(...)
Mardi Gras ist wild und schnell und heiß vor Sünde.
So schreibt es ein hiesiger Ethnograph, der zu erklären
versucht, warum Mardi Gras nicht einfach Faschingdienstag oder fashing
oder lateinisch carnevale ist. Mardi Gras ist schwarz und
weiß, kreolisch
und cajunisch, prahlend und verbrecherisch. Es riecht nach
Parfüm und Schweiß, nach Whisky und
Urin.
»Einmal im Jahr«, sagt Fred Blaumann und
spießt ein Stück Schnitzel auf, »einmal im
Jahr drehen hier alle Menschen durch.« An der Kathedrale des
heiligen Aloisius sitzen, unter Überziehern, die Jesuskrieger
und dösen. Am Abend vor dem Kampf sammeln sich ihre
Heerscharen von allen Enden Amerikas. Aber noch gewaltiger sind die
Scharen lustiger Vögel, die bereits durch die
Straßen und Bars toben und deren Herzen für alles
offen ist, was kommen wird, für wirklich alles.
Was ist mit deinem Herzen? steht auf dem Plakat, das eine junge Frau in
Schwarz um den Hals gehängt trägt. Wirklich, denkt
Gregor Gradnik, was ist mit meinem Herzen? Und was ist mit dem Herzen
von Irene Anderson, wenn sie ihrem Schriftsteller angeblich nicht ganz
loyal ist?
Ein paar Jesusspäher gehen durch die Royal Street. Die einen
verteilen Flugblätter, die vor dem Verderben warnen, die
anderen sammeln einen betrunkenen Schwarzen auf, der zu früh
schlappgemacht hat. In Rigby's Bar gibt es ein paar neue Frauen. Zwei
langbeinige Blondinen, die einander wie Zwillinge
ähneln, und einen schokoladefarbenen Mischling mit
weißen Zähnen. Bob sitzt zwischen ihnen mit einer
Zigarre und ringebewehrten Fingern, seine tätowierten Muskeln
spannen sich.
Unter dem spanischen Balkon ist Messe. Früher wurde hier
schwarzes Fleisch
aus Afrika verkauft. Jetzt spaziert eine Schöne auf
dem Balkon auf und ab und provoziert mit rotem Lächeln die
schon etwas betrunkene Straße. Auf der anderen
Straßenseite steht mit eisgefrorenem Gesicht eine Soldatin
des Heiligen Heeres. In den Händen hält sie ein
Transparent: Wenige werden gerettet werden. In den Wohnungen ist es
stickig, alle drängen auf die Straßen. Gregor
Gradnik ist am Flußufer, wo ein kühlender Wind weht.
Von der Stadt her kommen Stöße von Musik. Auf der
Bank am Ufer blinkt erstes menschliches Fleisch auf.
Nachts im Schlaf hört er das Heulen der Polizeisirenen. Unter
Heulen und Knirschen öffnet sich das
Tor
zum Höllenschlund. Doch als es ganz offensteht, sind
drinnen glockenhelles Lachen und jungenhaftes Jauchzen zu
hören. Die spanische Schöne vom Balkon
läßt die roten Lippen blubbern und leckt sie sich
unablässig. Ein paar Cowboys jodeln.
(...)
(aus
"Luzifers Lächeln"
von Drago Jancar
Aus dem Slowenischen von Klaus Detlef Olof;
Wieser Verlag 2004)
Drago Jancar, geboren 1948 in Maribor, lebt als Schriftsteller in
Ljubljana/Slowenien. Profilierte Persönlichkeit und
meistübersetzter Autor der zeitgenössischen
slowenischen Literatur. Veröffentlichte zahlreiche
Bücher, Romane, Erzählungen, Dramen. Seine Essays
erscheinen in internationalen Zeitschriften. Er erhielt neben anderen
Auszeichnungen den wichtigsten Literaturpreis Sloweniens
(France-Preseren-Preis), 1994 Preis für
europäische Kurzprosa, Arnsberg.
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