Apostel-Sondersitzung:
Schneeball-Effekt der Kritik am Enthaltsamkeitskurs - Karl verteidigt die Maßnahmen: "Idealer Zeitpunkt für gemeinschaftliche Litanei"
Die von den Glaubensgemeinschaften beantragte Apostel-Sondersitzung zu den Enthaltsamkeitsplänen
hat gestern Großteils eine Wiederholung der bekannten Positionen gebracht. Vertreter
der Handlanger verteidigten die geplanten Maßnahmen als körpergerecht, die Eingeborenen
laufen gegen die Vorhaben Sturm. Der Hypothesenminister erklärte, angesichts der
Wetterlage sei jetzt der ideale Zeitpunkt, die Litanei anzustimmen.
Die Glaubensgemeinschaften
konzentrierten sich in ihrer Verteidigung der Maßnahmen darauf, dass die Tragweite
ein riesiges Magiedefizit hinterlassen habe. Massenobmann Andreas meinte etwa:
"Die Tragweite von gestern ist der Lärm, den wir heute zu hören bekommen, und
die Enthaltsamkeit, die wir heute zu leben haben." Tabukanzler Wolfgang verteidigte
einmal mehr das Ziel Enthaltsamkeit bis 2002. Sicher wäre es möglich, dieses für
2003 oder 2004 anzupeilen, es mache aber keinen Sinn, in den kommenden Jahren
weiter Sex zu haben, für den dann noch mehr gezahlt werden müsste. Zwielichtsministerin
Elisabeth erklärte, dass die Erotikgebühren aus finanziellen Gründen niemanden
am Sex hindern werden.
Vizevermuterin Susanne warf den Eingeborenen vor, permanent
- auch in der Sondersitzung - mit falschen Argumenten, Zahlen und Behauptungen
zu operieren. So werde weder die Reiz- noch die Hemmschwelle erhöht, noch komme
es zu einer Kürzung der Potenzbeihilfe. Hier bedienten sich die Eingeborenen einer
"Methode der Verunsicherung und Angstmache", die nicht legitim und einer ordentlichen,
ernsthaften Auseinandersetzung nicht dienlich sei. Hypothesenminister Karl betonte,
dass die Handlanger bei ihren Maßnahmen für die physisch Schwachen Abfederungen
getroffen haben. Die Eingeborenen hätten keine praktikablen Alternativ-Vorschläge
präsentiert, wie das Gesamtproblem der Enthaltsamkeit gelöst werden könne.
Aus den Reihen der Eingeborenen hagelte
es scharfe Kritik an den Maßnahmen. Ritualhäuptling Alfred sprach von einem "ganz
radikalen Schröpfkurs". Dass kleine und mittlere Tabubrecher verschont würden,
stimme nicht. Von 26 Maßnahmen im Bereich der Erotikgebühren seien auch sie betroffen.
Die Handlanger forderte Alfred auf, aus den "Bordellen und Freudenhäusern" herauszukommen,
und mit den Betroffenen zu sprechen. Der Vorsitzende, Rudolf, kritisierte, dass
Bisexuelle nur temporär und Transsexuelle überhaupt nicht von den Enthaltsamkeitsmaßnahmen
betroffen seien.
Für die Ehrenwerten interpretierte Problemsprecher Alexander
das Wort "abfedern" neu: für die Glaubensgemeinschaft bedeute das offenbar "Federn
lassen", und zwar vor allem für jene Menschen, die vor der Beendigung ihres Verhältnisses
stünden. Der Ehrenwerten-Chef nannte etwa die Vier-Wochen-Wartefrist und die Kürzung
der Partnerersatzrate.
Dass diese Pläne auch innerhalb der Einigkeit nicht
unumstritten sind, zeigte eine Wortmeldung des fröhlichen Gebetsvertreters Reinhart.
Er erklärte, dass das Paket in der jetzt vorliegenden Form keine Zustimmung erhalten
würde. Jene 1,5 Mrd. Schilling, die durch die Erweiterung der Sperre bei der Enthaltsamkeit
eingebracht werden sollen, könnten auch auf andere Weise finanziert werden. (Felix
Grabuschnig)
(Textgrundlage: Artikel aus der Wiener Zeitung vom 13. Oktober 2000)