Südliche
Mondnacht
Werden zu doppelter Lust nun doppelte
Tage geboren?
Ehe der eine versank, steigt schon der neue herauf!
Herrlich
in Salben und Glanz, gedächtnislos wie ein Halbgott,
Deckt er mir Gärten
und See zu mit erstarrendem Prunk.
Und der vertrauliche Baum wird fremd, fremd
funkelt der Springbrunn,
Fremde und dunkle Gewalt drängt sich von außen in
mich.
Sind dies die Büsche, darin die bunten Gedanken genistet?
Kaum mehr
erkenn ich die Bank! Die ists? Die lauernde hier?
Aber sie ists, denn im Netz
der fleißigen, winzigen
Spinne
Hängt noch
der schimmernde Punkt! Komm ich mir selber zurück?
Als dein Brief heut kam -
ich riß mit zu hastigen Fingern
Ungeduldig ihn auf -, flogen die Teilchen
hinweg
Von dem zerrissenen Rand: sie sprühten wie Tropfen dem
Trinker,
Wenn er zum Springbrunn sich drängt, um den verdürsteten
Mund!
Ja, jetzt drängt sichs heran und kommt übers Wasser
geschwommen,
Hebt sich mit lieblichem Arm rings aus dem Dunkel zu mir:
Wie
ein Entzauberter atme ich nun, und erst recht nun verzaubert,
Und in der
starrenden Nacht halt ich den Schlüssel des Glücks!
(von Hugo von Hofmannsthal; 1874-1929)
Ein Buchtipp:
Wilhelm Hemecker, Konrad Heumann (Hrsg.): "Hofmannsthal. Orte"
20 biografische Erkundungen.
Dieses Buch ist der erste Versuch, Hugo von Hofmannsthals (1874-1929) Leben und
Werk in einer Gesamtdarstellung zu fassen. Ausgegangen wird von den Orten, an
denen Hofmannsthal gelebt, gearbeitet und Inspiration gesucht hat. Angefangen
vom Geburtshaus in der Salesianergasse und dem Akademischen Gymnasium in Wien
über künstlerisch bedeutende Orte wie das Café "Griensteidl" und das Burgtheater
bis hin zu den für Hofmannsthal wichtigen Städten Berlin, München, Venedig und
Paris beschreiben die Autoren prägende Konstellationen, die mit bestimmten
Örtlichkeiten verbunden sind. Um es mit Hofmannsthals eigenen Worten zu sagen:
"Stunde, Luft und Ort machen alles." (Carl Hanser Verlag)
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