunächst nicht teilen. Ich benötigte schon einige Zeit, mich mit dem "Sansibar Blues" anzufreunden und um zu einer Wertschätzung der literarischen Qualitäten seines Autors zu gelangen. Das Beckmesser war also bereits gewetzt. Das ideale Buch für schlaflose Nächte (um in den Schlaf zu finden), dachte ich, früher oder später wird sich die Müdigkeit und nachfolgend der Schlaf gewiss einstellen. Bereits nach zwei oder drei Seiten brach sich das erste Gähnen Bahn. Schier endlose Bandwurmsätze von teilweise mehr als einer kompletten Seite ermüden rasch des Lesers Aufmerksamkeit. Diese endlosen Sätze mögen in gewissen Fällen als Stilelement ihre Berechtigung finden, hier aber erschienen sie mir als eine nichtssagende Manier. Zunächst erzählt ein fiktiver ostdeutscher Diplomat (das ganze Buch ist aus der Perspektive von Ich-Erzählern geschrieben) von seinen Eindrücken und Erlebnissen auf Sansibar. Dann erteilt der Autor einigen Leitfossilien sansibarischer Provenienz das Wort. Wesentlich interessanter wurde der Roman für mich auch dadurch nicht. Bei allen zweifellos vorhandenen Ingredienzien literarischer und journalistischer Finesse dennoch eine fade Komposition.

So fiel mein erstes Urteil aus, ein Urteil, das jedoch nach und nach ins Wanken kam. Und so konnte der "Sansibar Blues" bald in meiner persönlichen Wertschätzung die Stufe respektablen Durchschnitts erklimmen. Und auch diese neutral nüchterne Einschätzung entwickelte sich bei der fortschreitenden Lektüre Nuance um Nuance weiter zum Positiven. Die Erkenntnis, dass das Werk doch von einem höheren Geist beseelt ist, als ich zunächst angenommen hatte, verankerte sich allmählich in meinem Bewusstsein, ohne dass allerdings der anfängliche Zweifel in Begeisterung umgeschlagen wäre. So weit, das Buch als virtuos zu bezeichnen, möchte ich denn doch nicht gehen.

"Sansibar Blues" beleuchtet ein interessantes Kapitel deutscher Kolonialgeschichte. Zahlreiche Mythen und Legenden ranken sich um die Insel Sansibar. Aber allein die geschichtlichen Tatsachen sind fantastisch genug. Solch illustre Personen wie Bismarck, Che Guevara, die Afrika-Forscher Livingstone und Stanley sowie der legendäre Sklavenhändler Tippu Tipp geben sich in Hans Christoph Buchs "Sansibar Blues" ein Stelldichein. Dem Autor gelingt eine letztendlich doch überzeugende Synthese von Fakt und Fiktion, es ist ein Jonglieren auf der Grenze zwischen historischer Wahrheit und dichterischer Fantasie. Nicht zuletzt trägt auch das Mosaik aus des Autors eigenen Erfahrungen wesentlich zum Gesamtbild bei. Hans Christoph Buch ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch weitgereister Journalist, der von vielen Brennpunkten, aus vielen Krisengebieten berichtet hat. Einer, der weiß, wovon er schreibt.

Ausstattung und Gestaltung des Bandes entsprechen dem hohen Standard der "Anderen Bibliothek". Fotos vorne und hinten im Buch, die Personen und Schauplätze zeigen, verleihen dem Ganzen noch zusätzlich Farbe und Anschaulichkeit. Mit einiger Fantasie kann man in Form und Zuschnitt der Papp-Schutzhülle des Buches die Umrisse der Insel Sansibar erkennen. Ein schönes Buch zum Verschenken (natürlich auch zum Selber-Lesen) wie die meisten Bände der "Anderen Bibliothek".

(Werner Fletcher; 12/2008)


Hans Christoph Buch: "Sansibar Blues oder Wie ich Livingstone fand"
Eichborn - Die Andere Bibliothek, 2008. 254 Seiten.
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