ERSTES
HAUPTSTÜCK.
Abreise - Farth von Plymouth nach Madera -
Beschreibung dieser Insel.
Ubi animus ex multis miseriis atque periculis
requievit, - statui res gestas - perscribere; tamen (hoc) imprimis
arduum
videtur, - quia plerique, quae delicta reprehenderis, malivolentia et
invidia
putant, ubi de magna virtute et gloria bonorum memores, quae sibi
quisque
facilia factu putat, aequo animo accipit; supra ea, veluti ficta, pro
falsis
ducit. SALLUST.
Kaum war das Schiff Endeavour im Jahre
1771 wieder nach England zurückgekommen, als man schon den
Entwurf zu einer
neuen Reise machte, auf welcher die südlichen Gegenden
unsrer Erdkugel
weiter erforscht und untersucht werden sollten.
Zwey tüchtige, starke Schiffe, die Resolution
und die Adventure, wurden zu dem Ende
als Königliche Schiffe vom
sechsten Range (Sloops) ausgerüstet, und
die Capitäne Jacob Cook und
Tobias Furneaux zu Befehlshabern ernannt. Am
eilften Junius erhielten
mein Vater und ich Befehle, diese Reise gleichfalls zu unternehmen, um
Gegenstände
der Naturgeschichte, zu sammlen, zu beschreiben und zu zeichnen. In
möglichster
Geschwindigkeit rüsteten wir uns zu diesem wichtigen Vorhaben,
und schickten
innerhalb neun Tagen alle unsere Reise-Geräthschaft an Bord
der Resolution, welche
damals noch bey Sheerneß lag, am 22 ten
aber schon nach Plymouth abgieng.
Am 26 ten verließen auch wir London, und
kamen, weil wir zu Lande reisten, schon in zween Tagen nach Plymouth,
woselbst
aber unser Schif noch nicht eingetroffen war. Den ersten Julius
verfügten wir
uns am Bord der Jagd Augusta, und machten dem
damaligen Präsidenten
des Admiralitäts-Collegii dem Grafen Sandwich unsre
Aufwartung. Se.
Herrlichkeit (Mylord) glaubten, die Resolution würde
noch denselben Tag
auf der Rheede ankommen, und verlangten, daß wir uns Abends
zwischen fünf und
sechs Uhr an Bord derselben begeben möchten. Allein, zu unsrem
großen Misvergnügen
erschien das Schif nicht, und der Graf verlies Plymouth am
folgenden
Morgen.¹
Frühe am dritten Julius sahen wir die Resolution
auf der Rheede vor Anker, wo sie in voriger Nacht angelangt
war. Kapitain Cook
gedachte, etwa acht bis zehen Tage hier zuzubringen, und
befahl, mitlerweile
in unsern Kajütten noch einige schlechterdings nothwendige
Einrichtungen
zu treffen. Da wir inzwischen keine Gelegenheit zu Erweiterung der
Wissenschaft,
oder zu unsrer Belehrung versäumen wollten, so bedienten wir
uns dieser Zeit,
um die Zinn-Bergwerke in Cornwall zu besuchen, und nachdem wir in den
großen
und reichhaltigen Gruben zu Poldyce und Kenwyn
Vergnügen und
Unterricht gefunden hatten, so kehrten wir am achten Julius nach Plymouth
wieder
zurück.
¹ Dieser Umstand scheint beym ersten Anblick
ziemlich unbedeutend und die Erwähnung desselben
überflüßig zu seyn: Allein
für die Reisenden war er wichtig. Wäre das Schif noch
vor der Abreise des
Grafen Sandwich in Plymouth eingetroffen so
hätte es dieser Herr,
billiger weise, selbst in Augenschein nehmen
müssen, und dann würden
zur Bequemlichkeit und zum Nutzen der Herren Forster in den
Cajütten und andern
Dingen gewisse Einrichtungen getroffen worden seyn, die jetzt, weil
Mylord Sandwich
die Sachen nicht mit eigenen Augen gesehen hatte, entweder
ganz
unterblieben, oder doch nur unvollkommen vorgenommen wurden, und
über deren
Mangel unsre Reisenden, in der Folge, sich mit Recht zu beklagen
hatten. A.
d. V.
(Aus
"Reise um die Welt"
von Georg Forster. Illustriert von eigener Hand.
Mit einem biografischen Essay von Klaus Harpprecht und einem Nachwort
von Frank
Vorpahl.)
Der
Weltumsegler und Forscher,
der Schriftsteller, der Aufklärer, der Revolutionär
Georg Forster ist der
geheime, der verdrängte, der unterschlagene Klassiker der
deutschen Literatur.
Goethe hat den blutjungen Autor des großen Berichts von der
zweiten Weltreise
des Captain
Cook
(1772-1775) bewundert, und er beobachtete sein Geschick bis zum
einsamen Tod in
einer Pariser Dachkammer mit einem beinahe brüderlichen
Interesse, obwohl er
die Ideen des Mitgründers der Rheinischen Republik in Mainz
nicht gutheißen
konnte. Aber wie sollte
Goethe den Kollegen nicht schätzen,
der von seiner
Ankunft am schönsten Gestade der Südsee mit solch
poetischem Elan zu berichten
verstand? "Ein Morgen war's, schöner hat ihn
schwerlich je ein
Dichter beschrieben, an welchem wir die Insel O-Tahiti 2 Meilen vor uns
sahen.
Der Ostwind, unser bisheriger Begleiter, hatte sich gelegt: Ein vom
Lande
wehendes Lüftchen führte uns die erfrischendsten und
herrlichsten Wohlgerüche
entgegen ..."
Als sein bildmächtiger Bericht von James Cooks Weltumseglung
seinem erstaunten
deutschen Publikum vorgelegt wurde, sprach nicht nur Wieland
von einem "der merkwürdigsten Bücher
unserer Zeit": Zwischen
sachlichem Bericht und episch-dramatischer Verve changiert der Ton,
immer wieder
unterbrochen von philosophischen Reflexionen, in denen Forster die
Grundelemente
des Menschseins an der sozialen Wirklichkeit misst.
Georg Forster, 1754 in dem Nest Nassen huben bei Danzig geboren, Sohn
des
Pastors (englischer Herkunft): Der Knabe, der zuvor mit dem Papa
Russland
bereist hatte, zählte gerade achtzehn Jahre, als sich ihm die
Chance bot, mit
seinem Vater Captain Cook auf der zweiten Weltreise zu begleiten. Die
Eindrücke
und Beobachtungen, die er in seiner Reise um die Welt zusammenfasste,
begründeten
seinen Ruf als herausragender Naturforscher und brillanter
Schriftsteller. Er
traf später
Benjamin Franklin und den französischen
Gelehrten Graf Buffon in
Paris, pflegte einen regen Austausch mit Goethe, Herder und Wieland und
sympathisierte mit den Idealen der Französischen Revolution,
die er am Ende
einer dreimonatigen Reise mit dem jungen Alexander von Humboldt in
Paris aus
unmittelbarer Nähe erlebte. Forster war einer der
Gründer der ersten deutschen
Republik in Mainz, ein überzeugter Jakobiner, der zum
Deputierten in die
Pariser Nationalversammlung gewählt wurde. In Deutschland vom
Kerker bedroht,
starb er 1794 vereinsamt im Alter von nur 39 Jahren an den Folgen einer
Tropenkrankheit. (Eichborn)
Buch bei amazon.de bestellen
Hörbuch-CDs
bei amazon.de bestellen