Jamie Oliver: "Kochen mit Jamie Oliver"
The Naked Chef - Englands junger Spitzenkoch
Von Anfang an genial
Ich sag's
gleich zu Beginn: Ich bin ihm auch verfallen! Und wie es bei einer
richtigen Liebesbeziehung so sein soll, standen dieser Beziehung in der
Kennenlernphase auch ein paar kleine Hindernisse im Weg.
Erstens Jamie Oliver ist "in" - wer bin ich denn, dass ich gleich bei
jeder Mode mitmache! Da braucht es schon mehr als eine Kochsendung, die
hierzulande erst kurz vor Mitternacht ausgestrahlt wird, dass ich diesem
"Modeaccessoire" der Küche Kultstatus zugestehe. Zweitens - muss er so
aussehen, als ob Bon Jovi sich in die Küche verirrt hätte? Und drittens
ist es schon wieder einmal ein Mann - diesmal wenigstens ein junger -
der den Zigmillionen seit Generationen tagtäglich kochenden Frauen
erklärt, dass Kochen Spaß macht. Hm-hm!
Aber bitte, man ist ja nicht so. Schließlich schwärmt wirklich ein jeder
von seinem Flair, seinen Ideen - und überhaupt muss man ihn kennen.
Gänzlich vorurteilsfrei habe ich mich also in dieses hippe Kochbuch
versenkt und ...
Von der ersten Seite weg hat er mich gehabt. Der persönliche Stil, in
dem Jamie Oliver in der Einleitung erzählt, wie er zum Kochen gekommen
ist, bleibt das ganze Kochbuch hindurch erhalten. Es ist, als blickte er
einem beim Einkaufen bereits über die Schulter, wobei er einen dabei
aber nie belehrt sondern schlicht berät und seine Ansichten über die
Waren und deren Qualität mit einem teilt. Es ist, als stünde er in der
Küche neben einem, nur eine gute Idee anbietend, mit ein paar kleinen
Tipps zusätzlich, damit dem Leserkoch wieder einmal etwas Neues gelingt.
Zu vielen Rezepten gibt es eine kurze Einleitung - z. B. was ist beim
Kauf von diesem oder jenem Fleisch/Fisch zu beachten, was gibt es zu
wissen über das Kochen von Hülsenfrüchten,
oder auch rezeptbezogen: was ändert sich am Rezept, wenn ich eine andere
Sorte Gemüse verwende - dann folgen die Rezeptangaben (Mengen) und
schließlich die Beschreibung. Was mache ich wie am geschicktesten und in
welcher Reihenfolge. Die Anleitungen sind in knappen Sätzen geschrieben,
kurz und klar, und maximal eine Seite lang. Auch in dieser
Arbeitssprache bleibt Oliver persönlich. Immer wieder taucht ein kleines
"ich (Oliver) mache das soundso" auf, sodass man sich auch beim Kochen
von ihm betreut fühlt. Besonders gefallen haben mir die
Variationsangebote. Damit meine ich, dass er z. B. bei den Pastas ein
Grundrezept voranstellt und dann seine Lieblingsvariationen zu diesem
Rezept ausführt. Man wird also auch so ein bisschen angelernt, von einem
Basisrezept aus mit Kräutern und verschiedenen Zutaten zu
experimentieren.
Seine "neuen" Ideen sind nicht unbedingt gleichfalls seine Erfindung
(was er auch nicht behauptet) - die sind eher dem Marketing des
"Produktes Jamie Oliver" zuzuschreiben - zum Beispiel, dass aus
hochwertigen Zutaten nur ein köstliches Gericht werden kann. (Ich muss
da an die etwas lakonischere Variation dieses Gedankens, von meiner Oma
formuliert, denken: "Hast ein gutes Fleisch, dann kann schon nicht mehr
alles schiefgehen.") Oder die ewig betonte Schlichtheit aller Zutaten:
frische, am besten selbstgezogene Kräuter;
Garnelen; Limetten; selbstgemachte Pasta - da steckt schon eher Anspruch
dahinter. Wenigstens braucht man bei den Küchengeräten keine Exotica:
Messer, Töpfe, Pfannen, einen Küchenmörser, eine Nudelmaschine - oha!
Allerdings habe ich noch nie so gute Argumente für die beiden
letztgenannten Geräte gehört, wie von Jamie Oliver, und nun bin ich der
Meinung, dass sich eine Anschaffung womöglich wirklich auszahlen könnte.
Worin Jamie Olivers Buch aber alle anderen Kochbücher, die ich je
gelesen habe, schlägt, ist seine Begeisterung für das Kochen! Und diese
Begeisterung transportiert sich in jedem Satz und ist wirklich
ansteckend. (Auch ohne je die Fernsehsendung gesehen zu haben.) Und dass
Begeisterung für eine tagtägliche Sache wieder derart "in" sein kann,
gefällt mir außerordentlich! Ich lasse mich wirklich gerne von diesem
Kochbuch begeistern, anfeuern und vor allem inspirieren.
Amüsant finde ich, dass hauptsächlich das junge, beruflich erfolgreiche
männliche Publikum mit diesem Kochbuch erreicht wird. (Zumindest aus
meinem Bekanntenkreis waren das die Ersten, die mir von dem neuen Hype
erzählt haben. Und Mütter, die für ihre Söhne das besondere Kochbuch
gesucht haben, habe ich schon mehrmals in einem Buchladen überhört.) Geld hat
diese Spezies ausreichend, aber nicht immer genug Zeit, um einem
Extra-Hobby nachzugehen. Also wird schlicht und einfach eine tagtägliche
Notwendigkeit - Essen - zur neuen Hobbykunstform erklärt, und damit man
es nicht so alleine macht, werden die Freunde dazu eingeladen. Ist doch
einfach schön, oder?
Jamie Oliver wuchs in Clevering/Essex auf, wo er bereits im Alter von acht Jahren im Pub seiner Eltern kochen lernte. Nach seinem Abschluss am Westminster Catering College in London lebte er ein Jahr in Frankreich und Italien. Nach seiner Rückkehr nach England arbeitete Jamie im "Neal Street Restaurant" in Covent Garden in London, später im legendären "River Café". 1997 wurde er dort vom englischen Fernsehsender BBC bei einer Dokumentation über das Londoner Nobelrestaurant entdeckt.
(Die Prinzessin; 03/2003)
Jamie Oliver: "Kochen
mit Jamie Oliver"
Aus dem Englischen von Gina Beitscher.
Dorling Kindersley, 2002. 256 Seiten. Mehr
als 100 Farb- und s/w-Fotos.
ISBN
3-8310-0394-7.
ca. EUR 16,90. Buch bestellen