Shelley Tanaka, Paul Bahn: "Die geheimnisvolle Welt der Mumien"
Wie Körper die Jahrtausende überstehen
"Die
geheimnisvolle Welt der Mumien - Wie Körper die Jahrtausende
überstehen", so lautet der komplette Titel des Kinderbuches zu
einem nicht alltäglichen Thema. Einer erfolgreichen
Kinderbuchautorin (S. Tanaka) und einem Archäologen (P. Bahn)
mit großer Fachkompetenz ist dies anschauliche und kompetente
Werk zu verdanken, das von Mumien weltweit handelt.
Zugegeben, es bedarf eines besonderen Interesses oder gar einer
gewissen Begeisterung für dieses doch ziemlich morbide Thema;
insbesondere angesichts der jungen Zielgruppe, weil sich das Buch an
junge Leser richtet, genauer ab zehn Jahren. Dementsprechend ist das
Kinderbuch auch optisch und sprachstilistisch aufbereitet. Mittels
leicht verständlicher Texte, wobei Fachwörter im
Glossar erklärt werden, die so angeordnet sind, dass deren
Inhalte immer zu den dazugehörigen Abbildungen passen.
Beim ersten Durchblättern des Buches weht den Interessierten
gleich ein Hauch von Grusel entgegen, was aber durch die bunte
Gestaltung der einzelnen Seiten mitsamt den faszinierenden farbigen
Fotos kompensiert wird. Trotz der teils großformatigen
Mumien-Abbildungen, ist es den Gestaltern des Buchs gelungen, durch
visuelle Farbeffekte, sei es anhand grafischer Landkarten oder farbiger
Flächen, die eher dunkle Seite dieses Themas abzufangen. Dies
wird noch ergänzt durch verschiedene Landschaftsfotos von
Fundörtlichkeiten und Fundgegenständen.
Die Gliederung der Themenkapitel in dem knapp fünfzigseitigen
Kinderbuch quadratischen Formats ist wie folgt: An ein kurzes Vorwort
schließen die Hauptkapitel Amerika, Ägypten, Europa,
Asien und "moderne Mumien" sowie ein Epilog an. Sortiert nach
Kontinenten, wobei dem klassischen Mumienland Ägypten ein
eigenes Kapitel gewidmet ist. In den Kapiteln werden Mumienfunde aus
den entsprechenden Kontinenten bzw. dem Land vorgestellt, wobei es sich
ausschließlich um alte Mumien handelt. Im Gegensatz zum
Kapitel "moderne Mumien"; darin erfährt der junge Leser
einiges über Verstorbene und danach Einbalsamierte aus unserer
Zeit. Abschließend noch eine schöne Zeitleiste, ein
Glossar und ein Inhaltsverzeichnis.
Im Vorwort erklärt die Autorin, was eigentlich heutzutage
unter einer Mumie zu verstehen ist, nämlich "jeder
Körper, dessen Weichteile konserviert wurden". Und sie
klärt die junge Leserschaft insofern gleich auf, dass Tote vor
langer Zeit entweder künstlich durch Menschenhand
präpariert wurden, (dies war Teil des religiösen
Glaubens), oder auch natürlichen Prozessen ausgesetzt waren,
welche ebenfalls Mumien entstehen ließen. Generell wird in
dem Buch auf spezielle biologische Vorgänge eingegangen sowie
auf Aussehen, Alter oder Fundsituation von verschiedenen Mumienfunden
weltweit. Ebenso berichtet das kleine Werk von den wissenschaftlichen
Erkenntnissen, die daraus gewonnen wurden, und wie diese der heutigen
Menschheit von Nutzen sein können.
Im Kapitel Amerika erfährt der (junge) Leser, dass dort ein
Volk noch vor den Ägyptern seine Toten mumifizierte, und
überhaupt stammt die älteste je gefundene Mumie vom
Volke "Chinchorros" (Südamerika, 5050 v.Chr.). Kindermumien,
die Archäologen ebenda fanden, wurden einst (als Lebende) von
ihrem Volk getötet, um sie den Göttern zu opfern.
Spätestens an dieser Stelle wird das eine oder andere
"Sensibelchen" schockiert sein; und es bedarf sicherlich noch weiterer
Ausführungen seitens eines Erwachsenen, um einem
Halbwüchsigen dieses grausame Ritual nicht nur auf sachlicher
Ebene zu erklären. Diesem speziellen Artikel
beigefügte Fotos von zwei Kindermumien unterstreichen dieses -
nicht nur für Kinder - wahrhaft abstruse Ereignis.
Im nächsten Kapitel werden die berühmtesten Mumien
Ägyptens vorgestellt: Tutanchamun und Ramses
II. - königliche Mumien, die eine gefunden in einem
herrlichen Goldsarg, der ebenfalls im Buch abgebildet ist. Die
ägyptische Mumifizierungstechnik
haben Wissenschaftler an einem Verstorbenen unserer Zeit ausprobiert;
dies wird spannend in selbigem Kapitel beschrieben.
Nun folgen noch die Kontinente Europa und Asien mit ihren gefundenen
Mumien, wobei gerade die so genannten Moorleichen, die in Nordeuropa
entdeckt wurden, eine Faszination ihresgleichen ausüben. Denn
gerade diese können nach Jahrtausenden noch mit schockierend
lebensechten Gesichtern auftauchen. Die für uns wohl
bekannteste europäische Mumie dürfte die des
"Ötzi" sein. Und über diese sehr alte Mumie
erfährt die junge Leserschaft im gleichen Kapitel z.B. Details
zum Fundort oder wo sich "Ötzi" heute befindet.
Asiatische Mumien, nicht minder faszinierend, die teils noch immer
Rätsel aufgeben, fanden Forscher beispielsweise in
Eisblöcken, in einfachen Gräbern oder in
Sanddünen. Dass sich Menschen aber auch noch während
ihrer Lebenszeit selbst mumifizierten, gab es auch; keine geringeren
als die asiatischen Mönche.
Apropos "gruselige Abbildung": Trotz dieser bildhaft gezeigten Mumien
hat jede einzelne etwas Erhabenes und Geheimnisvolles an sich. Und man
schaut sich die Bilder mit Respekt vor dem Tod auch gerne genauer an.
Doch im Kapitel "moderne Mumien", wo plastinierte Körper zu
sehen sind, die auch in Ausstellungen ("Körperwelten") in der
ganzen Welt gezeigt werden, durchläuft den Betrachter ein
seltsamer Schauer. Weil Tote lediglich zu makaberen Kunstobjekten
werden?! Wer diese nicht sehen will, sollte einfach
weiterblättern. Oder sich die authentisch aussehenden
Verstorbenen, z.B. Lenin, darin ansehen.
Nach Auslesen und Anschauen des Kinderbuchs sind jedenfalls viele
Fragen, man vielleicht schon immer über zum Thema Mumien
hatte, geklärt. So zum Beispiel: Können alte Mumien
Krankheiten übertragen? Warum wurden Mumien mumifiziert? Was
macht die Wissenschaft mit ihnen? Wann lebten diese Menschen einst auf
Erden? Und weiteres mehr.
Da sich das Buch auch auf dem neuesten themenspezifischen Stand der
Wissenschaft befindet, wissen die jungen Leser dann auch, dass aufgrund
der globalen Klimaerwärmung
immer mehr Mumien gefunden werden können; und gerade in
Ägypten werden sicherlich auch noch viele Mumien ihrer
Entdeckung harren ...
Dieses kindgerecht aufbereitete Lesebuch ist für kleine
unerschrockene Forscher bestimmt gut geeignet. Für
zartbesaitete Kinder ist es eher weniger zu empfehlen, nicht nur wegen
einiger Mumienabbildungen, sondern, wie oben schon erwähnt,
auch aufgrund mancher Todesumstände und Rituale.
Eltern sollten eventuell vorab das Buch gut durchblättern, um
sicher zu gehen, ob sie den Kleinen die gezeigten Fotos, mit den
teilweise schaurigen Mumien(-geschichten), wirklich zumuten
möchten - und dann auch keinesfalls vor
dem Schlafengehen.
(Anja Semling; 02/2007)
Shelley
Tanaka, Paul Bahn: "Die geheimnisvolle Welt der Mumien. Wie
Körper die Jahrtausende überstehen"
Knesebeck Verlag, 2007. 48 Seiten. (Ab 10 J.)
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Shelley
Tanaka ist erfolgreiche Kinderbuchautorin und hat auch bereits in
Deutschland mehrere Bücher zu Geschichte und
Archäologie veröffentlicht.
Paul Bahn genießt als Archäologe internationalen
Ruf. Viele seiner Publikationen sind Standardwerke geworden.