Terry Pratchett: "Maurice, der Kater"

Ein allerletzter Coup noch - danach wollen sich alle aus dem "schmutzigen Geschäft" zurückziehen: der sprechende Kater Maurice, der vorgebliche Rattenfänger Keith, und auch die intelligenten sprechenden Ratten ...


Die deutschen Fassungen der Hörbücher von Terry Pratchetts Romanen werden in der Regel von Dirk Bach gelesen, was sicherlich angemessen ist. Für die britische Fassung ist die Stimme von Tony Robinson - dem Baldrick aus Rowan Atkinsons "Black Adder"-Serie sicherlich eine mehr als passende Stimme. Mit seinem schauspielerischen Talent lässt Tony Robinson die verschiedenen Charaktere vor den Ohren/Augen des Zuhörers lebendig werden, wie es sonst nur Rufus Beck in den "Harry Potter"-Hörbüchern gelingt. Darum lohnt sich für den Freund der englischen Sprache schon alleine deshalb die Anschaffung des englischsprachigen Hörbuchs.

Wer das Ganze lieber in deutscher Übersetzung erleben möchte, für den ist auch Dirk Bach sicherlich eine wahre Freude. Und die hier erzählte Geschichte tut ihr Übriges, um das Zuhören in jeder Sprache zu einem unterhaltsamen und auch gedankenanregenden Genuss zu machen.

Die Müllkippe der Unsichtbaren Universität von Ankh Morpork ist voller Abfälle der Zauberei, weswegen auch Warnschilder alle des Lesens Kundigen von dieser Anlage fern halten. Nun können Ratten aber nicht lesen, und so fressen sie alles, was ihnen unter die Pfoten kommt. Mit erstaunlichen Konsequenzen. Plötzlich beginnen sie, sich untereinander zu verständigen, ihr Leben zu planen und sich anhand der Lebensmittelverpackungen auf der Müllkippe das Lesen beizubringen. Dies ist auch die Zeit, in der sie sich selber Namen geben, bevor sie ganz verstehen, was sie da gelesen haben. So kommen Ratten mit Namen wie "Zusätze" und "Gefährliche Bohnen" oder einfach "Nahrhaft" zusammen und beschließen, ein neues Leben zu führen, nach dem Vorbild einer Fabelsammlung, in der Menschen und Tiere friedlich und freundlich zusammen leben.

Dies alles könnte sehr schnell der Ratten Ende bedeuten, wenn da nicht Maurice wäre. Dieser alte zerrupfte und extrem zynische Kater hat anscheinend auch etwas - oder jemanden - Falsches gegessen und nimmt die Ratten und einen ein wenig dämlichen Flötenspieler unter seine Fittiche. Denn nur wer arbeitet kann auch essen. Und so sind sie auf folgende Vorgangsweise gekommen: Maurice kundschaftet kleine Städte aus, die dann die Ratten heimsuchen. Die (menschlichen) Stadtbewohner rufen daraufhin in Panik nach einem Rattenfänger (dem "zufällig" anwesenden Keith), der die Ratten dann aus der Stadt führt. Nachdem dieser Trick in der näheren Umgebung von Ankh Morpork ein paar Mal zu oft ausprobiert wurde, ziehen die fröhlichen Trickbetrüger nach Oberwald, um dort zu Geld zu kommen. Die Ratten und auch Keith - ihr menschlicher Begleiter - sind mit dieser speziellen Art des Gelderwerbs allerdings aus moralischen Gründen zunehmend unglücklich, so dass nur noch eine kleine Stadt das Opfer dieses Streichs werden soll.

Die Stadt, die sich die Kameraden aussuchen, leidet allerdings anscheinend schon unter einem Rattenproblem und dem daraus resultierenden Nahrungsmangel, was Maurice fast in einem Suppentopf landen lässt. Mit der überaus realitätsgestörten Malicia Grimm, der Tochter des Bürgermeisters, beginnen Keith und Maurice, den Ereignissen in der Stadt auf den Grund zu gehen. Dabei begegnen sie betrügerischen Rattenfängern, normalen Ratten, Terriern und einem geheimnisvollen Wesen, das "der Rattenkönig" genannt wird. Malicia muss feststellen, dass Abenteuer im richtigen Leben wesentlich weniger gut organisiert sind als in ihren Büchern und in den Büchern, die ihre  Vorfahren, die Schwestern Grimm geschrieben haben. Und die Lösung stammt direkt aus dem Handbuch für internationale und normale Konfliktlösung: "Ein gutes Ende ist nicht, wenn einer Alles gewinnt, sondern wenn jeder glaubt, eigentlich nicht verloren zu haben." Wie die Katze der Ratte erklären musste ...

Nachdenklich, lustig, intelligent, sprachlich witzig und einfach gut. Für Kinder aller Altersstufen - also von 16 bis 600 Jahren ...

(K.-G. Beck-Ewerhardy; 12/2003)


Terry Pratchett: "Maurice, der Kater"
(Originaltitel "The Amazing Maurice and his Educated Rodents")
Aus dem Englischen von Andreas Brandhorst.
Goldmann, 2004. 
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zur Rezension von Pratchetts "The Wee Free Men"