27. Mai 1934 Im
Bett
Frage Eins. Ich kann nicht kommen.
Zwei. Ich schlafe
nicht besser.
Drei. Nein, ich habe alles getan,
was ich nicht
sollte.
Vier. Ich trau mich nicht zum Arzt.
Fünf. Ja, ich liebe
Dich.
Ich bin in einem fürchterlichen Zustand. Ich kann kaum den Stift
halten oder das Blatt vor mir sehen. Seit Wochen wurde es immer schlimmer. Die
letzten vier Tage haben dann allem die Krone aufgesetzt. Ich bin kurz vor dem
Zusammenbruch. Du erinnerst Dich, wie es mir ging, als ich mich das erste Mal
von Dir verabschiedet habe. In der Kardomah als ich mich in Dich verliebt habe
aber zu schüchtern war, um es Dir zu sagen. Es ist jetzt hundertmal schlimmer oh
mein Liebling meine Nerven sind absolut vorm Zerreißen. Ich kann nicht denken
und ich weiß nicht was ich tue Wenn ich spreche weiß ich nicht ob ich schreie
oder flüstere was ein schreckliches Zeichen ist. Hat alles nur mit meinen Nerven
zu tun, aber ich hätte mir nie so etwas Schlimmes vorstellen können.
Und
es ist auch noch alles meine Schuld. So gut es geht, will ich Dir die ganze
Wahrheit sagen. Ich will Dich doch nie anlügen. Du wirst unglaublich wütend auf
mich sein und mir wohl nie mehr schreiben Aber Liebling Du willst doch dass ich
Dir die Wahrheit schreibe, nicht wahr
Ich verließ Laugharne Mittwoch
morgen und machte mich auf zu einem Haus in Gower. In Laugharne habe ich schon
ziemlich viel getrunken & fühlte mich recht komisch. In Gower besuchte ich
Cliff, einen Freund aus den öderen Tagen meines Reporterdaseins. Am Mittwoch kam
seine Verlobte, Billie, hinzu. Sie war groß & dünn, dunkelhaarig, mit roten
Lippen, einem losen Mundwerk und einem rauen Lachen. Später gingen wir aus und
betranken uns. Auf dem Heimweg hat sie die ganze Zeit versucht, mich zu
verführen. Ich sagte ihr, sie solle aufhören, denn sie war betrunken. Als wir zu
Hause waren versuchte sie weiterhin ganz besessen, vor den Augen von Cliff, mich
zu verführen. Sie ging schlafen und Cliff und ich tranken noch mehr und dann
beschloss er, ganz modern, zu ihr zu gehen und mit ihr zu schlafen. Als er aber
in ihr Bett kletterte schrie sie und rannte in meins.
Ich schlief mit ihr
jene Nacht und die drei folgenden. Wir waren Tag und Nacht betrunken Jetzt sehe
ich alles mögliche. Ich glaube es hat mich erwischt.
O Liebling, es tut mir so weh dass ich Dir all dies schreiben muss, aber ich
muss, denn ich will Dir immer die Wahrheit sagen. Und ich will nicht teilen
müssen. Du & ich - sonst niemand, Du & ich - sonst niemand. Aber ich
war ein verdammter Idiot und muss für eine Woche ins Bett Ich bin am Rande vom
delirium tremens Liebling und habe einen Teil meiner ungeheuren Liebe für Dich
an eine dürre, rotlippige Frau mit einem miesen Ruf verschwendet. Ich liebe
sie überhaupt nicht Ich liebe Dich Pamela, immer & ewig Aber sie geht mir
auf die Nerven. Keine Ahnung, warum sie mich liebt Gestern gab sie Cliff ihren
Ring zurück.
Ich muss 100 Meilen zwischen sie und mich bringen.
Ich
muss Wales für immer verlassen und sie nie mehr wiedersehen
Ich sehe Dich
ununterbrochen in ihr und halt mich daran fest Ich muss betrunken sein um mich
daran festhalten zu können
Ich liebe Dich Pamela und muss Dich haben. Wenn all dies vorbei ist, komme ich
sofort. Wenn Du mich lässt. Nein, egal was passiert, ich komme nächste Woche,
wenn Du mich treffen wirst. Sei nicht zu sauer und wütend Was kann ich verdammt
noch mal tun? Und was wirst Du mir verdammt noch mal sagen? Liebling, ich liebe
Dich und denke ununterbrochen an Dich. Schreib postwendend. Und bitte brich
nicht mein Herz indem Du mir sagst ich darf Dich
in London nicht besuchen weil
ich so ein elender Idiot bin. Tausend
Küsse.
Liebling. O Liebling.
(Aus "Die Liebesbriefe" von Dylan Thomas.)
Dylan Thomas, der ewig Verliebte, hat
sein Leben lang die schönsten Liebesbriefe verfasst. Aus Wales, London und New
York schrieb er voller
Sehnsucht,
schmeichelnd, hemmungslos, witzig und gerissen an einen Reigen wunderbarer Frauen:
von der Autorin Pamela Hansford Johnson über seine hinreißende Ehefrau Caitlin
bis zu seiner letzten Geliebten Elizabeth Reitell. (Hanser)
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