(...) Wir saßen nebeneinander, und vielleicht war alles verloren. Nicht wegen der Hände, sondern wegen der Worte. Vor uns die amerikanische Botschaft mit der auf uns gerichteten Kamera. Wenn uns jemand auf einem Monitor anschaute, sahen wir dumm aus.
Das kommt davon, wenn du immer erfindest, als ob
du in einem Film lebtest, dachte ich.
Ihre Hand lag bei der meinen, einen Zentimeter entfernt. Der kleine Finger zitterte
leicht, und in den Venen unter der dünnen
Haut floss kräftig das Blut. Der Rock
lag in Falten auf ihren Schenkeln und auf dem Stein. In den Schuhen streckte
sie ihre Zehen. Ich schob meine Hand unter ihren kleinen Finger, damit er auf
meinem Handrücken ruhen konnte und nicht mehr zu zittern brauchte.
Am nächsten Morgen wachte ich auf, und sie schlief
neben mir.
Das kannte ich nicht. Dass ich bei jemandem aufwachte und dass ich nicht alleine
mit meinen kleinen Gedanken war. So alleine wie Toma in De Felices Haus.
Sie hielt den Mund offen und schnarchte leicht. Ich rutschte zu ihr, die eine Hand legte ich zwischen ihre Beine, die sie eng zusammenhielt. Mit der anderen schob ich die Haare aus ihrem Nacken und leckte ihn ab. Sie hatte in der Nacht geschwitzt. Ihr Nacken schmeckte salzig.
Ich ging tiefer zu ihren Schulterblättern, dem Rücken und dann über das Ende der Wirbelsäule hinaus. Sie wachte auf, wollte sich umdrehen, räkelte sich. Ich hielt sie fest, öffnete sie hinten weiter, während sie erneut die Zehen streckte. Später rollte sie sich zusammen, drehte sich um, zog mich zu sich hoch, entspannte sich wieder und umklammerte mich. Im Mund hatte sie den Geruch der Nacht, und ich wunderte mich darüber, dass es mir nichts ausmachte. Früher wäre ich davongelaufen, wenn eine Frau zuviel Mensch gewesen wäre.
Dann hatte sie rund um das Bett ihr Morgenballett getanzt, jede Bewegung war gekonnt, ihr Körper war zuerst nackt und ungewaschen, mit Eigengeruch, dann nackt und gewaschen. Als sie ihre Frauenwäsche anzog, war ich im Bett ganz klein und staunte über soviel Frausein in meiner Nähe. Das hatte ich außer im Fernsehen noch nie gesehen, wie eine Morgenfrau ihre Brust in die Hand nimmt und sie in das BH-Körbchen schiebt und wie sie die Beine spreizt, damit der Slip besser sitzt. Denn alle Beziehungen, die ich bislang gehabt hatte, waren in der Früh bereits zu Ende gewesen. Am Abend hatte ich mich beeilt, die Kleider loszuwerden, und am Morgen wegzugehen.
Und das alles machte sie in meiner Gegenwart. So als ob ich Teil von ihr wäre. Als ob die Nacht gereicht hätte, als sie bei der Rückkehr die Türe nicht hinter sich schloss, um aus zwei Porzellanfiguren zwei Menschen zu machen. Zuerst hatte sie meinen Blick nicht ausgehalten, jetzt ließ sie sich darin fallen. (...)
(Aus "Der kurze Weg nach Hause" von Catalin Dorian Florescu)