Erkunden der Neigungen der Frau

1. Der Werbende möge das Verhalten der Frau erkunden. Dadurch wird ihr Wesen erkannt. Und demgemäß tue man das für die Werbungen Erforderliche.
2. Wenn sie ihre Absicht nicht offenbart, gewinne man sie durch eine Botin.
3. Eine, die zwar auf die Werbung nicht eingeht, aber doch wieder sich mit ihm trifft, verstehe man als eine mit zweifach gerichtetem Sinn. Diese soll man schrittweise erobern.
4. Eine, die zwar auf die Werbung nicht eingeht, aber besonders geschmückt sich wieder sehen lässt und gerade so ihn aufsucht, verstehe man als eine, die man im Verborgenen mit Gewalt nehmen muss.
5. Eine, die sogar viele Werbungen sich zwar gefallen lässt, aber selbst nach langer Zeit sich nicht ergibt, diese ist eine, um die vergebens geworben wird; sie ist durch Abbruch der Beziehungen zu gewinnen,
6. weil der Sinn des Menschengeschlechts unbeständig ist.
7. Auch wenn eine Frau umworben wird, weist sie den Mann ab und trifft sich nicht mit ihm. Aber sie weist ihn auch nicht endgültig zurück wegen der Würde und des Stolzes in ihm und ihr. Eine solche Frau ist nur durch enge Beziehungen und auch dann nur mit Mühe zu erobern. Durch eine ihre Schwächen kennende Botin könnte man sie ebenfalls gewinnen.

8. Wenn eine umworbene Frau den Bewerber in grober Art zurückweist, ist sie künftig zu übersehen.
9. Aber wenn sie, wenngleich sie grob gewesen ist, den Sinn auf Liebe richtet, soll er versuchen, sie zu erobern.
10. Aus irgendeinem Grund lässt sie sich seine Berührung gefallen, will es aber nicht wahrhaben, da sie zweifach gerichteten Sinns ist. Sie ist durch Ausdauer oder Geduld zu erobern.

11. Auf die nahebei Lagernde lege er gleichsam schlafend die Hand nieder. Auch sie blickt, gleichsam schlafend, auf ihn. Wachend aber mag sie ihn wegstoßen, noch mehr Werbungen begehrend.
12. Damit ist auch das Stellen eines Fußes auf den Fuß der Geliebten erklärt.
13. Wenn dies Berühren mit der Hand bzw. mit dem Fuß weiter vorangekommen ist, soll man zur Umarmung der Schlafenden übergehen.
14. Wenn sie sich das nicht gefallen lässt und aufsteht, aber am nächsten Tag sich wie üblich verhält, so möge man wissen, dass sie nach Werbung verlangt. Lässt sie sich aber nicht sehen, soll man wissen, dass sie durch eine Botin gewonnen werden muss.
15. Wenn sie sich in ihrer üblichen Verfassung mit ihm trifft, nachdem sie sich hat lange Zeit nicht sehen lassen, so hat sie damit ein Zeichen gegeben; indem ihr Wesen erkannt wurde, soll er sich an sie heranmachen.

16. Selbst wenn sie nicht umworben wird, rufe sie gewissermaßen dazu auf: beim Alleinsein mit ihm offenbare sie sich. Sie spreche mit Zittern und Stottern. Sie habe schwitzende Finger und Zehen und ein verschwitztes Antlitz.


 

(aus dem Kamasutra von Mallanaga Vatsyayana)
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