Wege zur Bekanntschaft mit einer Frau
1. Während
eine Unverheiratete durch eigenes Werben des Mannes erobert wird und nicht durch
eine Botin, sind Verheiratete, sofern sie ein zartes Wesen haben, durch eine Botin
zu erobern und nicht durch den Mann selbst, so sprechen die Lehrer.
2. Überall ist, im Bereich des Möglichen, eigenes Tun das besser Geeignete.
Nur wenn das erschwert ist, verwende man eine Botin. So lehrt
Vatsyayana.
3. Die zum erstenmal die Ehe brechenden Frauen, mit denen eine unbehinderte Unterhaltung möglich ist, sind durch den Mann selbst zu verführen; diejenigen, bei denen es umgekehrt ist, gewinne man durch eine Botin, so lautet die allgemeine Ansicht.
4. Wer im Begriff ist, selbst zu werben, muss aber
zuerst Bekanntschaft schließen.
5. Das Sehen sei ein sich von selbst
ergebendes oder ein beabsichtigtes.
6. Für das sich von selbst ergebende Sehen empfiehlt sich die Nähe
der eigenen Wohnung, für das beabsichtigte die Nähe der Wohnung eines
Freundes, Verwandten, Ministers oder Arztes, ferner
Hochzeiten, Opfer,
Feste,
Zwischenfälle, Parkspaziergänge usw.
7. Bei einer Begegnung richte man auf sie ständig einen anmutigen Blick, ordne das Haar, scharre verlegen mit den Fingernägeln, spiele am Schmuck, nage an der Unterlippe, treibe dieses und jenes. An der Seite der Gefährten erzähle man unter ihren Augen auf sie gemünzte, aber von anderen handelnde Geschichten. Freigiebigkeit und Freude am Genuss sind zu offenbaren. Der auf dem Schoß eines Freundes Sitzende möge gähnen und dabei die Glieder dehnen. Man verziehe bedeutungsvoll die eine Augenbraue. Die Sprache sei langsam. Auf ihre Rede ist zu hören. Man führe mit einem Knaben oder jemand anderem ein sie betreffendes, aber von jemand anderem handelndes, zweideutiges Gespräch. Dabei lasse man selbst seine Wünsche durchblicken. Unter einem anderen Vorwand, aber eben auf sie zielend, küsse und umarme man den Knaben und gebe ihm mit der Zunge Betel. Mit dem Zeigefinger streichle man ihn am Kinn. Dies und anderes ist je nach Situation und Gelegenheit zu beherzigen.
8. Und man liebkose einen Knaben auf ihrem Schoß und gebe ihm Spielsachen und nehme sie zum Schein wieder weg. Indem man sich ihr dadurch nähert, ergibt sich das Anknüpfen eines Gesprächs. Und hat man mit jemandem, der in Ruhe mit ihr sprechen kann, Freundschaft geschlossen, ist zu handeln, und dies wiederholt: man suche einen Anlass zum Gehen und Kommen, und in Hörweite erzähle man, ohne sie anzusehen, vom Kamasutra.
9. Hat sich die Bekanntschaft
vertieft, lege er in ihre Hand ein Gut und eine Sache zum Aufbewahren. Davon
nehme er täglich und jeden Augenblick einzelnes zurück. Es können
Duftstoffe
und Früchte
der Betelpalme sein.
10. Er bringe die begehrte Frau mit seine Gattinnen in trauter Gesellschaft
und an einem nicht öffentlichen Ort zusammen,
11. um sie ständig sehen und ihr Vertrauen gewinnen zu können.
12. Hat sie Wünsche, die einen Goldschmied, Juwelier, Edelsteinarbeiter,
Indigo- oder Safranfärber usw. betreffen, soll er sich selbst mit solchen
Handwerkern unter seinen Untergebenen zusammentun und sich um die Erfüllung
dieser Wünsche kümmern.
13. Indem er sich unermüdlich
um alles müht, sehe er sie über lange Zeit, so dass die Welt davon erfährt.
14. Und dabei beachte er auch noch anderes.
15. An welcher Leistung, Sache, Raffinesse ihr liegt und was immer er an Übung,
Erfahrung, Erziehung, Mitteln und Kenntnissen aufzuweisen hat, soll er zeigen.
16. Über früher geschehene Weltbegebenheiten sowie über Untersuchungen
über die Eigenschaften der Dinge finde mit ihr und ihrem Gefolge ein Gespräch
statt.
17. Hierbei werden Wetten geschlossen. Bei diesen setze man die Frau in das
Schiedsrichteramt ein.
18. Wenn er aber mit ihr streitet, spreche er: "Äußerst merkwürdig!"
Dies sind die Wege zum Bekanntwerden.
(aus dem Kamasutra)
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