Josef Imbach: "Geheimnisse der kirchlichen Küchengeschichte"

Pikante Episoden und köstliche Rezepte


Der Schweizer Theologieprofessor Josef Imbach versucht in "Geheimnisse der kirchlichen Küchengeschichte" den Leser sowohl mit den verschiedensten Anekdoten aus der zweitausend Jahre alten Geschichte der Kirche als auch mit Rezepten, die er teilweise selbst erfunden hat und teilweise aus anderen Kochbüchern zitiert, kurzweilig zu unterhalten. Er geht dabei voll mit dem Zeitgeist, wenn er mit Witz und locker geführter Sprache sein Wissen zu diesen Themen darstellt. 

Die Zeit, in der man mit trockener Wissenschaft reüssieren und davon auch noch leben konnte, ist längst vorbei. Auch für die werte Professorenschaft. Die Sympathie der Leser glaubt man vollends mit den eigenen Geschichten, die man in Verbindung mit dem Kochen erlebte, zu gewinnen. 

Josef Imbach beginnt mit den Klerikergelüsten und den Klosterspeisen. Die Vorlieben diverser Kirchenfürsten werden geschildert und der Autor - ein Schweizer, wie bereits erwähnt - wagt sich daran, noch einmal darauf hinzuweisen, dass der Nationalstolz der Bayern verletzt worden ist, als ein thüringischer Lokalhistoriker nachwies, das thüringische Reinheitsgebot beim Bierbrauen sei bereits 82 Jahre vor dem bayrischen zu Papier bzw. zu Pergament gebracht worden. Als Schweizer darf er das, solange er sich auf seine immerwährende Neutralität beruft. 
Im Weiteren führt uns Josef Imbach in die Ewige Stadt und erklärt, was den Apostel Petrus, die Kurtisane Imperia und den heiligen Blasius miteinander verbindet. Verraten sei nur, dass die schöne Imperia zum Giftbecher griff, als sie befürchtete, auf das Abstellgleis geschoben zu werden. Dies ereignete sich 1512. Und damals wurde ihr noch die Ehre erwiesen, in einer Kirche beigesetzt zu werden. Ganz Rom trauerte. Jedoch musste die inzwischen sicherlich nicht mehr ganz so schöne Imperia 1653 ihr Grab wieder aufgeben und einem römischen Geistlichen weichen. Denn im Zuge der trentinischen Erneuerung war es nicht mehr schicklich, Damen des ehrbaren Gewerbes - zumindest ihre sterblichen Überreste - innerhalb einer Kirche ruhen zu lassen. Heute treiben es die Päpste nicht mehr so wild wie ihre Kollegen aus der Zeit der Renaissance, und statt an Kurtisanen halten sie sich lieber an kulinarische Genüsse. Und wenn der Papst ein Pole ist, so können schon mal Wodkanudeln auf die vatikanische Tafel gelangen - gemacht natürlich nur mit polnischem Wodka. 

Kritische Töne gibt Josef Imbach von sich, wenn er vom leidigen Fasten und von lustigen Festen berichtet. Denn jeder, der glaubt, es wäre gottgefällig, wenn er, so wie einst Jesus, vierzig Tage lang fasten würde, irrt. Dies bewies schon der Fastenkünstler in der kirchlichen Geschichte schlechthin, Franz von Assisi. Denn einst ließ er sich auf eine Insel rudern, um dort zu fasten, nahm aber zwei Leib Brot mit. Als er vierzig Tage später wieder abgeholt wurde, hatte er zumindest einen halben Leib verzehrt, denn er wollte sich nicht mit dem Messias gleichsetzen. Und so sprachen sich viele bedeutende Kirchenmänner für einen goldenen Mittelweg aus. Trotzdem bewegte sich die Kirche immer zwischen Extremen, und es folgten der Fastenzeit lustige Feste und lustigen Festen harte Fastenzeiten. 
Bei den lustigen Festen fällt Josef Imbach der Kult-Sketch "Dinner for One", auch bekannt als "Der 90. Geburtstag", ein. So witzig der alljährlich zu Silvester in mehreren Fernsehprogrammen gezeigte Sketch mit May Warden und Freddie Frinton auch ist, abgetippt in Buchform nimmt er sich in seiner ganzen Länge nicht halb so komisch aus. Noch weniger witzig ist er sicherlich für Menschen, die den Fernseh-Sketch nicht gesehen haben - das sind aber vermutlich nur wenige. 

In einem letzten Kapitel erzählt Josef Imbach, wie die Heiligen an den Herd und die Hexen in die Küche kamen. Die Kirche trat ja zweitausend Jahre lang immer wieder streng gegen jeden Aberglauben auf, ließ aber einen großen Aberglauben zu, indem sie das Volk glauben ließ, durch Gebete - nicht zu vergessen die Opfergaben in barer Münze - würden diverse Heilige ihm bei allen möglichen Gelegenheiten zur Hilfe kommen. Und so wurden Heilige Schutzpatrone von Handwerkern und Lebensmittelerzeugern. Die irische Brigitta von Kildare hätte eigentlich die Schutzheilige der Biertrinker werden müssen, da sie in einer ihrer Visionen einen Biersee im Paradies erschaute, an dem sich die Seligen nach Lust und Laune laben durften. Da sie aber unglücklicherweise einmal Wasser in Milch verwandelte, wurde sie Schirmherrin der Melker, Käser und Rinderzüchter. Und irgendwie scheint es mir makaber, wenn Katharina von Alexandria, die gerädert wurde, sich zur Schutzheiligen der Müller entwickelte, auf dass die Mühlräder sich wacker drehen. Zu wenig durchleuchtet wurde das Verhältnis der Hexen zur Küche, denn Hexen sind Frauen, und Frauen sind sicher die ältesten Köche der Welt. Vielmehr, als dass 1782 - also erst vor 220 Jahren - die letzte Hexe in der Schweiz offiziell zum Tode verurteilt worden ist, erfahren wir leider nicht. Aber in der Schweiz haben die Frauen auch erst vor kurzem in den letzten Gemeinden ihr Stimmrecht bekommen.

(Ivan Kristianof; 12/2002)


Josef Imbach: "Geheimnisse der kirchlichen Küchengeschichte"
Patmos
, 2002. 208 Seiten mit zahlreichen schwarzweißen Abbildungen.
ISBN 3-491-70357-3.
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