(....) Das
Kurhaus betraten wir wie ein Triumphzug. Der Portier und die Diener
legten dieselbe respektvolle Ehrerbietung an den Tag wie die
Hoteldienerschaft, betrachteten uns aber dabei doch mit einer gewissen
Neugier. Die Tante ließ sich zunächst durch alle Säle fahren; manches
lobte sie, gegen andres blieb sie völlig gleichgültig; nach allem fragte
sie. Endlich gelangten wir auch zu den Spielsälen. Der Diener, der als
Schildwache an der geschlossenen Tür stand, schlug, höchlichst
überrascht, schnell beide Türflügel weit zurück.
Das Erscheinen der Tante beim Roulett machte einen starken Eindruck auf
das Publikum. Um die Roulettische und den Tisch mit Trente-et-quarante,
der am anderen Ende des Saales aufgestellt war, drängten sich vielleicht
hundertfünfzig bis zweihundert Spieler in mehreren Reihen
hintereinander. Diejenigen, denen es gelungen war, sich bis unmittelbar
an einen Tisch durchzudrängen, behaupteten ihre Plätze wie gewöhnlich
mit zäher Energie und gaben sie nicht früher auf, als bis sie alles
verspielt hatten; denn nur so als bloße Zuschauer dazustehen und nutzlos
einen Platz innezuhaben, an dem gespielt werden konnte, war nicht
gestattet. Wiewohl um den Tisch herum Stühle aufgestellt sind, setzen
sich doch nur wenige Spieler hin, besonders bei starkem Andrang des
Publikums. Denn im Stehen nimmt man weniger Raum ein und kann darum
leichter einen Platz ergattern; auch seine Einsätze macht man mit mehr
Bequemlichkeit, wenn man steht. Gegen die erste Reihe drückte von hinten
eine zweite und dritte, in der die Menschen darauf lauerten, wann sie
selbst darankommen würden; aber mitunter schob sich aus der zweiten
Reihe ungeduldig eine Hand durch die erste hindurch, um einen Einsatz zu
machen. Sogar aus der dritten Reihe praktizierte ein oder der andere auf
diese Weise mit besonderer Geschicklichkeit seinen Einsatz auf den
Tisch; die Folge davon war, daß keine zehn oder auch nur fünf Minuten
vergingen, ohne daß es an einem der Tische zu Skandalszenen wegen
strittiger Einsätze gekommen wäre. Übrigens ist die Polizei des
Kurhauses recht gut. Gegen das Gedränge läßt sich natürlich nichts tun;
im Gegenteil freut man sich über den Andrang des Publikums wegen des
damit verbundenen Vorteils; aber die acht Croupiers, die an den Tischen
sitzen, passen mit angestrengter Aufmerksamkeit auf die Einsätze auf;
sie sind es auch, die die Gewinne auszahlen und, falls Streitigkeiten
entstehen, diese entscheiden. Schlimmstenfalls rufen sie die Polizei
herbei, und dann wird die Sache im Umsehen erledigt. Die Polizisten sind
dauernd im Saal stationiert und befinden sich in Zivilkleidung unter den
Zuschauern, so daß man sie nicht erkennen kann. Sie passen besonders auf
Diebe und
Gauner auf, deren es wegen der außerordentlich bequemen Ausübung dieses
Gewerbes beim Roulett sehr viele gibt. Und in der Tat, überall sonst muß
man aus Taschen und verschlossenen Behältnissen stehlen, und das endet
im Falle des Mißlingens sehr unangenehm. Hier aber braucht man es nur
ganz einfach folgendermaßen zu machen: man geht zum Roulett, fängt an zu
spielen, nimmt sich auf einmal offen und vor aller Augen einen fremden
Gewinn und steckt ihn in seine Tasche; entsteht ein Streit, so behauptet
der Gauner laut und mit aller Bestimmtheit, der Einsatz sei der seinige.
Wenn das geschickt gemacht wird und die Zeugen sich ihrer Sache nicht
ganz sicher sind, so gelingt es dem Dieb oft, sich das Geld anzueignen,
selbstverständlich nur dann, wenn die Summe nicht sehr beträchtlich ist.
Im letzteren Fall pflegt sie schon vorher die Aufmerksamkeit des
Croupiers oder eines der Mitspieler erregt zu haben. Ist aber die Summe
nicht so bedeutend, so verzichtet der wirkliche Eigentümer mitunter
sogar aus Scheu vor einem Skandal auf eine Fortsetzung des Streites und
geht davon. Gelingt es dagegen, einen Dieb zu überführen, so wird er
sogleich unter großem Aufsehen abgeführt.
Alles das sah sich die Tante von weitem und mit scheuer Neugier an. Es
gefiel ihr sehr, daß ein paar Diebe hinaustransportiert wurden. Das
Trente-et-quarante erweckte ihr Interesse nur in geringem Grade; besser
gefiel ihr das Roulett mit dem herumlaufenden Kügelchen. Endlich bekam
sie Lust, das Spiel aus größerer Nähe mit anzusehen. Ich begreife nicht,
wie es möglich war, aber die Saaldiener und einige eifrige Kommissionäre
(es sind dies vorzugsweise Polen, die ihr ganzes Geld verspielt haben
und nun glücklicheren Spielern sowie allen Ausländern ihre Dienste
aufdrängen) fanden trotz des argen Gedränges einen Platz, den sie für
die Tante frei machten, gerade in der Mitte des Tisches neben dem
Obercroupier, und rollten ihren Stuhl dorthin. Eine Menge von Besuchern,
die nicht selbst spielten, sondern nur aus einiger Entfernung dem Spiel
zuschauten (in der Hauptsache Engländer mit ihren Familien), drängte
sich sogleich zu diesem Tisch, um hinter den Spielern stehend die alte
Dame zu beobachten. Viele Lorgnetten richteten sich auf sie. Die
Croupiers gaben sich besonderen Hoffnungen hin: von einem so originellen
Spieler konnte man allerdings etwas Ungewöhnliches erwarten. Eine
fünfundsiebzigjährige Dame, die nicht gehen konnte und spielen wollte,
das war freilich ein Fall, wie er nicht alle Tage vorkam. Ich drängte
mich gleichfalls zum Tisch durch und stellte mich neben die Tante.
Potapytsch und Marfa hatten in weiter Entfernung zurückbleiben müssen
und standen dort irgendwo mitten im Menschenschwarm. Der General,
Polina, de Grieux und Mademoiselle Blanche standen gleichfalls ziemlich
weit entfernt von uns unter den Zuschauern.
Die Tante betrachtete zunächst die Spieler und flüsterte mir in ihrem
scharfen Ton kurze Fragen zu: »Was ist das für einer? Wer ist diese
Dame?« Besonders gefiel ihr an einem Ende des Tisches ein noch sehr
junger Mensch, der hoch spielte, Tausende mit einem Male setzte und, wie
unter den Umstehenden geflüstert wurde, bereits gegen vierzigtausend
Franc gewonnen hatte, die in einem Häufchen vor ihm lagen, Gold und
Banknoten. Er sah blaß aus; seine Augen glänzten, die Hände zitterten
ihm; er setzte bereits, ohne überhaupt zu zählen, soviel er mit der Hand
gerade erfaßte, und dabei gewann er fortwährend und häufte immer mehr
Geld zusammen. Die Saaldiener waren eifrig um ihn beschäftigt; sie
rückten ihm von hinten einen Sessel heran und hielten um ihn herum etwas
Raum frei, damit er sich besser bewegen könne und von den andern nicht
so gedrängt werde – alles in Erwartung eines reichen Trinkgeldes. Denn
manche Spieler geben von ihrem Gewinn den Dienern, ohne zu zählen, in
der Freude ihres Herzens, soviel sie mit der Hand in der Tasche zu
fassen bekommen. Neben dem jungen Mann hatte bereits ein Pole
Aufstellung genommen, der sich aus allen Kräften um ihn bemühte und ihm
respektvoll, aber ohne Unterlaß etwas zuflüsterte, Anweisungen, wie er
setzen solle, Ratschläge und Belehrungen das Spiel betreffend –
natürlich erwartete er ebenfalls nachher ein Geldgeschenk! Aber der
Spieler sah fast gar nicht nach ihm hin, setzte, wie es sich gerade
traf, und strich immer neue Gewinne ein. Er wußte offenbar gar nicht
mehr, was er tat.
Die Alte beobachtete ihn ein paar Minuten lang.
»Sage ihm doch«, wandte sie sich plötzlich voller Eifer an mich, indem
sie mich anstieß, »sage ihm doch, er möchte aufhören, er möchte
schleunigst sein Geld nehmen und davongehen. Er wird verlieren, im
nächsten Augenblick wird er alles verlieren!« Sie konnte vor Aufregung
kaum atmen. »Wo ist Potapytsch? Schicke doch Potapytsch zu ihm hin! Sage
es ihm doch, sage es ihm doch!« wiederholte sie, mich wieder anstoßend.
»Aber wo in aller Welt ist denn Potapytsch? Sortez, sortez!« begann sie
selbst dem jungen Mann zuzurufen. Ich beugte mich zu ihr herunter und
flüsterte ihr nachdrücklich zu, so zu rufen sei hier nicht gestattet,
nicht einmal laut zu reden, da das die Berechnungen störe; es sei zu
befürchten, daß wir sofort hinausgewiesen würden.
»So ein Ärger! Der Mensch ist verloren! Na, es ist sein eigener Wille
... ich mag gar nicht nach ihm hinsehen; mir wird ganz übel davon. So
ein Dummkopf!« Bei diesen Worten drehte sich die Tante schnell nach der
anderen Seite.
Dort, zur Linken, an der andern Hälfte des Tisches, zog unter den
Spielern eine junge Dame, neben der ein
Zwerg stand, die Aufmerksamkeit auf sich. Wer dieser Zwerg war,
weiß ich nicht; ob es ein Verwandter von ihr war, oder ob sie ihn nur so
um Aufsehen zu erregen, mitnahm. Diese Dame hatte ich schon früher
bemerkt; sie erschien am Spieltisch täglich um ein Uhr mittags und ging
pünktlich um zwei. Sie war schon allgemein bekannt, und es wurde ihr bei
ihrem Erscheinen sofort ein Sessel hingestellt. Sie zog ein paar
Goldstücke oder ein paar Tausendfrancscheine aus der Tasche und begann
zu setzen, ruhig, kaltblütig, mit Überlegung; auf einem Blatt Papier
notierte sie mit Bleistift die Zahlen, die herausgekommen waren, und
suchte die systematische Ordnung zu erkennen, in der sich diese
gruppierten. Ihre Einsätze waren von ansehnlicher Höhe. Sie gewann
täglich ein-, zwei-, höchstens dreitausend Franc, nicht mehr, und ging,
sobald sie die gewonnen hatte, sofort weg. Die Tante beobachtete sie
längere Zeit.
»Na, die da wird nicht verlieren! Die wird nicht verlieren! Was ist das
für eine? Kennst du sie nicht? Wer ist sie?«
»Es ist eine Französin, wahrscheinlich so eine«, flüsterte ich.
»Ah, man erkennt den Vogel am
Fluge. Die hat offenbar scharfe Krallen. Jetzt erkläre mir, was
jeder Umlauf der Kugel bedeutet, und wie man setzen muß!«
Ich setzte der Tante nach Möglichkeit auseinander, was es mit den
zahlreichen Arten des Setzens für eine Bewandtnis hat: mit rouge et
noir, pair et impair, manque et passe, sowie endlich mit den
verschiedenen Variationen beim Setzen auf Zahlen. Die Tante hörte
aufmerksam zu, merkte sich, was ich sagte, fragte, wo sie etwas nicht
verstand, und gewann so einen guten Einblick. Für jede Gattung von
Einsätzen konnte ich ihr sofort Beispiele vor Augen führen, so daß sie
vieles sehr leicht und schnell begriff und sich einprägte. Die Tante war
sehr befriedigt.
»Aber was bedeutet zéro? Dieser Croupier da, der
krausköpfige, der oberste von ihnen, hat eben gerufen: zéro
»Zéro, Großmütterchen, das ist der Vorteil für die Bank. Wenn die Kugel
auf zéro fällt, so gehören alle Einsätze auf dem Tisch der Bank, ohne
weitere Berechnung. Allerdings hat man noch die Möglichkeit des
Quittspiels; aber dann zahlt im Falle des Gewinnes die Bank nichts.«
»Na, so etwas! Und ich bekomme gar nichts?«
»Nicht doch, Großmütterchen; wenn Sie vorher auf zéro gesetzt haben und
zéro dann herauskommt, so wird Ihnen das Fünfunddreißigfache bezahlt.«
»Was? Das Fünfunddreißigfache? Und kommt das oft heraus? Warum setzen
sie denn nicht darauf, die Dummköpfe?«
»Es sind sechsunddreißig Chancen dagegen, Großmütterchen.«
»Ach was, Unsinn! Potapytsch, Potapytsch! Warte mal, ich habe selbst
Geld bei mir – da!« Sie zog eine wohlgespickte Geldbörse aus der Tasche
und entnahm ihr einen Friedrichsdor. »Da! Setz das gleich mal auf zéro!«
»Großmütterchen, zéro ist eben herausgekommen«, sagte ich, »also wird es
jetzt lange Zeit nicht herauskommen. Sie werden viel verlieren, wenn Sie
bis dahin immer auf zéro setzen wollen. Warten Sie lieber noch ein
Weilchen!«
»Rede nicht dummes Zeug! Setze nur!«
»Wie Sie wünschen; aber es kommt vielleicht bis zum Abend nicht wieder
heraus; Sie können Tausende von Francs verlieren; das ist alles schon
vorgekommen.«
»Ach, Unsinn, Unsinn! Wer sich vor dem Wolf fürchtet, der muß nicht in
den Wald gehen. Was? Ich habe verloren? Setz noch einmal!«
Auch der zweite Friedrichsdor ging verloren: wir setzten den dritten.
Die Tante konnte kaum stillsitzen; mit heißen Augen folgte sie der
Kugel, die an den Zacken des sich drehenden Rades hinsprang. Auch der
dritte ging verloren. Die Tante war außer sich; sie rückte auf ihrem
Sitz fortwährend hin und her und schlug sogar mit der Faust auf den
Tisch, als der Croupier »trente-six« rief, statt des erwarteten zéro.
»Na so ein Kerl!« ereiferte sich die Tante. »Wird denn dieses verdammte
zéro nicht bald herauskommen? Ich will des Todes sein, wenn ich nicht
sitzenbleibe, bis es herauskommt! Das macht alles dieser verdammte
krausköpfige Croupier da; bei dem kommt es nie heraus! Alexej
Iwanowitsch, setze zwei Goldstücke mit einemmal! Du setzt ja so wenig,
daß, auch wenn zéro wirklich kommt, wir nichts Ordentliches einnehmen.«
»Großmütterchen!«
»Setze, setze! Es ist nicht dein Geld!«
Ich setzte zwei Friedrichsdor. Die Kugel flog lange im Rad herum;
endlich begann sie an den Zacken zu springen. Die alte Dame war ganz
starr und preßte meine Hand zusammen. Und auf einmal kam's:
»Zéro!« rief der Croupier.
»Siehst du, siehst du?« wandte sich die Tante schnell zu mir; sie
strahlte über das ganze Gesicht und war selig. »Ich habe es dir ja
gesagt! Das hat mir Gott selbst eingegeben, gleich zwei Goldstücke zu
setzen! Na, wieviel bekomme ich nun? Warum zahlen sie mir denn das Geld
nicht aus? Potapytsch. Marfa! Wo sind sie denn? Wo sind die Unsrigen
alle geblieben? Potapytsch, Potapytsch!«
»Großmütterchen, alles nachher, nachher!« flüsterte ich ihr zu.
»Potapytsch steht an der Tür, man läßt ihn nicht bis hierher. Sehen Sie,
Großmütterchen, da zahlen sie Ihnen das Geld aus; nehmen Sie es in
Empfang!« Man warf ihr eine schwere, versiegelte Rolle in blauem Papier,
die fünfzig Friedrichsdor enthielt, hin und zählte ihr noch zwanzig lose
Friedrichsdor auf. Dieses ganze Geld zog ich mit einer Krücke zu der
Tante heran.
»Faites le jeu, messieurs! Faites le jeu, messieurs! Rien ne va plus?«
rief der Croupier, zum Setzen auffordernd, und schickte sich an, das
Roulett zu drehen.
»Mein Gott! Wir kommen zu spät! Er dreht gleich los! Setze, setze!« rief
die Tante eifrig. »So trödle doch nicht, schnell!« Sie geriet ganz außer
sich und stieß mich aus Leibeskräften an.
»Worauf soll ich denn setzen, Großmütterchen?«
»Auf zéro, auf zéro! Wieder auf zéro! Setz soviel wie möglich! Wieviel
haben wir im ganzen? Siebzig Friedrichsdor? Mit denen wollen wir nicht
knausern; setze immer zwanzig Friedrichsdor auf einmal!«
»Aber überlegen Sie doch, Großmütterchen! Zéro kommt mitunter bei
zweihundert Malen kein einziges Mal heraus! Ich versichere Sie, Sie
werden die ganze Summe wieder verlieren.«
»Törichtes Geschwätz! So setze doch! Papperlapapp! Ich weiß, was ich
tue«, sagte die Tante, die vor Aufregung bebte.
»Nach dem Reglement ist es nicht gestattet, auf einmal mehr als zwölf
Friedrichsdor auf zéro zu setzen, Großmütterchen. Nun, die habe ich
jetzt gesetzt.«
»Wieso ist das nicht erlaubt? Redest du mir auch nichts vor? Monsieur,
monsieur!« Sie stieß den Croupier an, der unmittelbar an ihrer linken
Seite saß und sich bereit machte, das Rad zu drehen. »Combien zéro?
Douze? Douze?«
Mit möglichster Eile verdeutlichte ich ihm auf französisch den Sinn der
Frage.
»Oui, madame«, bestätigte der Croupier höflich und fügte zur Erklärung
hinzu: »So wie auch jeder andere einzelne Einsatz die Summe von
viertausend Gulden nicht übersteigen darf, nach dem Reglement.«
»Na, dann ist nichts zu machen. Setze zwölf!«
»Le jeu est fait!« rief der Croupier. Das Rad drehte sich, und es kam
die Dreißig heraus. Wir hatten verloren!
»Noch mal, noch mal, noch mal! Setz noch mal!« rief die Alte. Ich
versuchte keine Widerrede mehr und setzte achselzuckend noch zwölf
Friedrichsdor. Das Rad drehte sich lange. Die Tante, die das Rad
gespannt beobachtete, zitterte am ganzen Leib. »Kann sie wirklich
glauben, daß zéro wieder gewinnen wird?« dachte ich, während ich sie
erstaunt anblickte. Auf ihrem strahlenden Gesicht lag der Ausdruck der
festen Überzeugung, daß sie gewinnen werde, der bestimmten Erwartung, es
werde im nächsten Augenblick gerufen werden: »Zéro!« Die Kugel sprang in
ein Fach.
»Zéro!« rief der Croupier.
»Na also!« wandte sich die Tante mit einer Miene wilden Triumphes zu
mir.
Ich war selbst Spieler; dessen wurde ich mir in eben diesem Augenblick
bewußt. Hände und Füße zitterten mir; in meinem Kopf hämmerte es.
Allerdings, das war ein seltener Zufall, daß unter etwa zehn Malen
dreimal zéro herausgekommen war; aber etwas besonders Erstaunliches war
nicht dabei. Ich war selbst Zeuge gewesen, wie zwei Tage vorher zéro
dreimal nacheinander herauskam, und dabei hatte ein Spieler, der sich
auf einem Blatt Papier eifrig die einzelnen Resultate notierte, laut
geäußert, daß erst am vorhergehenden Tag zéro den ganzen Tag über nur
ein einziges Mal gekommen sei.
Da die Tante den größten Gewinn gemacht hatte, der möglich war, so
vollzog sich die Auszahlung in besonders höflicher, respektvoller
Manier. Sie hatte gerade vierhundertundzwanzig Friedrichsdor zu
bekommen, oder viertausend Gulden und zwanzig Friedrichsdor. Die zwanzig
Friedrichsdor gab man ihr in Gold,
die viertausend Gulden in Banknoten.
Diesmal rief die Tante nicht mehr nach Potapytsch; sie war mit anderem
beschäftigt. Auch stieß sie mich nicht an und zitterte äußerlich nicht;
aber innerlich, wenn man sich so ausdrücken kann, innerlich zitterte
sie. (...)
(aus "Der
Spieler" von
Fjodor Michailowitsch Dostojewskij)
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