Markus Hengstschläger: "Endlich Unendlich: Und wie alt wollen SIE werden?"
Ein
hungriges langes Leben
oder: Ist der Mensch eine reparable "Maschine"?
100, 200, ja vielleicht sogar 500 Jahre leben und dabei auch noch
gesund und
aktiv bleiben! Ist das nicht ein uralter Traum der Menschheit? Der
vielfach
ausgezeichnete Wissenschaftler und Autor Prof. Dr. Markus
Hengstschläger, Österreichs
bekanntester Gen-Forscher und Mitglied des elitären Kreises
der Berater des
Papstes in Wissenschaftsfragen, der "päpstlichen Akademie
für das
Leben", hat sich dieser Möglichkeit in seinem neuesten Werk
"Endlich
unendlich" angenommen. Ein "Rezept" scheint die Wissenschaft
schon gefunden zu haben: Fahren Sie Ihren Stoffwechsel gegen Null, und
Sie leben
länger. Also, ab auf die Couch und ja nicht bewegen. Der
Nachteil: ohne Chipstüte
und Bier bitte schön.
1991 startete in Arizona ein Experiment mit dem Namen "Biosphere
Two",
bei dem unter einer Glaskuppel streng abgeschirmt von der
Außenwelt das Ökosystem
Erde in Miniatur nachgebaut wurde. Hier sollten Testpersonen
(Wissenschaftler)
mehrere Jahre lang nur von dem leben dürfen, was sie selbst in
dieser kleinen
Welt anbauen und ernten. Man wollte herausfinden, ob Menschen in einer
künstlichen
Biosphäre auf fernen Planeten überleben
könnten. Das Ergebnis war
letztendlich ernüchternd. Die Ernte fiel zu mager aus, und die
Menschen in der
Kuppel wurden schon nach kurzer Zeit auf Zwangsdiät gesetzt -
sie hungerten
sogar. Nach zwei Jahren brach man das Experiment ab. Doch eines
überraschte:
Durch die strenge Diät waren die Versuchspersonen zwar stark
abgemagert aber:
Alle erwiesen sich als topfit und kerngesund.
"Wer viel Energie verbraucht, viel atmet etc., produziert in
seinen
Zellen freie Radikale, die ihn in letzter Konsequenz schneller altern
lassen.
Organismen mit einem niedrigen Sauerstoff- und schließlich
Energieverbrauch
(Zersetzung von Nahrung etwa) müssten folglich länger
leben", so
Hengstschläger. Aber ganz so einfach ist die Sache bei Weitem
nicht, auch wenn
im Labor bei Würmern und Mäusen mittels
Kalorienreduktion schon erstaunliche
Ergebnisse in Bezug auf ein längeres und vor allem
leistungsfähigeres Leben
erzielt wurden.
Ein endlich unendlicher Mensch?
Markus Hengstschläger spinnt diesen Gedanken gar noch weiter.
Denn theoretisch
existiert nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen in naher
Zukunft ein
Grenzwert der Lebensspanne des Menschen gar nicht mehr. Altern ist,
nüchtern
betrachtet, nichts Anderes als die Folge von Fehlern, und diese muss
man mittels
Spitzenmedizin beseitigen.
Ist es doch schon heute möglich, für fast jedes nicht
mehr funktionierende
Organ einen adäquaten Ersatz zu bekommen. Doch nicht die
Transplantationsmedizin, als eine der Schlüsseldisziplinen
für den
erfolgreichen Fortschritt moderner Medizin zum Wohle des Menschen, ist
die
Zukunft. Ein anderer Forschungszweig, mit dem geheimnisvollen Namen "Tissue
Engineering", gewinnt immer mehr an Bedeutung: die
Züchtung von Gewebe
im Labor. Was mit Haut- oder Knorpelzüchtungen bereits mehr
oder weniger gut
gelingt, könnte bald auch schon mit anderen menschlichen
"Bauteilen"
wie Knochen, Fettgewebe oder gar ganzen Organen funktionieren. Einen
ersten
Erfolg konnte ein us-amerikanischer Urologe und Stammzellenforscher
bereits mit
einer komplett gezüchteten und voll funktionsfähigen
Harnblase eines Hundes
verzeichnen. Vielleicht steht dem folgenden visionären Motto
bald nichts mehr
im Weg: "Wir sind dem Altern nicht mehr mit Haut und Haaren
ausgeliefert, weil schließlich beides im Labor nachwachsen
kann."
"Hätte man alles verstanden, alles bedacht und alles
unter Kontrolle,
so müsste als Folge daraus der Mensch zu einer
vollständig reparablen Maschine
werden, die man eben bloß in Schuss halten müsste",
schlussfolgert
Hengstschläger. Ein endlich unendlicher Mensch? Nicht nur der
Autor antwortet
hier spontan: "Hoffentlich nie!"
Die Genetik der lebensverlängernden
Maßnahmen
Hengstschläger erklärt in seinem leicht
verständlichen, auch für den Laien
gut nachvollziehbaren Buch die Zusammenhänge zwischen Genetik
und dem Altern.
Er plaudert über den Aufbau, das Leben und die Endlichkeit der
Zellen und der
Chromosomen, erläutert den Nutzen, aber auch den Nachteil von
zu vielen freien
Radikalen und beschreibt den Mechanismus sowie den Sinn des Alterns.
Der
Universitätsprofessor unternimmt einen Abstecher in die
Stammzellenforschung
und erläutert, wie man mit Genen das Alter "austricksen" kann.
Er
diskutiert über die moralischen Aspekte der Genetik, so zum
Beispiel die
Thematik des Klonens. Am Ende geht er auf verschiedenste
"lebensverlängernde
Maßnahmen" ein, die man durchaus heute schon beachten und
"anwenden" kann. Dazu gehören natürlich eine gesunde
Ernährung, der
moderate Genuss von Rotwein, das "optimale" Gewicht, der
"richtige" Schlaf und ein glückliches Leben, also eine
positive
Lebenseinstellung. Auch die Auswirkungen eines unendlichen Lebens auf
unser
Gehirn, ein nicht zu unterschätzender Einfluss, betrachtet
Hengstschläger.
Störend wirkt jedoch seine Vielzahl an eigentlich
bedeutungslosen Einsprengseln
aus seinem ganz privaten Leben. Diese offensichtlich auf einen
humoristischen
Effekt und abwechslungsreiche Unterhaltung zielenden Phrasen und
personifizierten Fragen an den Leser nehmen dem Buch zeitweilig die
wissenschaftliche Tiefgründigkeit und lassen es dann zu einem
"populistischen Spektakel" verblassen. Jedoch gelingt dem Autor im
hinteren Teil des Buches die Rückkehr in seriösere
Bahnen und damit eine
wissenschaftsjournalistisch ansprechendere Vermittlung dieser
hochinteressanten
Thematik. Hier überrascht der Vorzeigewissenschafter sogar des
Öfteren mit überlegenswerten
philosophischen Ansätzen.
Fazit:
Werden wir bald unendlich leben können? In einem leicht
verständlichen,
mitunter jedoch allzu saloppen, rhetorisch überstrapazierten
Ton und störend-ironischen
Humor greift Markus Hengstschläger die biologisch-genetischen
Voraussetzungen
und Zukunftsaussichten des Menschen auf. Letztendlich bewegt er sich
jedoch nur
an der Oberfläche. Ein wenig mehr Tiefe hätte dem
Werk durchaus gut zu Gesicht
gestanden.
(Heike Geilen; 09/2008)
Markus
Hengstschläger: "Endlich Unendlich: Und wie alt
wollen SIE
werden?"
Ecowin Verlag, 2008. 224 Seiten.
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Weitere
Buchtipps:
Sebastian Knell, Marcel Weber (Hrsg.): "Länger leben?
Philosophische und
biowissenschaftliche Perspektiven"
Biowissenschaftler an diversen Orten dieser Welt spekulieren heute
über die zukünftige
Möglichkeit, den Menschen langsamer altern zu lassen, und
suchen nach
praktischen Wegen, die menschliche Lebensspanne erheblich auszudehnen.
Aber wäre
ein längeres Leben wirklich ein besseres Leben? Welche
Auswirkungen hätte dies
für die Gesellschaft im ganzen? Und wie ungerecht
wäre es, wenn lebensverlängernde
Therapien etwa das Privileg Wohlhabender blieben?
Der interdisziplinär angelegte Band bietet erstmals
für das deutschsprachige
Publikum einen Überblick über die zentralen Aspekte
der bisher vor allem in
der angelsächsischen Welt geführten Debatte zum Thema
Lebensverlängerung.
Philosophen, u. a. John Harris, Leon Kass und Peter Singer,
und renommierte
Biowissenschaftler, darunter David Gems und Michael R. Rose,
diskutieren darin
aus unterschiedlichen Perspektiven das Projekt eines radikalen
Anti-Alterns. (Suhrkamp)
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Ferdinand
Cap: "Was ist
Leben? Der Mensch als Wesen der Natur"
Der Autor zeigt auf leicht verständliche Weise, wie das
"Kraftwerk
Mensch" funktioniert und wie Ernährung und Lebensweise das
Altern des
Menschen beeinflussen. Das menschliche Leben ist wohl der
höchste Wert, den die
Natur hervorgebracht hat. Was aber ist das Leben, wie kam es dazu und
warum und
wann geht es zu Ende? Warum lebt der Mensch nicht unendlich lang?
Weshalb kommt es zum natürlichen Alterstod, und was
könnte man tun, um möglichst
lange zu leben? Gesundheit, Leben und Tod können heute
naturwissenschaftlich
voll verstanden werden. Der österreichische
Nobelpreisträger
Erwin
Schrödinger, mit dem der Verfasser einige Zeit
zusammenarbeiten konnte, hat
als Erster die naturwissenschaftlichen Grundlagen für
Leben,
Altern und Sterben
beschrieben. Das vorliegende Buch ist eine Weiterführung und
Vertiefung seiner
Gedanken und schlägt Verhaltensweisen vor, wie man
älter werden kann. (Böhlau
Verlag Wien)
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