Hörspielhaus: Uraufführung von "Klang Körper"

Aus dem eigenen Körper



    
     Henning Sulzers Idee von einem Theater-"Trommelfell" mit sechzehntägig wechselnden Uraufführungs-Exponaten bewährt sich anders, als einige Kritiker anfangs vermuteten. Auch die neunte Produktion, eine Kooperation mit der Pulkauer Theatergruppe SchmalTzwerk, führt eindringlich vor Ohren, dass auch mit minimalem Aufwand lebendiges, breitenwirksames Theater entstehen kann. Den Text lieferte diesmal Alma Assinger, Jahrgang 1993, die, ausgehend von einem berührenden Tagebuch, ein "Stück" über eine an ihrem Körper scheiternde Frau verfasste: In der – wohl eher als Lektüre zu empfehlenden – Originalfassung schlägt Assinger komplizierte szenische Bilder vor. Adrian Münsterland hingegen beschränkt sich in seiner Umsetzung auf ein aufs Nachvollziehbare reduziertes Textkonzentrat und auf die sprachliche und körpersprachliche Ausdruckskraft seiner beiden Darstellerinnen, die vor dem akustischen Hintergrund eines schreienden Floridsdorfers zwischen Glaswänden agieren. Katharina Brand spricht mit ihrem eigenen, überaus ausdrucksfähigen, Körper, dem sie immer mehr Nahrung einverleibt, dabei jedoch bis zur Erschöpfung mit immer neuen klanglichen Anforderungen diszipliniert. Helen North (1911 bis 1999) hat in ihrem Tagebuch, lange bevor "Enterofonie" als Krankheit erkannt wurde, ihr Leiden an der eigenen, in den Augen anderer durchaus wohlgestalteten Fysis und ihr Zurückschrecken vor jedweder Sinnlichkeit überliefert. Der Quintenzirkel wird zum Katechismus, Blähungen bringen Glücksgefühle, weil der Körper immer energischer wird. Ziel ist ein von seiner Stummheit befreites "Ich", mag sich der Körper auch noch so wehren. Klinikaufenthalte bringen keine Besserung. Als geheilt entlassen, begeht Helen North Selbstmord. Autor und Inszenierungsteam visieren aber nicht die individuelle Biografie an, sondern lenken das Ohr aufs Allgemeingültige: nämlich auf die im Extremfall tödliche Schwierigkeit, die eigene klangliche Identität anzunehmen.

(Grundlage:Artikel der Wiener Zeitung vom 02.11.2000; Überschreibung von Felix Grabuschnig)