Joachim Ringelnatz (1883-1934)
Joachim Ringelnatz kam am 7.August 1883 in Wurzen (Sachsen) in einer wohlsituierte Familie als Hans Bötticher zur Welt. Ehe er schließlich im Alter von 36 Jahren das Ringelnatz-Pseudonym (heißt in der Seemannssprache nichts anderes als Seepferdchen) annehmen und damit auch der Nachwelt bekannt bleiben sollte, lagen viele Jahre eines unsteten Wanderlebens vor ihm. Zunächst hatte der aufgeweckte und fantasievolle Junge gar keine Freude mit dem Schulsystem seiner Zeit und entzog sich diesem durch Flucht zur Marine, wo er bis 1905 als Matrose die Meere befuhr und dabei die ganze Welt, jedenfalls ein gutes Stück davon von New York bis Istanbul kennenlernte. Verschiedene andere Tätigkeiten (insgesamt hat er sich in ein paar dutzend Berufen versucht) sowie der erste Weltkrieg folgten, welchen er als Reserveleutnant der deutschen Kriegsmarine miterleben musste. In München hatte Ringelnatz bereits zuvor Eingang in Künstlerkreise (in erster Linie in den Schwabinger Kreis um Frank Wedekind) gefunden, war bereits eigene Gedichte rezitierend in dem Künstlerlokal "Simplicissimus" aufgetreten und hatte auch schon Gedichtbände und Erzählwerke veröffentlicht, denen allerdings zu jener Zeit noch kein größerer Erfolg beschieden war. Erst 1920 war seine Entwicklung abgeschlossen, als er die als "Muschelkalk" in seinen Werken verewigte Leonharda Pieper ehelichte, schließlich von dem Berliner Kabarett "Schall und Rauch" engagiert wurde, sich solchermaßen seinen beruflichen Lieblingsbeschäftigungen, dem Schreiben, Malen und dem Vortragen eigener und fremder Texte im Rahmen von Tourneen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz widmen konnte und dafür endlich auch breitere künstlerische Anerkennung bekam. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten, auf der Flucht vor deren zunehmendem Einfluss er schon zuvor von München nach Berlin übersiedelt war, mit Auftrittsverbot belegt. Den weiteren Verfall seines Landes musste er nicht mehr erleben - er starb verarmt am 17. November 1934 in Berlin an Tuberkulose.
Heute zählt Joachim Ringelnatz zu den meistgelesenen deutschsprachigen Lyrikern, dessen bekannteste Gedichte zum Schulstoff gehören und auch bei Vortragsabenden - vertont und unvertont - immer wieder zu hören sind. Die Rede ist hierbei insbesondere von seinen absurden Kurzgedichten und seinen Gedichten und Geschichten vom rauhen Seemannsleben mit dem berühmten Seebären Kuttel Daddeldu als Helden, in denen Skurillität und eine derbe Komik überwiegen. Weit weniger bekannt sind andere Facetten seines schriftstellerischen Tätigkeitsbereichs, seine Liebes- und Stimmungsgedichte, Romane, Erzählungen, ein Theaterstück, autobiografischen Schriften und ein Kinderbuch, die andere Hauptakzente (Empfindsamkeit, Zeitkritik, genaue Milieuschilderungen) setzen und die bei seinen ersten positiven Rezensenten (Alfred Polgar, Erich Kästner, Kurt Tucholsky) ebenso großes Ansehen genossen wie der heutzutage bekanntere Teil seines Schaffens.