(...) Nicht von der
Seite wich ich der Schönsten, ich forderte sie auf zum
Tanz,
sie gab mir die Pfote, wir flogen in die Reihen. - Ha, wie ihr Atem an meiner
Wange spielte! Wie meine Brust an der ihrigen bebte! Wie ich ihren süßen Leib
mit meinen Pfoten umschlungen hielt! - O des seligen, himmlisch seligen Augenblicks!
Als wir zwei, auch wohl drei Hopser getanzt, führte ich die Schönste in eine
Ecke des Kellers und bediente sie galanter Sitte gemäß mit einigen Erfrischungen,
wie sie sich eben vorfinden lassen wollten, da das Fest eigentlich auf einen
Ball nicht eingerichtet. Nun ließ ich meinem innern Gefühl ganz freien Lauf.
Ein Mal übers andere drückte ich ihre Pfote an meine Lippen und versicherte
ihr, daß ich der glücklichste Sterbliche sein werde, wenn sie mich lieben wolle.
"Unglücklicher", sprach plötzlich eine Stimme dicht hinter mir, "Unglücklicher,
was beginnst du! - Es ist deine Tochter Mina!"
Ich erbebte, denn wohl erkannte ich die Stimme! - Es war Miesmies! - Launisch
spielte der Zufall mit mir, daß in dem Augenblick, als ich Miesmies ganz vergessen
zu haben geglaubt, ich erfahren, was ich nicht ahnen können, ich in Liebe kommen
mußte zu eignem Kinde! - Miesmies war in tiefer Trauer, ich wußte selbst nicht,
was ich davon denken sollte. "Miesmies", sprach ich sanft, "Miesmies,
was führt Sie hierher, warum in Trauer und - o Gott! - jene Mädchen - Minas
Schwestern?" - Ich erfuhr das Seltsamste! Mein gehässiger Nebenbuhler,
der Schwarzgraugelbe, hatte sich gleich nachher, als er in jenem mörderischen
Zweikampf meiner ritterlichen Tapferkeit erlegen, von Miesmies getrennt und
war, als nur seine Wunden geheilt, fortgegangen, niemand wußte wohin. Da warb
Muzius um ihre Pfote, die sie ihm willig reichte, und es machte ihm Ehre und
bewies sein Zartgefühl, daß er mir dies Verhältnis gänzlich verschwieg. So waren
aber jene muntern naiven Kätzchen
nur meiner Mina Stiefschwestern!
"O Murr", sprach Miesmies
zärtlich, nachdem sie erzählt, wie sich das alles ergeben, "o Murr! Ihr
schöner Geist hat sich nur in dem Gefühl geirrt, das ihn überströmte. Es war
die Liebe
des zärtlichsten Vaters, nicht des verlangenden Liebhabers,
die in Ihrer Brust erwachte, als Sie unsere Mina sahen. Unsere Mina! O welch
ein süßes Wort! Murr, können Sie dabei unempfindlich bleiben, sollte alle Liebe
erloschen sein in Ihrem Innern gegen die, die Sie so innig liebte - o Himmel,
noch so innig liebt, die Ihnen treu geblieben bis in den Tod, wäre nicht ein
anderer dazwischengekommen und hätte sie verlockt durch schnöde Verführungskünste?
- O Schwachheit, dein Name ist Katz! Das denken Sie, ich weiß es, aber ist es
nicht Katertugend, der schwachen Katze zu verzeihen? - Murr! Sie sehen mich
gebeugt, trostlos über den Verlust des dritten zärtlichen Gatten, aber in dieser
Trostlosigkeit flammt aufs neue die Liebe auf, die sonst mein Glück, mein Stolz,
mein Leben war! - Murr, hören Sie mein Geständnis! - Ich liebe Sie noch, und
ich dächte, wir verhei -" Tränen erstickten ihre Stimme!
Mir war bei dem ganzen Auftritt sehr peinlich zumute. Mina saß da, bleich und
schön wie der erste Schnee, der manchmal im Herbst die letzten Blumen küßt und
gleich in bittres Wasser zerfließen wird!
(Anmerkung des Herausgebers. Murr! - Murr! Schon wieder ein Plagiat!
- In "Peter
Schlemihls wundersame Geschichte" beschreibt der Held des Buchs
seine Geliebte, auch Mina geheißen, mit denselben Worten.)
Schweigend betrachtete ich beide, Mutter und Tochter, die letzte gefiel mir
doch unendlich viel besser, und da bei unserm Geschlecht die nächsten verwandtschaftlichen
Verhältnisse kein kanonisches
Ehehindernis ... Vielleicht verriet mich mein Blick, denn
Miesmies schien meine innersten Gedanken zu durchschauen. "Barbar!"
rief sie, indem sie schnell auf Mina lossprang und sie heftig umpfotend an ihre
Brust riß, "Barbar! Was willst du beginnen? - Wie? Du kannst dies dich
liebende Herz verschmähen und Verbrechen häufen auf Verbrechen!" - Unerachtet
ich nun gar nicht begriff, was für Ansprüche Miesmies geltend machen und welche
Verbrechen sie mir vorwerfen konnte, so fand ich es, um den Jubel, in den sich
das Trauerfest aufgelöst, nicht zu verstören, doch geratener, gute Miene zu
machen zum bösen Spiel. Ich versicherte daher der ganzen aus sich selbst gekommenen
Miesmies, daß bloß die unaussprechliche Ähnlichkeit Minas mit ihr mich irregeführt
und ich geglaubt habe, dasselbe Gefühl entflamme mein Inneres, das ich für sie,
die noch immer schöne Miesmies, in mir trage. Miesmies trocknete alsbald die
Tränen, setzte sich dicht zu mir und fing ein so vertrauliches Gespräch mit
mir an, als sei nie etwas Böses unter uns vorgefallen. (...)