Leseprobe:
(...)
Der Gedanke hatte sie flüchtig gestreift, doch jetzt war es nicht mehr ein Gedanke,
sie wurde nicht nur flüchtig berührt. Eine Hand legte sich fest um ihre Brust,
und sie spürte ein Gewicht auf ihrem Unterleib. Aus dem Schlaf gerissen, verwehrte
sie ihm nicht seine Lust; diesem Mann verdankte sie ihr Leben. Ihre Bereitwilligkeit
wurde länger in Anspruch genommen. Mandulis war nicht nur ausgesprochen leistungsfähig,
er entschädigte sich auch für eine lange Abstinenz. Am Ende musste sie ihn um
Schonung bitten.
Sie machten sich gegenseitig Komplimente, wie zart ihre Haut war; das waren
die einzigen Worte, die sie wechselten.
Gegen
Morgengrauen schlief sie unvermittelt ein. Als sie erwachte, dachte
sie darüber nach, wie nahe verwandt Tod und Geschlechtstrieb waren - sie hatte
für ihr Leben mit ihrem Körper bezahlt.
Sie stand auf, betrachtete das Meer
und verspürte so große Sehnsucht nach dem Averner, dass ihr Tränen in die Augen
stiegen.
Diese Sehnsucht brachte sie jedoch nicht dazu, fliehen zu wollen. Sie gestand
sich ein, dass sie es Mandulis keineswegs übelnahm, mit welcher Häufigkeit und
Ausdauer er seine Begierde
befriedigte und sie
als
Sexualobjekt behandelte. Durch ihn erfuhr sie
mehr über sich selbst. Wie lange würde sie diese wiederholten Orgasmen, ohne
Komplimente oder Zeichen der Leidenschaft, akzeptieren? Sie ließ es ohne Verstimmung
über sich ergehen. Und die Art, wie er mit ihr schlief, besaß eine schlichte
Anmut. Mit glattem Gesicht und offenen Augen, fast lächelnd, saß er auf ihr,
wie ein Reiter auf seinem Pferd. Kein Pathos, keine Grimassen und keine Deklamationen;
letztendlich war das ganz erholsam. (...)
(Aus dem Roman "Alexandria" von Gerald
Messadié.
Droemer Knaur.
1997. ISBN 3-426-19395-7.)
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