(...)
Wislawa, eine fromme Katholikin, hatte erleben müssen, daß ihr Glaube
durch eine scheinbar wahre Geschichte zutiefst erschüttert wurde, die ihr
Ehemann erzählt hatte, der sie von seinem Onkel hatte, der sie von einem
vertrauenswürdigen Freund hatte, der den Betreffenden kannte, einen gewissen
Ryszard, der viele Jahre lang persönlicher Chauffeur des Papstes gewesen
war, natürlich
bevor er auf den Heiligen Stuhl gewählt wurde. Als die Zeit
für jene Wahl näher kam, fuhr Ryszard, der Chauffeur, den zukünftigen
Papst durch ganz Europa, ein Europa, das an einem Wendepunkt seiner Geschichte
stand, am Vorabend gewaltiger Veränderungen. Ach, die Kameradschaft der
beiden Männer, die einfachen menschlichen Freuden und Leiden einer so langen
Fahrt! Und dann, als sie den Vatikan erreichten, wurde der Geistliche mit seinen
Kollegen eingesperrt, während der Fahrer wartete. Endlich stieg der weiße
Rauch auf, der Ruf habemus papam erklang, und dann kam ein
Kardinal,
ganz in Rot, eine riesige, breite Freitreppe aus gelben Steinen herab, langsam,
steif, wie ein Darsteller in einem Fellinifilm, und unten an der Treppe wartete
der kleine, stinkende Wagen mit seinem aufgeregten Fahrer. Der Kardinal wischte
sich die Stirn und trat keuchend ans Fahrerfenster, das Ryszard in Erwartung
der Nachricht heruntergekurbelt hatte. Und so konnte der Kardinal die persönliche
Botschaft des neuen, des polnischen Papstes überbringen:
"Sie sind gefeuert."
(...)
(aus
"Wut" von Salman Rushdie;
aus dem Englischen von
Gisela Stege;
Kindler Verlag)