Tiziano Terzani: "Asien, mein Leben"
Die großen Reportagen
Herausgegeben von Angela Terzani und Dieter Wild
Ein prächtiges weißes Pferd
Monatelang hielt sich im Jahr 2007 ein Buch auf den Verkaufsbestenlisten, in dem
der "Grand Voyageur" seinem Sohn Folco in Interviews "die
lange Reise seines Lebens" zu Protokoll gab. Gemeint ist "Das Ende
ist mein Anfang" des im Juli 2004 verstorbenen Journalisten Tiziano Terzani.
Diese Reise beschloss er nach eigenen Worten glücklich bzw. setzte sie vielmehr
nach seinem Tod fort.
Zu Lebzeiten reiste er ebenfalls sehr viel. 25
seiner 65 Lebensjahre - sie zählten zweifelsohne zu seinen produktivsten -
verbrachte der italienische Intellektuelle, der u. a. für den "Spiegel"
arbeitete - in Ost-, Südost- und schließlich in Südasien. Unzählige
Reportagen schrieb Terzani für das Magazin aus diesen Ländern. Einen Auszug
davon haben die Herausgeber (Terzanis Ehefrau Angela und Dieter Wild) in diesem
Buch zusammengestellt.
"Sie zeigen einen detailgenauen Erzähler, zugleich einen
unbestechlichen politischen Analytiker, der sich vom Augenschein nicht täuschen
lässt", schreibt Dieter Wild, der selbst viele Jahre für den "Spiegel"
arbeitete und der seinen Freund Terzani in viele Länder begleitete. "Begnadet
wie wenige, nüchtern, aber doch engagiert, gleicht er das Gesehene mit der
Doktrin ab - der eigenen wie jener der beobachteten Menschen. Manche dieser
Reportagen, nie ideologisch und maniriert, ähneln im Stil den Erzählungen des
großen Vorbildes Edgar Snow über Mao Tse-tung."
Unbändige Abenteuerlust und eine schier unersättliche Neugier trieben den fünf
Sprachen sprechenden Terzani. Jeder Winkel musste erkundet werden, um auch die
dunkelste Ecke seinem Leser zu beleuchten. Er war ein begnadeter Erzähler, der
- so Dieter Wild - sich daran labte, ganze Abendgesellschaften zu unterhalten
und unter Spannung zu setzen. Ständig war er in Bewegung und auf Reisen. "Reisen",
schreibt Terzani, "die Freude eines ganzen Lebens. Ein Jugendtraum, der
zum Beruf wurde, zu einer Lebensweise. Immer gleich und doch wieder
anders." Diese Aussage spiegelt sich auch in seinen Reportagen wider,
die im vorliegenden Buch dem Leser einen gelungenen Einblick geben.
Unbändige Abenteuerlust und eine schier unersättliche Neugier
Derweil war Terzani kein Reiseschriftsteller, sondern politischer Journalist.
Aber seine Berichte sind trotzdem keine nüchternen Abhandlungen, sondern
enthalten vielfach wundervolle Stimmungsbilder seiner Umgebung, etwa über die Wüste
Gobi: "Flach, trocken, beängstigend. Unter wolkenlosem Himmel in der
flimmernden Hitze reicht die endlose Sand- und Kiesfläche bis hinter den
Horizont. Sie übersteigt die Fantasie. Tagelang kann man in jede beliebige
Richtung gehen, ohne etwas anderes als die eigene Endlichkeit zu treffen, in
einer völlig leeren Mondlandschaft. Die Uiguren nennen diese Landschaft 'Takla
Makan'", was so viel bedeutet wie 'Man geht hinein und kommt nie wieder
heraus.'"
Die im Buch versammelten Reportagen decken den Zeitraum von 1975 bis 1996 ab.
Terzani berichtet vom Sieg der Kommunisten aus Vietnam nach dem Rückzug der US-Amerikaner
und von dem enttäuschenden Ergebnis der hochgesteckten Ziele nach zehn Jahren: "Die
Menschen sehen gesund und froh aus, sie sind wohlgekleidet - aber nur auf den
Plakaten. (...) Die Saigoner, keine Zweifel, leben heute schlechter, leiden
unter mehr Inkompetenz und Korruption, haben größere Angst vor der Polizei als
früher."
Äußerst erschütternd ist auch sein Bericht des Genozids am eigenen Volk in
Kambodscha durch Pol Pot und die Roten Khmer. "Ein gelähmtes,
verzweifeltes, gebrochenes Volk von Witwen, Waisen und wenigen noch lebenden
terrorisierten Männern wandert umher, sammelt Stücke seines Unglücks und
sucht den Faden des Lebens wiederaufzunehmen."
Der größte Teil des Buches umfasst Artikel aus dem "Reich der Mitte"
- aus China. Von
1978 bis 1984 lebte und arbeitete Terzani dort, bis er den Machthabern zu
unbequem und ausgewiesen wurde. Er begibt sich in die chinesische Provinz
Sinkiang, ganz im fernen Westen, an der Grenze zur damaligen Sowjetunion,
spricht mit der dort ansässigen muslimischen Minderheit der Uiguren. Er
berichtet von der systematischen Zertrümmerung alter buddhistischer Kultur,
aber auch dem stillem Frieden bei einem "Himmelsbegräbnis"
in Tibet
oder über Misswirtschaft in "Chinas Ruhrgebiet" - der Mandschurei.
Terzani reist nach Qufu, der Geburtsstadt des Philosophen
Konfuzius, oder ist
entsetzt über die kulturelle und städtebauliche Verwüstung Pekings.
Schockierend ist sein Bericht über die schizophrene Ausmaße annehmende
Geburtenkontrolle in China.
Weitere Stationen sind Nordkorea mit Orwells Wirklichkeit gewordenem Alptraum
einer totalitären Gesellschaft, Japan, dessen diszipliniertes, aber verklemmtes
Volk den polyglotten und weltläufigen Journalisten nur noch deprimiert,
Hongkong, die Philippinen, Burma, wo Terzani den Opiumkönig Khun Sa, oder in
Indien Mutter Theresa trifft. Es folgen Sri Lanka und schlussendlich Nepal.
Fazit:
26 Fotos, die Terzani inmitten seines asiatischen Lebensumfeldes zeigen, sowie
zwei Vorworte der beiden Herausgeber runden überaus gelungene, interessante und
brillant geschriebene Reportagen ab. Mit Tiziano Terzani hat der Journalismus "eine
Persönlichkeit jenseits der Normen" (Zitat "Le Monde",
Frankreich) verloren. Dieses Buch erinnert noch einmal an ihn.
(Heike Geilen; 10/2008)
Tiziano Terzani: "Asien, mein Leben. Die großen Reportagen"
Herausgegeben von Angela Terzani und Dieter Wild.
DVA / SPIEGEL, 2008. 350 Seiten.
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Tiziano Terzani wurde 1938 in
Florenz geboren. Ende der 1990er-Jahre zog er
sich für einige Zeit in den Himalaja zurück und veröffentlichte mehrere Bücher.
2004 erlag er einer Krebserkrankung.
Angela Terzani Staude, 1939 von deutschen Eltern in Florenz geboren, hat ihren
Mann Tiziano Terzani an seine Korrespondenten-Einsatzorte in Süd- und Ostasien
begleitet. Über ihr gemeinsames Leben dort veröffentlichte sie "Chinesische
Jahre" (1986) und "Die Erben der Samurai, Japanische Jahre"
(1992).
Dieter Wild ist promovierter Jurist und Historiker.
Weitere Bücher von Tiziano Terzani:
"Spiel mit dem Schicksal"
zur Rezension ...
"Eine Reise zu Asiens Mysterien"
Als ihm ein alter Chinese einen Flugzeugabsturz voraussagt, beginnt für den
umtriebigen Journalisten ein Jahr der Neubegegnung mit einer altvertrauten
Region. Mit allem, was keine Flügel hat, reist er durch Südostasien. Über die
Beschäftigung mit den Geheimnissen der Länder findet er einen intimen Zugang
zur alten, verborgenen Lebensweisheit Asiens. (Goldmann)
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"Das Ende ist mein Anfang"
Tiziano Terzani hat das
Bild von Asien mit geprägt. Das damals noch unzugängliche China kannte er wie
kaum ein anderer westlicher Journalist, im asiatischen Denken war er seit langem
zu Hause. Als nach längerer Krebserkrankung sein Tod naht, lädt der 65-jährige
Terzani seinen Sohn Folco zu sich ein, um Abschied zu nehmen. In einem langen
Zwiegespräch erzählt der Vater dem Sohn von seinem bewegten Leben zwischen
Europa und Asien und von der Auseinandersetzung mit Krankheit und dem Sterben.
Es entspinnt sich ein berührender Dialog über das Leben und die Begegnung mit
dem Tod, über Abschied, Trauer und Verlust, aber auch über Hoffnung und
Wiederkehr. (DVA)
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"In Asien. Mentalität - Kultur - Politik"
Tiziano Terzani berichtet von abenteuerlichen Erlebnissen in Vietnam,
Kambodscha,
Thailand und Birma, von besonderen Ereignissen
in Japan, Südkorea
oder China sowie von bewegenden Begegnungen mit dem
Dalai Lama oder Mutter
Teresa. Wie kaum einem westlichen Betrachter gelingt es Terzani über die Jahre,
die asiatischen Länder und ihre Menschen von innen heraus zu verstehen und dem
Leser näher zu bringen. (Goldmann)
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