Joachim
Faulstich: "Das heilende
Bewusstsein"
Sprecher: Joachim Schönfeld
Wunder
und Hoffnung an den Grenzen der
Medizin
(Hörbuchrezension)
Bereits
2006 veröffentliche
Joachim Faulstich "Das heilende Bewusstsein" in Buchform. Seit Mai
2008 ist dieser Titel nun auch als Hörbuch im Umfang von vier
CDs, veröffentlicht
durch den Verlag "steinbach sprechende bücher",
erhältlich.
Während mehr als sechs Stunden Laufzeit, genau genommen 314
Minuten, nähert
sich Sprecher Joachim Schönfeld in den Worten des Autors dem
Geheimnis der
Heilung. Wo liegen die Grenzen
der Schulmedizin - und was, wenn diese Grenze erreicht ist? Worauf
begründen
sich so genannte Spontanheilungen, und wie ist es zu erklären,
dass sehr urtümliche
Heilungsweisen wider Erwarten auch Heilung bringen können? Wie
kann es
umgekehrt sein, dass eine Erkrankung, die leicht durch ein bestimmtes
Medikament
zu heilen ist, zum Tode führt, obwohl dieses Medikament
verabreicht wurde?
Faulstich tastet sich an all diese Fragen heran. Seine Antwort auf all
diese
Fragen ist bereits im Titel des Ganzen verborgen: Es existiert das
heilende
Bewusstsein; ein Bewusstsein, das Menschen an Heilung glauben
lässt und sie
unterstützt, oder das sie eben nicht an Heilung glauben
lässt und Medikamenten
dann vielleicht sogar tatsächlich die Wirksamkeit versagt.
Nun klingen all diese Fragen und Gedankengänge ausgesprochen
esoterisch, doch
das sind sie nicht. Spirituell, ja, aber Faulstich ist nicht zuletzt
Autor und
Regisseur wissenschaftlicher Dokumentationen, und so listet er Fakten
auf. Diese
Art der Aneinanderreihung ist erstaunlich gut gelungen, wirkt weder wie
eine
Liste noch langweilig, und Schönfelds Intonation
belässt es ebenso bei einem
Fluss.
Der Hörer stößt auf zahlreiche Beispiele,
die sowohl der Schulmedizin als
auch alternativen Heilweisen verschiedener Art entnommen sind.
Besonders
spannend wird der Titel dadurch, dass keine Position eingenommen wird,
in der
das eine verteufelt und das andere angepriesen wird. Beide "Parteien"
stehen sich gleichwertig gegenüber, und es geht an keiner
Stelle darum, eine
von ihnen über die andere zu stellen.
"Das heilende Bewusstsein" ist spannend, interessant, gut recherchiert
und lässt dem Hörer vor allem den nötigen
Raum für eigene Schlüsse und
Gedanken. Dies macht das Hörbuch zu einem besonders
lohnenswerten Sachhörbuch,
denn nichts Anderes als persönliche Weiterentwicklung und
-bildung wird durch
Faulstichs Titel gefördert.
(Tanja Thome; 05/2008)
Joachim
Faulstich: "Das heilende
Bewusstsein. Wunder und Hoffnung an den Grenzen der Medizin"
Sprecher: Joachim Schönfeld.
steinbach sprechende bücher, 2008. 4 CDs; autorisierte
Hörfassung, Spieldauer 314 Minuten.
Hörbuch-CDs
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Buchausgabe:
Knaur, 2006. 336 Seiten.
Buch
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Joachim
Faulstich ist Autor und
Regisseur wissenschaftlicher Fernsehdokumentationen und hat
für seine Arbeit
zahlreiche Preise erhalten. Seit vielen Jahren beschäftigt er
sich mit
alternativen Heilverfahren und aktueller Bewusstseinsforschung.
Ein weiteres Buch des Autors:
"Das Innere Land. Bewusstseinsreisen zwischen Leben und Tod"
Joachim Faulstich nimmt den Leser mit auf eine faszinierende Expedition
in ein
unbekanntes Reich - verwandelt kehrt er zurück. (Knaur)
Buch
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Leseprobe:
Die zwei Wege der Medizin
Begegnung im Regenwald
Die Sonne war untergegangen, der Regenwald erwachte mit tausend
Stimmen. Über
dem flachen Wasser am Ufer der Lagune tanzten die Moskitos, und die
letzten
Boote erreichten Puerto Callao, eine Siedlung aus Bretterbuden,
Vorposten der
Zivilisation im Tiefland Perus.
Ich saß in einem weißen Raum, dem Zimmer der
Chefärztin des
Amazonas-Hospitals, und blickte durch das engmaschige Fliegengitter
hinaus auf
den See. Im graublauen Licht der beginnenden Nacht kreuzten die
Einbäume der
Indianer auf dem Weg zu ihren nahe gelegenen Dörfern.
Die Lagune Yarinacocha, der "See der ragenden Palmen", war das Zentrum
ihrer
Welt, das Land am Rio Ucayali ihr Land, das Land der Shipibo-Conibo,
eines der
größten indianischen Völker im Regenwald.
Das Hospital hatte der deutsche Arzt Theodor Binder vor einigen
Jahrzehnten gegründet,
fasziniert vom Werk Albert Schweitzers wollte auch er vergessenen
Ureinwohnern
helfen, mit moderner Medizin. Ärzteteams erkundeten seitdem in
motorisierten
Einbäumen die mäandernden Flüsse und boten
auch in entlegenen Dörfern ihre
Dienste an, sie behandelten Kranke und Verletzte und bildeten
Sanitarios aus,
Gesundheitsberater, die vor Ort die Grundversorgung sichern sollten.
Zum ersten Mal seit der Eroberung des Landes durch die Weißen
wurden den
Indianern die Segnungen der westlichen Medizin zuteil, moderne
Diagnosemethoden,
chemische Medikamente, chirurgische Kunst.
Doch die Gründer des Hospitals hatten eine wichtige Tatsache
übersehen: Die
Shipibo-Conibo waren seit undenklichen Zeiten selbst Meister der
Heilkunst. Ihre
Ärzte verfügten über tiefes medizinisches
Wissen, kannten Hunderte von
wirksamen Pflanzen, und sie heilten
mit der
Macht ihres Bewusstseins.
Die Schamanen der Shipibo waren jahrhundertelang im ganzen
Amazonas-Tiefland
berühmt, aber ihre Kunst schien am Einbruch der Moderne
zerbrochen. Die
spanischen Eroberer hatten ihr Gebiet nicht entdeckt, doch im 20.
Jahrhundert
waren fundamentalistische Missionare aus den USA gekommen, um ihnen das
Christentum zu bringen. Die Missionare hatten keinen Respekt vor den
Geheimnissen der indianischen Geschichte, kein Auge für die
Schöpfungsmythen
aus der Ferne der Zeit und für das geheime Netzwerk der
Geister, die das
spirituelle Gleichgewicht in der Balance hielten, auch nicht
für den nächtlichen
Kampf der Schamanen, die auf den Flügeln ihres Bewusstseins in
magische Welten
jenseits des Alltags reisten, um neue Kraft für ihre Patienten
zu finden.
Die Missionare waren von der Überlegenheit ihres eigenen
Glaubens und ihres
modernen Wissens überzeugt, auch deshalb, weil die
Kräuter des Regenwaldes und
die schamanischen Rituale offenbar im Kampf gegen die
Infektionskrankheiten, die
mit den Weißen ins Land gekommen waren, nicht halfen. So
bewirkten sie mit
Antibiotika Wunderheilungen und demonstrierten mit diesem Zauber ihre
Überlegenheit.
Die weiße Medizin und das alte Wissen wurden zu Gegnern, und
die Ärzte aus den
Ländern des Westens siegten. Auch das Amazonas-Hospital stand
in dieser
Tradition, ein Brückenkopf naturwissenschaftlichen
Fortschritts in einer
vergessenen Welt.
An diesem Abend im Mai 1979 aber erzählte die
Chefärztin ganz andere
Geschichten. Vor einem halben Jahr erst war sie aus Deutschland in
diese Klinik
gekommen, aber dieses halbe Jahr hatte genügt, um ihr Weltbild
zu erschüttern.
Der Schamanismus der Shipibo war in Wahrheit nicht vollständig
untergegangen,
sondern hatte in der Stille überlebt. Das Wissen um die Kraft
der Pflanzen war
nicht verloren gegangen, und noch immer beherrschten die Meister des
Heilens in
den entlegenen Dörfern die archaische Reise des Bewusstseins
in die "andere
Wirklichkeit".
Eines Tages, so erzählte die Chefärztin, sei ein
zwölfjähriges Mädchen in
die Klinik gebracht worden. Es litt unter Osteomyelitis, einer
Knocheninfektion,
die mit Antibiotika nicht zu beherrschen war. Eine
Röntgenaufnahme zeigte, dass
der Herd sich von einer bestimmten Stelle im Knochen ausbreitete.
Das Bein war auf das Doppelte des normalen Umfangs angeschwollen und
völlig
unbeweglich, das Kind hatte starke Schmerzen und hohes Fieber, es
musste ständig
gekühlt werden, damit die Temperatur unter dem kritischen
Punkt blieb.
Seine Überlebenschancen waren gering, aber Ärzte und
Krankenschwestern taten
alles, um das Mädchen zu retten.
Als das Kind immer schwächer wurde, baten die besorgten Eltern
um ein Gespräch
mit der Chefärztin. Sie fragten vorsichtig, ob sie einen
Curandero hinzuziehen
dürften, einen traditionellen Heiler. Die Ärztin war
einverstanden, stellte
aber eine Bedingung: Der Schamane solle sich zunächst bei ihr
vorstellen, damit
sie ihm die Röntgenaufnahmen zeigen könne, bevor er
mit seiner Arbeit beginnen
würde.
Als der Curandero kam, ein unscheinbarer kleiner Mann, versuchte die
Ärztin,
ihm die Ausweglosigkeit des Falles klarzumachen.
Sie führte ihn an eine Leuchttafel mit den
Röntgenbildern und erklärte ihm so
einfach wie möglich die Ursache und den Verlauf der
Erkrankung. Dann zeigte sie
ihm das Mädchen, das nur noch ein Schatten seiner selbst war.
Auf dem Rücken
der Patientin hatten sich tiefe Geschwüre gebildet, die
Krankenschwestern
wussten nicht mehr, wie sie das Kind lagern sollten, es konnte sich vor
Schmerzen nicht mehr bewegen, und es gab keine Position, die ihm
Erleichterung
verschaffte.
Der Curandero hörte sich die Erläuterungen der
Ärztin ruhig an, ab und zu
nickte er, und dann blieb er allein im Krankenzimmer und begann mit
seinem
Heilungsritual.
Die Schamanen der Shipibo benutzen, wie viele indianische
Völker des
Regenwaldes, eine machtvolle Droge, um ihr Bewusstsein zu
verändern und den
Blick in die Welt der Geister zu lenken, wo sie um Hilfe für
ihre Patienten
bitten. Die Ayahuasca-Liane, zubereitet in einem bitteren Trank, dem
noch
weitere Pflanzen hinzugefügt werden, schleudert das
Bewusstsein aus der
Begrenzung des Körpers und hilft dem geübten Heiler,
vordergründig
unsichtbare Zusammenhänge zu sehen, die sich den strengen
Gesetzen des
Wachbewusstseins entziehen. Auf einer Reise in eine Welt, in der
mythologische
Figuren zu realen Wesen werden, erfährt der Schamane, was er
am Krankenbett tun
muss. Hilfreiche Geister, die ihm auf seiner Trance-Reise begegnen,
übernehmen
einen Teil der Arbeit.
Die Krankenschwestern, ausgebildet an modernen medizinischen Schulen in
Lima, hörten
durch die geschlossene Tür des Zimmers pentatonische
Gesänge, eine endlose
Melodie, beruhigend und aufwühlend zugleich. Einige
Pflegerinnen beschwerten
sich bei der Ärztin - sie hätten sich nicht in
moderner Heilkunde ausbilden
lassen, um nun der längst überwundenen Vergangenheit
wieder zu begegnen. Aber
die Chefärztin ließ sich in ihrer Entscheidung nicht
beirren: Wir sind mit
unserer Kunst am Ende, sagte sie, also lassen wir der Patientin und
ihren Eltern
diese letzte Hoffnung.
Mehrere Tage arbeitete der Heiler hinter der stets verschlossenen
Tür des
Krankenzimmers, dabei setzte er auch Kräuter ein, die zweite
Säule der
indianischen Naturmedizin. Das Kind lebte entgegen den Erwartungen der
Ärztin
noch immer, aber offenbar verbesserte sich sein Zustand nicht
wesentlich.
Als eine Woche vergangen war, bat der Curandero um ein weiteres
Gespräch. Seine
Möglichkeiten, sagte er, seien in dieser Umgebung begrenzt, er
könne hier
keinen Zugang zur Krankheit finden, könne das Mädchen
so nicht heilen.
Um es zu retten, müsse er es in sein Dorf mitnehmen. Die
Ärztin stimmte zu,
denn noch immer sah sie keine medizinische Möglichkeit, weiter
etwas für die
Patientin zu tun.
In einem Geländewagen wurde das Kind, auf Schaumstoff
gelagert, über staubige
Buckelpisten und schlammbedeckte Pfade in ein kleines Dorf gebracht.
Die Hütten
der Shipibo haben keine Wände, es sind Pfahlbauten mit einem
erhöhten Boden
aus biegsamem Holz. Sie bieten kaum Schutz vor der Hitze und noch
weniger vor
Wind und plötzlicher Kälte, die im Urwald oft auf
heftige Regengüsse folgen.
Das Kind wurde auf einer schmutzigen Decke gelagert, und die
Ärztin fuhr zurück
ins Hospital, ganz sicher, dass der Tod nur noch eine Frage von Tagen
war - das hohe Fieber konnte in der Klinik nur mit Eiswasser unter dem
tödlichen Wert
von zweiundvierzig Grad gehalten werden, aber hier in der
Hütte gab es kein
Eis.
Nach vierzehn Tagen fuhr die Ärztin noch einmal in das Dorf,
um sich nach dem
Schicksal ihrer Patientin zu erkundigen.
Sie fand das Kind aufrecht sitzend auf dem Boden der Hütte, es
ging ihm
offensichtlich besser. Zwei Monate später machte sie sich noch
einmal auf den
Weg, jetzt hatte sich der Zustand des Mädchens fast
vollständig normalisiert.
Es konnte wieder laufen, hielt allerdings noch das linke Bein, dessen
Knochen ja
befallen war, in einer Schonhaltung. Der Curandero sagte, das werde
sich in der
nächsten Zeit noch wesentlich bessern.
Der Heiler erlaubte der Ärztin, das Kind noch einmal mit in
die Klinik zu
nehmen, um das Bein abschließend zu röntgen.
Das Bild zeigte, dass die Krankheit zum Stehen gekommen war. Und das
Mädchen
war nicht nur fieberfrei und wieder bewegungsfähig, es hatte
auch keine
Schmerzen mehr, und die Geschwüre
am
Rücken hatten
sich fast vollständig zurückgebildet.
Die Chefärztin lehnte sich zurück und
lächelte. Seit diesem Erlebnis, sagte
sie, habe sie begonnen, die traditionellen Heiler ernst zu nehmen. Sie
sei
beeindruckt von der indianischen Vorstellung, dass Krankheit nicht das
individuelle, vom Spiel des Zufalls diktierte Schicksal eines Menschen
sei,
sondern Ausdruck eines Problems der Gemeinschaft. So beschrieben die
Curanderos
der Shipibo den Hintergrund einer Erkrankung.
Sie verstanden diesen Zusammenhang zwar nicht im psychologischen Sinne,
wie das
die westliche psychosomatische Medizin heute tun würde,
sondern eher als
kollektives Problem mit der Welt der Geister, im Kern aber bestehe da
kein
wirklicher Unterschied. Denn am Ende zähle, ob Heilung
geschehen könne oder
nicht.
Bei den Behandlungen in den entlegenen Dörfern, habe sie
inzwischen in
Erfahrung gebracht, seien meist alle Familienmitglieder anwesend,
manchmal sogar
alle Nachbarn, oft beteilige sich die ganze Dorfgemeinschaft. Wenn der
Patient
krank bliebe, werde dies nicht als sein persönliches Problem
gesehen, sondern
alle fühlten sich verantwortlich. Ein faszinierender Gedanke,
der dem Weltbild
der westlichen Schulmedizin magisch erschien, wenn auch neuere
Erkenntnisse über
psychologische Zusammenhänge diese indianische Vorstellung
schon damals in ein
anderes Licht zu rücken begannen.
Und dann erzählte die Ärztin eine zweite Geschichte,
ein persönliches
Erlebnis, das etwa ein Jahr zurücklag: Auf einer Reise durch
die
Felsenlandschaft der Anden sei sie eines Abends in ein abgelegenes Dorf
gekommen. In der schneidenden Kälte nach Sonnenuntergang sei
sie in einem der
Bauernhäuser Zeugin eines Abschiedes geworden. In einem Bett
in der Ecke eines
düsteren Zimmers lag eine sterbende Frau, und nach und nach
kamen die Bewohner
des Dorfes zu einem letzten Besuch. Die Ärztin hatte den
Impuls zu helfen und
fragte vorsichtig, ob sie die Patientin untersuchen dürfe.
Die Angehörigen stimmten zu, auch wenn sie offenkundig wenig
Hoffnung in die
Fremde setzten. Nach wenigen Minuten war der Ärztin klar, dass
die Krankheit
heilbar war, mit einem neuen Medikament, das erst seit kurzer Zeit auf
dem Markt
war. Und genau dieses hochwirksame Mittel hatte sie im
Reisegepäck. Sie gab es
der Frau und sagte den Angehörigen, sie müssten sich
keine Sorgen mehr machen
- die Patientin werde mit Sicherheit ganz schnell gesund werden.
Einige Stunden später starb die alte Frau, wie es die
Angehörigen erwartet
hatten, und das Dorf begann mit den Trauerritualen.
Die deutsche Ärztin war verzweifelt und schockiert. Lange
suchte sie nach dem
Fehler, der sie in dieser schwierigen Situation scheitern
ließ, aber sie war
sicher, die richtige Diagnose gestellt und nach den Regeln ihrer Kunst
behandelt
zu haben. Warum also musste die Frau in jener Nacht sterben?
Erst ein Jahr später, nach der Erfahrung mit der wunderbaren
Heilung des Mädchens
im Tiefland, fast 1000 Kilometer von jenem Dorf in den Anden entfernt,
begann
sie zu begreifen, dass sie schon damals Zeugin einer besonderen Macht
geworden
war: der Macht des Bewusstseins. Schon immer waren in den Hochebenen
Perus
Menschen gestorben, die an dieser Krankheit litten, allen Hoffnungen
zum Trotz.
Die Angehörigen im Krankenbett und alle Besucher glaubten tief
in ihrem
Inneren, dass es keine Rettung gab. Auch die Patientin selbst war sich
über ihr
Schicksal im Klaren und hatte begonnen loszulassen, den Kampf um das
Leben
aufzugeben. Die Sterbende und ihre Freunde und Verwandten waren im
Einklang mit
ihrer Tradition und ihrem alten Wissen vom Leben und von Tod. Gegen
diesen
tiefen Glauben konnte die Fremde aus Europa nichts ausrichten. Ihre
medizinische
Kunst war im Angesicht dieses kollektiven Wissens ohne Bedeutung.
Der Körper der Patientin folgte der Botschaft des Bewusstseins
und zog die
Abwehrkräfte zurück. In diesem Moment verlor auch das
Medikament aus dem
Westen seine Macht, die es in Jahren intensiver Forschung gewonnen
hatte: Wenn
das Bewusstsein die Heilung verweigert, weil es sie nicht für
möglich hält,
sind äußere Eingriffe in die Chemie des
Körpers offenbar ohne Bedeutung. Die
Patientin starb friedlich, wie sie selbst und alle anderen es erwartet
hatten.
Die moderne Medizin kann sich mit der Macht des Bewusstseins nur schwer
abfinden. Seit meiner Begegnung mit dieser deutschen Ärztin
sind mehr als 30
Jahre vergangen, aber noch immer liegen die Vertreter einer
mechanistischen
Medizin mit jenen Ärzten im Streit, die sich in das
unüberschaubare
Grenzgebiet von
Körper und Seele wagen. In diesen Regionen
aber könnte sich
die Lösung des Rätsels verbergen, denn dort sind die
Forscher geheimnisvollen
Mechanismen auf der Spur, die unfassbar erscheinende Wunder ebenso
möglich
machen wie tragische Niederlagen.
Die grundlegende Frage, um deren Lösung sich alle
bemühen, steht seit
Menschengedenken fest: Was ist die Kraft, die Kranke gesund macht, die
Leben
verlängert und den Tod hinauszögert?
Was ist der Grund, der den einen Menschen auf wunderbare Weise genesen,
den
anderen sterben lässt? Wo liegt die verborgene Quelle der
Heilung?