Veljko Barbieri: "Epitaph eines königlichen Feinschmeckers"
Ein königliches Gericht ist eine stete Versuchung
Schließlich beugte er
sich über mich, als wäre ich nicht ganz bei Sinnen. |
In einer unbekannten Diktatur kommt der Verfasser des Tagebuchs mit dem Gesetz, vor allem mit den Gesetzeshütern, in Konflikt. Ihm wird vorgeworfen, unmäßig und ausschweifend zu kochen und zu genussvoll zu essen. In immer kürzeren Abständen sucht der "Chef", der auf ihn abgestellte Staatspolizist, den Feinschmecker und leidenschaftlichen Koch auf, mahnt ihn anfangs jovial ab und verhaftet ihn schließlich wegen Völlerei. Der Verweis auf Gesetze und staatlich oktroyierte Moral, die Zuteilung von normierten Konserven und das schrittweise gegen ihn verhängte Einkaufsverbot in Lebensmittelhandlungen sind streng, doch ohne nachvollziehbare und objektive Grundlage. |
Kurzfristigen
Trost findet er in
der Lektüre und im Zwiegespräch mit Marcus Gavius
Apicius, dem römischen
Schlemmer und Autor des bekanntesten antiken Kochbuchs. Der
Handlungsspielraum
des Bedrängten, seine Bewegungsfreiheit, schränkt
sich ein, die Lebensumstände
und zwangsweise verordnete Konserven treiben ihn in die Fänge
von Schwarzhändlern
und Spitzeln und schließlich in den Tod. Der Kurzroman
besteht aus seinen
postumen Aufzeichnungen.
Der in Kroatien sehr populäre Autor Veljko Barbieri, geboren
1950 in Split,
schreibt selbst gastronomische Beiträge und Restaurantkritiken
für kroatische
Medien. In seinem Stil mischen sich die beiden gegensätzlichen
Strömungen des
Buches: wo es um das Gesetz und Vorschriften geht, bleibt er meist
nüchtern und
sachlich; sobald der kulinarische Delinquent auf das Essen und
gastronomische
Erlebnisse zu sprechen kommt, frischt er sich auf und erblüht
ins Schwärmerische.
Die Machtdemonstration und die unschlüssige, aber unantastbare
Argumentation
der allgegenwärtigen Obrigkeit, die Aussichtlosigkeit des
persönlichen
Schicksals erinnern stark an
Kafkas "Prozeß" und
natürlich an andere
literarische Utopien wie z.B.
"1984". Die Lust an der eigenen
Lebensgestaltung bringt die Protagonisten in eine Situation, in der es
kein
"richtig" oder "falsch" gibt, da sich das gesellschaftliche
und politische Umfeld außerhalb jeder nachvollziehbaren Moral
stellt. Ja, jeder
Versuch, die Vorschriften zu verstehen - an statt sie blind zu befolgen
- ist
schon verdächtig.
Das Buch "Epitaph eines königlichen
Feinschmeckers" fasziniert
durch
seine satirischen und häufig auch grotesken Züge und
ist ein lesenswertes Plädoyer
für die Lebenskunst, den Genuss und die Freude an einer
individuellen
Lebensweise.
(Wolfgang Moser; 06/2008)
Veljko
Barbieri: "Epitaph eines königlichen
Feinschmeckers"
(Originaltitel "Epitaf carskog gurmana")
Aus dem Kroatischen von Barbara Antowiak.
Wieser Verlag, 2008. 161 Seiten.
Buch
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