Veljko Barbieri: "Epitaph eines königlichen Feinschmeckers"


Ein königliches Gericht ist eine stete Versuchung

Schließlich beugte er sich über mich, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen.
"Wie kommen Sie auf diese absurden Ideen?"
"Welche Ideen?"
"Ich meine das Kochen und all das andere ..."
"Ich weiß nicht. Es macht mir einfach Spaß.
Ich vertreibe mir damit die Zeit und fühle mich nicht so einsam."

(Seite 26)

In einer unbekannten Diktatur kommt der Verfasser des Tagebuchs mit dem Gesetz, vor allem mit den Gesetzeshütern, in Konflikt. Ihm wird vorgeworfen, unmäßig und ausschweifend zu kochen und zu genussvoll zu essen. In immer kürzeren Abständen sucht der "Chef", der auf ihn abgestellte Staatspolizist, den Feinschmecker und leidenschaftlichen Koch auf, mahnt ihn anfangs jovial ab und verhaftet ihn schließlich wegen Völlerei. Der Verweis auf Gesetze und staatlich oktroyierte Moral, die Zuteilung von normierten Konserven und das schrittweise gegen ihn verhängte Einkaufsverbot in Lebensmittelhandlungen sind streng, doch ohne nachvollziehbare und objektive Grundlage.

Kurzfristigen Trost findet er in der Lektüre und im Zwiegespräch mit Marcus Gavius Apicius, dem römischen Schlemmer und Autor des bekanntesten antiken Kochbuchs. Der Handlungsspielraum des Bedrängten, seine Bewegungsfreiheit, schränkt sich ein, die Lebensumstände und zwangsweise verordnete Konserven treiben ihn in die Fänge von Schwarzhändlern und Spitzeln und schließlich in den Tod. Der Kurzroman besteht aus seinen postumen Aufzeichnungen.

Der in Kroatien sehr populäre Autor Veljko Barbieri, geboren 1950 in Split, schreibt selbst gastronomische Beiträge und Restaurantkritiken für kroatische Medien. In seinem Stil mischen sich die beiden gegensätzlichen Strömungen des Buches: wo es um das Gesetz und Vorschriften geht, bleibt er meist nüchtern und sachlich; sobald der kulinarische Delinquent auf das Essen und gastronomische Erlebnisse zu sprechen kommt, frischt er sich auf und erblüht ins Schwärmerische.

Die Machtdemonstration und die unschlüssige, aber unantastbare Argumentation der allgegenwärtigen Obrigkeit, die Aussichtlosigkeit des persönlichen Schicksals erinnern stark an Kafkas "Prozeß" und natürlich an andere literarische Utopien wie z.B. "1984". Die Lust an der eigenen Lebensgestaltung bringt die Protagonisten in eine Situation, in der es kein "richtig" oder "falsch" gibt, da sich das gesellschaftliche und politische Umfeld außerhalb jeder nachvollziehbaren Moral stellt. Ja, jeder Versuch, die Vorschriften zu verstehen - an statt sie blind zu befolgen - ist schon verdächtig.

Das Buch "Epitaph eines königlichen Feinschmeckers" fasziniert durch seine satirischen und häufig auch grotesken Züge und ist ein lesenswertes Plädoyer für die Lebenskunst, den Genuss und die Freude an einer individuellen Lebensweise.

(Wolfgang Moser; 06/2008)


Veljko Barbieri: "Epitaph eines königlichen Feinschmeckers"
(Originaltitel "Epitaf carskog gurmana")
Aus dem Kroatischen von Barbara Antowiak.
Wieser Verlag, 2008. 161 Seiten.
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