Peter Winterhoff-Spurk: "Unternehmen Babylon"

Wie die Globalisierung die Seele gefährdet


Der Journalist Klaus Werner-Lobo hat im Herbst 2008 bei Hanser ein Buch für Jugendliche mit dem Titel "Uns gehört die Welt!" veröffentlicht, in dem er versucht, jungen Lesern die Globalisierung zu erklären, ihnen zu zeigen, warum die Welt so eingerichtet ist, wie sie ist, und sie dazu einlädt, auch einmal über den Tellerrand hinauszuschauen sowie nach anderen Möglichkeiten des eigenen Handelns und Lebens zu suchen. Es lohne sich, sich für diese Welt einzusetzen, so sein Appell an die jugendlichen Leser, dafür zu kämpfen, dass sie erhalten bleibt und dass es etwas gerechter auf ihr zugeht.

Peter Winterhoff-Spurk, der Autor des gegenständlich besprochenen Buches, richtet sich mit "Unternehmen Babylon" an die erwachsene Leserschaft, an Menschen, die sich für die Zusammenhänge in dieser Welt interessieren, Menschen, die am eigenen Leib oder als Therapeuten, Seelsorger und Berater an den Seelen ihrer Klienten spüren, was die gegenwärtige weltwirtschaftliche Lage mit dem Leben der Individuen macht.

Der Autor ist selbst Psychologe und lehrt Medien- und Organisationspsychologie an der Universität Saarbrücken. Seit langem schon beobachtet nicht nur er, wie sich die Stimmung und die Lage in Deutschland verändern:
"Ja, es knistert im sozialen Fundament unsere Gesellschaft. Aber was genau geschieht eigentlich, und welche Auswirkungen hat das alles auf das Seelenleben und das Verhalten der Menschen? Der Grundgedanke des Buches: Es ist die Globalisierung, vor allem die Globalisierung ökonomischer Prozesse als Realisierung neoliberaler Wirtschaftstheorie und einer im Wesentlichen auf die Maximierung des 'shareholder value' gerichteten Unternehmenspolitik. Sie verändert unsere soziale Welt und zeigt sich im Leben nahezu jedes Einzelnen."

Und während er über dieses Phänomen nachdenkt, taucht in seinem Kopf jenes alte Bild auf, das für unseren Kulturkreis so etwas wie der Prototyp geworden ist: die alte biblische Geschichte aus Genesis 11, der Turmbau zu Babel, als die Menschen schon damals hoch hinaus wollten, so sein wollten wie Gott, sagt die Bibel, und am Ende in alle Winde zerstreut wurden und keine gemeinsame Sprache mehr sprachen. Auch wenn viele Zeitgenossen diesen alten literarischen und religiösen Mythos nicht mehr genau kennen, und vor allen Dingen nicht mehr wissen, dass die neutestamentliche Pfingstgeschichte sozusagen die Antwort und das göttliche Lösungsangebot für dieses Dilemma ist, alle kennen aus irgendeiner Abbildung jenes berühmt gewordene Bild des Flamen Pieter Bruegel. 1563 hat er es gemalt und in den Jahren danach etwa 200 Nachahmer gefunden.

Das Bild ziert den Buchumschlag, und das nicht nur, um die Leser zusammen mit dem Titel "Unternehmen Babylon" anzulocken. Sondern der Autor interpretiert über das ganze Buch hinweg dieses Bild, das Pieter Bruegel, so die These von Winterhoff-Spurk, als Beschreibung und gleichzeitige Kritik der Gesellschaft in den Niederlanden, in der er lebte, gemalt hat.

Die Niederlande des 16. Jahrhunderts erlebten auf ihre Art eine "Globalisierung" und eine Wirtschaftsrevolution unvorstellbaren Ausmaßes, wie der Autor sie in seinem ersten Kapitel beschreibt und mit dem Bild Bruegels in Zusammenhang bringt. "Darin ist so vieles zu finden, was die Menschen auch in unseren Tagen beschäftigt: Ängste, Kritik an den Mächtigen, die Suche nach Alternativen."

Je länger sich der Autor mit dem Bild beschäftigte, desto augenfälliger wurde es, und schließlich gaben die einzelnen Teile des "Turmbaus zu Babel" die Gliederung für sein Buch vor. Er beschreibt die abgebildeten Personen, ihre Funktionen und Rollen damals und zieht dann die Parallelen. So lädt ihn etwa die Person des unauffälligen Priesters, der im Gefolge des auftretenden Herrschers im linken Vordergrund des Bildes abgebildet ist, ein, über die theoretischen Grundlagen der Globalisierung zu schreiben, indem er unter Anderem das Finanzsystem einer harschen Kritik unterzieht und dabei fast prophetisch war, wenn man sieht, was im September 2008 in den Vereinigten Staaten von Amerika und anderen Teilen der Welt geschehen ist.

Der Autor beschreibt in weiteren Kapiteln das Verhalten der Arbeitnehmer, das von Gier und Habgier zerfressene Verhalten der Manager, unterzieht die Rolle der Medien in diesem Prozess einer scharfen Analyse und beschäftigt sich dann mit den immensen sozialen Folgen.

Ein neuer sozialer Charakter sei entstanden, den er als Psychologe genau beschreibt und sich vor allem für die seelischen Folgen interessiert. Die Ergebnisse sind alarmierend, und der Autor ist auch nicht gerade optimistisch:
"So wichtig die Rolle der Gebildeten und anderen Werteliten aus Literatur, Kirchen, Wissenschaft und Kunst auch ist, alleine von ihnen hängt die Veränderung von Gesellschaften sicher nicht ab. Was in der Mediengesellschaft viel eher passieren wird, ist das Auftreten eines charismatischen Politikers als Führer einer identitätsstiftenden politischen Gruppierung ... Die Gruppe und der Führer versprechen, was den Menschen fehlt: Bindung und Gerechtigkeit. Die Mittel: eine symbolträchtige, hoch emotionalisierte Sprache, die Einteilung der Welt in 'gut' und 'böse', Heilsversprechen, gemeinsame Zeichen und Rituale."

Das, was Umberto Eco einmal den "Urfaschismus" genannt hat, kann, das ist auch die Überzeugung des Rezensenten, jederzeit in der unschuldigsten Verkleidung wieder auftreten. Vorformen davon erleben wir in fast allen westlichen Ländern zur Zeit, ausgeprägtere in den Linksdiktaturen in Lateinamerika etwa.

Der Zusammenbruch des gesamten Finanzsystems in den letzten Wochen hat eine solche Entwicklung auch in Deutschland nicht unwahrscheinlicher gemacht. Die Zerstreuung und Sprachverwirrung, die in Genesis 11 beschrieben wird, allenthalben ist sie spürbar.

Ob die Menschen wohl irgendwann wieder fähig sind, über "Pfingsten" nachzudenken, jene totale Umwälzung des eigenen Lebens und der Seele, die das Neue Testament als Antwort auf "Babylon" anbietet?

(Winfried Stanzick; 10/2008)


Peter Winterhoff-Spurk: "Unternehmen Babylon. Wie die Globalisierung die Seele gefährdet"
Klett-Cotta, 2008. 280 Seiten.
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Peter Winterhoff-Spurk ist Professor für Psychologie und Leiter der Arbeitseinheit für Medien- und Organisationspsychologie an der Universität des Saarlandes in Saarbrücken.

Ein weiteres Buch des Autors:

"Kalte Herzen. Wie das Fernsehen unseren Charakter formt"

Wir leben in Zeiten eines schleichenden Wandels der Gefühlskultur. Das Fernsehen ist der mächtigste Lieferant sozialer Botschaften und Vorbilder, den es je gab, und wird zum heimlichen Erzieher eines neuen Sozialcharakters. Schamgrenzen sinken, öffentliche und private Gefühlsdarstellungen haben Konjunktur. Die einzelnen verändern sich - und das hat Folgen für die gesamte Gesellschaft.
Das tägliche Fernsehprogramm mit seinen Unterhaltungsgesprächsrunden, Nachrichten, Seifenopern verrät es: Überall nimmt ein neuer Leittypus Gestalt an. Seine Gefühlswelt ist gekennzeichnet durch andauerndes Verlangen nach Aufregung, Oberflächlichkeit und theatralischer Inszenierung, in der Gefühle lediglich dargestellt, aber nicht wirklich empfunden werden. In einer subtilen Betrachtung werden die Hintergründe ausgeleuchtet, vor denen das Fernsehen dieses neue Normalitätsmodell in Szene setzt. Und es werden die fatalen Folgen aufgezeigt, den dieser medial modulierte Sozialtypus für die Politik, das Berufsleben, ja bis in die intimen Verästelungen der Familie hat.
Winterhoff-Spurk benennt die Ursachen für den gesellschaftlichen Wandel und appelliert, den suggestiven Schleichwegen des "heimlichen Erziehers" Fernsehen endlich etwas entgegenzusetzen. (Klett-Cotta)
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Leseprobe:

Inhalt

Vorwort
1. Bruegels Bild - Antwerpen im Jahr 1563
2. Der unauffällige Priester - Die theoretischen Grundlagen der Globalisierung
3. Das Fenster mit den Hemden - Wie sich Arbeitnehmer verhalten
4. Der dicke Bauverwalter - Wie Manager agieren
5. Pieter der Ältere - Wirtschaft in den Medien
6. Risse im Fundament - Soziale Folgen der Globalisierung
7. Der Steinmetz mit der roten Kappe - Psychische Reaktionen auf gesellschaftliche Veränderungen
8. Der kackende Arbeiter - Ein neuer Sozialcharakter entsteht
9. Nimrod - Die Verehrung der politischen Eliten
10. Der niederländische Envarer - Eigenschaften erfolgreicher Unternehmen
11. Die schlafenden Männer - Vom Lob der Faulheit
12. Dunkle Wolken - Bruegels zweiter Turm Literatur
Verzeichnis der Internetquellen

Vorwort

"Der zivilisatorische Fortschritt gleicht einem hohen weißen Turm, auf dem die menschlichen Errungenschaften gepriesen werden, aber über seiner Spitze hängt drohend eine große dunkle Wolke."
Galbraith, 2004, S. 110 f.

Manchmal habe ich den Eindruck, als würde sich gegenwärtig nicht nur das physikalische, sondern auch das soziale Klima schleichend verändern.

Es sind zunächst scheinbar ja nur Kleinigkeiten: Der Ehemann einer Bekannten verliert seinen Job. Ein anderer kommt nicht mehr zum Stammtisch, weil er irgendwohin versetzt wurde und nun eine Wochenendbeziehung führt. Ein Dritter ist wegen Depressionen in Behandlung, weil er den Anforderungen seiner Arbeit nicht mehr gewachsen ist. Oder die Beziehungen: Die meisten Freunde leben in der zweiten, manche in der dritten Ehe. Viele heiraten gar nicht. Fast alle haben Therapie-Erfahrungen, ob allein oder als Paar. Oder auch dies: Irgendwie hat man den Eindruck, als würden mehr Bettler in den Einkaufsstraßen sitzen als früher. Einer Bekannten wurde das Auto aufgebrochen, ein gar nicht mal teures Autoradio herausgeholt. Politische Themen mag man bei Essenseinladungen schon gar nicht mehr berühren, so viel Verdrossenheit kommt da zum Ausdruck.

Und dann liest man wissenschaftliche Untersuchungen wie die, dass Eheschließungen seltener und später erfolgen, Elternschaft sich zunehmend in die Lebensmitte verlagert. Oder Umfragen, nach denen nur noch 13 % aller Arbeitnehmer eine hohe emotionale Bindung an ihre Firma haben. Oder Veröffentlichungen von Krankenkassen, denen zufolge psychische Erkrankungen an der Spitze der Statistiken zu Berufserkrankungen und Frühverrentungen stehen. Und schließlich Forschungsergebnisse, die zeigen, dass rund ein Viertel aller Bundesbürger rechtspopulistische Meinungen vertreten.

Ja, es knistert im sozialen Fundament unserer Gesellschaft. Aber was genau geschieht da eigentlich und welche Auswirkungen hat das alles auf das Seelen leben und das Verhalten der Menschen? Der Grundgedanke dieses Buches: Es ist die Globalisierung, vor allem die Globalisierung ökonomischer Prozesse als Realisierung neoliberaler Wirtschaftstheorie und einer im Wesentlichen auf die Maximierung des "shareholder value" gerichteten Unternehmenspolitik. Sie verändert unsere soziale Welt und zeigt sich im Leben nahezu jedes Einzelnen.

Keine Frage, gesellschaftlicher und ökonomischer Wandel sind so alt wie die Gesellschaft selbst. Und schon immer haben sich die Menschen darum bemüht, ihnen künstlerischen oder literarischen Ausdruck zu geben. Für unseren Kulturkreis ist die Geschichte vom Turm zu Babel dafür so etwas wie der Prototyp, drückt sie doch die Befürchtung aus: Wenn der Mensch zu hoch hinaus will, zerfällt die Gemeinschaft.

Bis heute ist dieses Bild in unseren Köpfen, wohl auch deswegen, weil ein Maler es so besonders eindringlich dargestellt hat: Der Flame Pieter Bruegel. Sein Bild, 1563 entstanden, hat eine wahre Flut von Babelturm-Bildern ausgelöst, rund 200 sollen es sein. Die Zeiten waren danach. Dieses Bild wollte ich von Anfang an auf dem Umschlag dieses Buches haben. Nur deswegen habe ich mich zunächst mit ihm und seinem Maler beschäftigt. Dabei ist etwas Wunderbares passiert: Es hat mich in seinen Bann gezogen. Zuerst ist mir deutlich geworden, dass Bruegel es in Zeiten gemalt hat, die den unseren ähnlich sind. Auch er erlebte gewaltige soziale und ökonomische Umbrüche, mit allen gravierenden Folgen für das Zusammenleben. Dann habe ich gemerkt: Die Diagnose, die damit verbundenen Ängste, aber auch die Appelle an die Mächtigen - alles das steckt in diesem einzigartigen Bild. So lässt sich die Interpretation des Bruegel-Turms auch als Rahmen für ein Buch über die psychischen und sozialen Auswirkungen der ökonomischen Globalisierung unserer Tage verwenden. Aber es ist auch eine Warnung: Auch zu Bruegels Zeiten fing die ökonomische Modernisierung schleichend an. Eine neue Oberschicht entwickelte sich, aber auch neue Armut. Der Calvinismus entwickelte sich als theologische Rechtfertigung des Reichtums, andererseits forderten die Wiedertäufer eine andere Verteilung von Besitz und Einkommen. Dass die Mächtigen auf diese Veränderungen mit einer blutigen Militärdiktatur reagiert haben, führte schließlich zum 80-jährigen Freiheitskampf der Niederlande. Auch der biblische Mythos geht nicht gut aus: "Also zerstreute sie der Herr von dort über die ganze Erde, und sie ließen ab, ihre Stadt zu bauen" (1. Mose 11, Vers 8). Hier wie da ist die Botschaft: Sozioökonomischer Wandel kann auch schief gehen, wenn er nicht richtig gestaltet wird. Heute kommt hinzu: Die Gestaltung des Wandels ist eine Aufgabe aller Bürger, das kann und darf nicht den politischen und ökonomischen Eliten allein überlassen werden. (...)

2. Der unauffällige Priester - Die theoretischen Grundlagen der Globalisierung

"In einer Marktwirtschaft, die die Rechte des Privateigentums hochhält, besteht die einzige Verantwortung des Wirtschaftens darin, Shareholder Value zu schaffen."
Rappaport, 1999, S. 6

Ein genauerer Blick auf das Bild von Pieter Bruegel: Im Vordergrund links tritt ein Herrscher mit Gefolge unter eine Gruppe von Steinmetzen. Wir vermuten: Es soll der sagenhafte Erbauer des Turms, König Nimrod, sein. Um ihn herum drei auffällige Charaktere: Links von ihm und auf ihn einsprechend ein dicker Mann mit einem blauen Mantel - vermutlich der Bauverwalter. Vom Betrachter aus links, aber rechts hinter dem König ein bewaffneter junger Mann in einem gelben Gewand mit roten Stulpenstiefeln. Wir werden beiden noch begegnen. Und schließlich die Figur, um die es hier gehen soll: der unauffällige Mann hinter Nimrod. Ein langes, graues, schlichtes Gewand hat er an, einen schwarzen Gürtel trägt er und den Kopf schützt eine Haube. Sein Gesichtsausdruck? Nachdenklich und besorgt schaut er ins Weite. Keine Waffe, ein schlichtes Gewand - ein Priester muss es sein. Was will Bruegel mit dieser Figur sagen? Warum malt er sie hinter den König?

Zur Erinnerung: Die Stadt, die Technologie, die Bauern, die Handwerker - alles zeigt, dass dieses Bild als eine aktuelle gesellschaftspolitische Aussage Bruegels gemeint ist. Allerdings waren solche Aussagen über den seinerzeit über die Niederlande herrschenden König Philipp II. für den Maler ebenso wie für den Käufer des Bildes nicht ganz ungefährlich. Also versetzt der Maler das Geschehen in die biblischen Zeiten des Turmbaus. Wenn dem so ist, dann stellt aber auch die graue Figur hinter dem König aller Wahrscheinlichkeit nach nicht nur irgendeinen babylonischen Priester dar, vielmehr wird es wohl einen Bezug zur Situation der Kirche im Entstehungsjahr des Bildes geben. Gekleidet ist der Priester in ein bescheidenes graues Gewand - könnten damit die "grauen Mönche", die Zisterzienser, gemeint sein?

Dieser Orden wurde 1098 in Frankreich gegründet, als Gründerväter werden Robert von Molesmes , Alberich von Cîteaux und Stephan Harding angesehen (Eberl , 2002). Der bekannteste Vertreter des Ordens ist wohl Bernhard von Clairvaux , der 1113 in den Orden eintrat. Streng nach den Regeln des Heiligen Benedikts wollten sie leben: brüderlich, fleißig und einfach. Letzteres sah man an ihrer Kleidung, sie bestand aus grauer, ungefärbter und kratzender Wolle und einem schwarzen Gürtel - dem Zingulum. Ihre Klöster bauten sie vorzugsweise am Wasser, entfalteten eine rege Kolonisationstätigkeit. So gründeten sie landwirtschaftliche Musterbetriebe, bauten Obst und Wein an, züchteten Fische, Bienen und Pferde, betrieben Bergbau und Wollhandel, stellten Baumaterialien und Glas her und boten bankähnliche Einlagengeschäfte an. Wo sie hinkamen, erblühte das Wirtschaftsleben. "Die Gründe des wirtschaftlichen Erfolgs der Mönche", schreibt Eberl (2002, S. 255), "lagen im Ideal der Arbeit, ihrer asketischen Lebensweise, ihrer Organisationsfähigkeit und dem planmäßigen Aufbau des gesamten Wirtschaftsbereichs". Ist das die Botschaft Bruegels für den König?

So interessant diese Interpretation sein mag, was hat sie mit der Globalisierung heute zu tun? Das Verbindende ist: Welterklärung. Zu Bruegels Zeiten hatte die Religion die Aufgabe, eine für alle Mitglieder der Gesellschaft verbindliche Erklärung der Welt und, daraus abgeleitet, der Prinzipien ethischen und ökonomischen Handelns zu liefern. Nicht zuletzt darum tobte der Kampf in den Spanischen Niederlanden. Dogmatischer und undogmatischer Katholizismus, die Varianten des Protestantismus, die Wiedertäufer, sie allesamt waren ja konkurrierende Welterklärungen mit deutlich unterschiedlichen Folgen für das alltägliche Miteinander. Damit zurück zu jenem Priester. Er steht für eine Berufsgruppe, die damals Beschreibungen und Erklärungen der Welt lieferte. Fragen wir also jetzt seine modernen Nachkommen, die Wissenschaftler: Was ist das eigentlich, Globalisierung?

Und schon geht es los mit den Problemen: Wer sind denn die zuständigen Nach kommen jenes Zisterziensers auf dem Bruegelschen Bild? Psychologen doch wohl eher nicht. Macht sich dieser "Orden" anheischig, das Problem erklären zu wollen, gerät er schnell in den Verdacht, als nicht sachkundig zu gelten oder - schlimmer noch - es wirklich nicht zu sein. Wir sind für andere Dinge zuständig, menschliches Seelenleben, und begnügen uns oft genug mit dieser mikroanalytischen Perspektive. Der Mensch der Psychologie nimmt wahr, denkt, fühlt und agiert, aber dies tut er meistens allein, allenfalls noch in Gruppen und nur höchst selten in historischen, kulturellen, soziologischen oder ökonomischen Zusammenhängen. Ist ja auch schwierig, gleichwohl grundverkehrt: Denn nahezu alles menschliche Verhalten findet in den genannten Kontexten statt, hat sich in ihnen, onto- und phylogenetisch gesehen, entwickelt. Also muss eigentlich auch der Psychologe verstehen, was Globalisierung bedeutet. Wie soll er sonst deren Auswirkungen auf menschliches Verhalten und Erleben beurteilen, ja, gegebenenfalls auch warnen und raten können? Schließlich geht es um die Gestaltung unserer wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Zukunft. Riskieren wir es also und versuchen wir eine Antwort auf die Frage: Was ist Globalisierung?

Zunächst ein anschauliches Bild: Globalisierung ist die "... Vereinigung der Pfützen, Teiche, Seen und Meere von dörflichen, provinziellen, regionalen und nationalen Wirtschaften zu einem einzigen globalen Wirtschaftsozean ..." (Luttwak, zit. nach Martin & Schumann, 1997, S. 37). Wer würde da nicht an idyllische Kreuzfahrten im Sonnenschein denken, aber das Zitat geht so weiter: "... der die kleinen Bereiche riesigen Wogen wirtschaftlichen Wettbewerbs statt wie früher nur kleinen Wellen und ruhigen Gezeiten aussetzt". Natürlich ist das nur eine Metapher, man könnte auch andere wählen. Globalisierung ist wie ein Garten im Frühling: Erst blühen nur wenige, frühe Blumen, sehnsüchtig erwartet von den Bienen, dann kommen immer mehr, bis schließlich eine ganze Wiese blüht und die Bienen fleißig hinundherfliegen, damit wir alle im Sommer wieder frischen Honig haben. Oder so: Globalisierung ist wie ein Lavastrom. Einzelne Abflüsse finden zusammen, bilden größere Ströme, bevor sie - alles vernichtend, was ihnen in den Weg kommt - ins Meer fließen. Mal idyllisch, mal bedrohlich - das Bild bestimmt, was man über den Prozess denkt.

Die französische Zeitschrift Le Monde diplomatique sieht das nüchterner. In einem von ihr herausgegebenen Atlas der Globalisierung (2005) listet sie auf, was Globalisierung konkret bedeutet: Vernetzung der Welt durch Datenautobahnen, weltweites Wachstum des Güter- und Personenverkehrs, Weltmarkt der Medien, dramatische Zunahme des Massentourismus, gewaltiges Ansteigen der weltumspannenden Handelsströme, rasches Wachstum multinationaler Unternehmen, rasantes Anwachsen der internationalen Finanzmärkte, Bedeutungszuwachs für internationale Organisationen, Anwachsen der Migrationsbewegungen, Konzentration der Weltbevölkerung in metropolitanen Großregionen, weltumspannende Umweltveränderungen und -katastrophen, weltweiter Terrorismus, Bildungswachstum, weltweite Demokratisierungsbewegungen. (...)

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