Ryunosuke Akutagawa: "Rashomon"
Erzählungen
Die
in diesem Band versammelten Geschichten zeichnen sich nicht nur durch
eine
reiche Bildersprache aus, sondern zeigen auch verschiedene
Entwicklungstendenzen
des Kulturschaffens im frühen 20. Jahrhundert in Japan, die
sich durchaus mit
dem des Kulturschaffens in der
Weimarer Republik Deutschlands
vergleichen
lassen. Die Taisho Demokratie hat das Denken und Fühlen vieler
Menschen stark
beeinflusst, genau wie Erfahrungen mit moderner Kriegsführung.
Ryunosuke
Akutagawa ist einer der einflussreichsten Schriftsteller dieser Zeit in
Japan -
und wohl auch des gesamten 20. Jahrhunderts -, dessen Kurzgeschichten
und Romane
die gesamte nachfolgende Literatur und auch das Kino immens beeinflusst
haben.
Ob man den gleichnamigen Film von Kurosawa betrachtet, (der sich
allerdings in
Wirklichkeit auf eine andere Kurzgeschichte bezieht), spätere
Filme und zum
Teil auch Fernsehserien, Mangas verschiedener Ausprägung oder
auch die Malerei,
vielerorten sieht man Zitate von Ryunosuke Akutagawas Werk, die
durchaus gewollt
sind. Er ist - im besten Sinne des Wortes - das, was man einen
Nationaldichter
nennt.
Die in diesem Buch ausgewählten Geschichten sind etwa in der
Reihenfolge
angeordnet, wie sie ein durchschnittlicher gebildeter Japaner im Laufe
seines
Lebens kennenlernt, von der Erst-Leseerfahrung, über die
Mittelschule bis hin
zur Universität, und die letzten Geschichten, die sehr starke
autobiografische
Bezüge aufweisen, sind sicherlich eher Reflektionen von
Akutagawas Depressionen
als von seiner Umgebung. Sein späterer
Selbstmord zeichnet
sich hier in überaus
verstörender Art und Weise bereits ab. Tatsächlich
wird hier die Melancholie
und Depression, die zum Teil wohl auch erblich bedingt war, deutlich
und auch
immer wieder thematisiert. Sicherlich nicht jedermanns Idee von guter
Unterhaltung.
Aber die anderen Geschichten, welche die japanische Literatur und auch
das
japanische Kino sehr stark beeinflusst haben und dies auch immer noch
tun, sind
durchaus lesenwert und in der Lage, dem Leser bestimmte Aspekte der
modernen
japanischen Kultur zu erschließen.
(K.-G. Beck-Ewerhardy; 03/2008)
Ryunosuke
Akutagawa: "Rashomon.
Erzählungen"
Übersetzt von Jürgen Berndt.
Sammlung Luchterhand, 2001. 457 Seiten.
Buch
bei amazon.de bestellen
Ryunosuke Akutagawa wurde 1892 in Tokyo geboren. Seine Mutter starb, als er noch ein Kind war. Akutagawa wuchs in der traditionsgebundenen Familie seines Onkels auf, der ihn später adoptierte. Sein Studium der englischen Literatur an der kaiserlichen Universität von Tokio beendete Akutagawa 1916 mit der Promotion. Zwei Jahre nach seiner Promotion heiratete er. Mit seiner Frau hatte er drei Söhne. Er war an der Marineingenieurschule in Yokosuka als Englischlehrer tätig, bis er 1919 freier Mitarbeiter der Zeitung "Osaka Mainichi" wurde. Schon als Student veröffentlichte Akutagawa erste Erzählungen. Mit dem Sammelband "Rashomon", der 1917 erschien, setzte er sich international als Schriftsteller durch. Im Alter von fünfunddreißig Jahren nahm sich Akutagawa das Leben. Sein insgesamt zehnbändiges Werk umfasst neben Essays und Lyrik etwa 150 Kurzgeschichten und Novellen. Es verbindet asiatische Traditionen und westliches Gedankengut und hatte einen nachhaltigen Einfluss auf die japanische Literatur.