(...)
Droll tritt auf.

Droll
Welch hausgebacknes Volk macht hier sich breit,
So nah der Wiege unsrer Königin?
Wie? gibt's ein Schauspiel? Ich will Hörer sein,
Mitspieler auch vielleicht, nachdem sich's fügt.

Squenz
Sprecht, Pyramus; Thisbe, tretet vor.

Pyramus
«Thisbe, wie eine Blum' von Giften duftet süß -»

Squenz
Düften! Düften!

Pyramus
«- - von Düften duftet süß,
So tut dein Atem auch, o Thisbe, meine Zier.
Doch horch, ich hör ein' Stimm; es ist mein Vater gwiß;
Bleib eine Weile stehn, ich bin gleich wieder hier.» (Ab.)

Droll (beiseite)
Ein seltnes Stück von einem Pyramus. (Ab.)

Thisbe
Muß ich jetzt reden?

Squenz
Ja, zum Henker, freilich müßt Ihr; Ihr müßt wissen, er geht nur weg, um ein Geräusch zu sehen, das er gehört hat, und wird gleich wiederkommen.

Thisbe
«Umstrahlter Pyramus, an Farbe lilienweiß
Und rot wie eine Ros auf triumphierndem Strauch;
Du muntrer Juvenil, der Männer Zier und Preis,
Treu wie das treuste Roß, das nie ermüdet auch.
Ich will dich treffen an, glaub mir, bei Nickels Grab.»

Squenz
Ninus' Grab, Kerl. Aber das müßt Ihr jetzt noch nicht sagen, das antwortet Ihr dem Pyramus. Ihr sagt Euren ganzen Part auf einmal her, Stichwörter und den ganzen Plunder. - Pyramus, tretet auf, Euer Stichwort ist schon dagewesen; es ist: «ermüdet auch.»

Zettel mit einem Eselskopfe und Droll kommen zurück.

Thisbe
Uf - «So treu, wie's treuste Pferd, das nie ermüdet auch.»

Pyramus
«Wenn, Thisbe, ich wär schön, so wär ich einzig dein.»

Squenz
O greulich! erschrecklich! Es spukt hier. Ich bitt euch, Meister! lauft, Meister! Hilfe! (Sie laufen davon.)

Droll
Nun jag ich euch und führ euch kreuz und quer
Durch Dorn, durch Busch, durch Sumpf, durch Wald.
Bald bin ich Pferd, bald Eber, Hund und Bär,
Erschein als Werwolf und als Feuer bald,
Will grunzen, wiehern, bellen, brummen, flammen
Wie Eber, Pferd, Hund, Bär und Feur zusammen. (Ab.)

Zettel
Warum laufen sie weg? Dies ist eine Schelmerei von ihnen, um mich fürchten zu machen.

Schnauz kommt zurück.

Schnauz
O Zettel! du bist verwandelt! Was seh ich an dir?

Zettel
Was du siehst? Du siehst deinen eigenen Eselskopf. Nicht?

(Schnauz ab.)
Squenz kommt zurück.

Squenz
Gott behüte dich, Zettel! Gott behüte dich! du bist transferiert. (Ab.)

Zettel
Ich merke ihre Schelmerei: sie wollen einen Esel aus mir machen, mich fürchten machen, wenn sie können. Aber ich will hier nicht von der Stelle; lass' sie machen, was sie wollen; ich will hier auf und ab spazieren und singen, damit sie sehen, daß ich mich nicht fürchte. (Er singt.)

Die Schwalbe, die den Sommer bringt,
Der Spatz, der Zeisig fein,
Die Lerche, die sich lustig schwingt
Bis in den Himmel 'nein -:

Titania (erwachend)
Weckt mich von meinem Blumenbett ein Engel?

Zettel (singt)

Der Kuckuck, der der Grasmück
So gern ins Nestchen heckt
Und lacht darob mit arger Tück
Und manchen Ehmann neckt -:

Denn sein Rufen soll eine gar gefährliche Vorbedeutung sein, und wem jückt es nicht ein bißchen an der Stirne, wenn er sich Kuckuck grüßen hört?

Titania
Ich bitte dich, du holder Sterblicher,
Sing noch einmal! Mein Ohr ist ganz verliebt
In deine Melodie; auch ist mein Auge
Betört von deiner lieblichen Gestalt;
Gewaltig treibt mich deine schöne Tugend,
Beim ersten Blick dir zu gestehn, zu schwören:
Daß ich dich liebe.

Zettel
Mich dünkt, Madame, Sie könnten dazu nicht viel Ursache haben. Und doch, die Wahrheit zu sagen, halten Vernunft und Liebe heutzutage nicht viel Gemeinschaft. Schade, daß ehrliche Nachbarn sie nicht zu Freunden machen wollen! Gelt, ich kann auch spaßen, wenn's darauf ankommt.

Titania
Du bist so weise, wie du reizend bist.

Zettel
Das nun just auch nicht. Doch, wenn ich Witz genug hätte, um aus diesem Walde zu kommen, so hätte ich just so viel, als mir nötig täte.

Titania
Begehre nicht, aus diesem Hain zu fliehn;
Du mußt hier, willig oder nicht, verziehn.
Ich bin ein Geist von nicht gemeinem Stande;
Ein ewger Sommer zieret meine Lande;
Und sieh, ich liebe dich! drum folge mir.
Ich gebe Elfen zur Bedienung dir;
Sie sollen Perlen aus dem Meer dir bringen
Und, wenn du leicht auf Blumen schlummerst, singen.
Ich will vom Erdenstoffe dich befrein,
Daß du so luftig sollst wie Geister sein.
Senfsamen! Bohnenblüte! Motte! Spinnweb!

Vier Elfen treten auf.

Erster Elf
Hier!

Zweiter Elf
Und ich!

Dritter Elf
Und ich!

Vierter Elf
Und ich!

Alle
Was sollen wir?

Titania
Gefällig seid und dienstbar diesem Herrn.
Hüpft, wo er geht, und gaukelt um ihn her;
Sucht Aprikos' ihm auf und Stachelbeer';
Maulbeeren gebt ihm, Feigen, Purpurtrauben;
Ihr müßt der Biene Honigsack ihm rauben;
Zur Kerze nehmt von ihr ein wächsern Bein
Und steckt es an bei eines Glühwurms Schein,
Zu leuchten meinem Freund Bett aus und ein;
Mit bunter Schmetterlinge Flügelein
Wehrt fächelnd ihm vom Aug den Mondenschein.
Nun, Elfen, huldigt ihm und neigt euch fein.

Erster Elf
Heil dir, Sterblicher!

Zweiter Elf
Heil!

Dritter Elf
Heil!

Vierter Elf
Heil!

Zettel
Ich flehe Euer Gnaden von ganzem Herzen um Verzeihung, Ich bitte um Euer Gnaden Namen.

Spinnweb
Spinnweb.

Zettel
Ich wünsche näher mit Ihnen bekannt zu werden, guter Musje Spinnweb. Wenn ich mich in den Finger schneide, werde ich so frei sein, Sie zu gebrauchen. - Ihr Name, ehrsamer Herr?

Bohnenblüte
Bohnenblüte.

Zettel
Ich bitte Sie, empfehlen Sie mich Madame Hülse, Ihrer Frau Mutter, und Herrn Bohnenschote, Ihrem Herrn Vater. Guter Herr Bohnenblüte, auch mit Ihnen hoffe ich näher bekannt zu werden. - Ihren Namen, mein Herr, wenn ich bitten darf.

Senfsamen
Senfsamen.

Zettel
Lieber Musje Senfsamen, ich kenne Ihre Geduld gar wohl. Jener niederträchtige und ungeschlachte Kerl, Rinderbraten, hat schon manchen wackern Herrn von Ihrem Hause verschlungen. Sei'n Sie versichert, Ihre Freundschaft hat mir schon oft die Augen übergehen machen. Ich wünsche nähere Bekanntschaft, lieber Musje Senfsamen.

Titania
Kommt, führt ihn hin zu meinem Heiligtume!
Mich dünkt, von Tränen blinke Lunas Glanz;
Und wenn sie weint, weint jede kleine Blume
Um einen wild zerrißnen Mädchenkranz.
Ein Zauber soll des Liebsten Zunge binden:
Wir wollen still den Weg zur Laube finden.


(aus dem "Sommernachtstraum" von William Shakespeare
übersetzt von August Wilhelm Schlegel)
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