"Der zerbrochene Krug"
nach Heinrich von Kleist
Das
Jubiläum des 200. Todesjahres von Heinrich von Kleist bringt
es mit sich, dass der Kindermann-Verlag in seiner wunderbaren Reihe
"Weltliteratur für Kinder" die einzige Komödie von
Kleist in einer Neuerzählung veröffentlicht. "Der
zerbrochene Krug" ist ein zeitloses Stück, dem es an
gesellschaftskritischen Untertönen nicht mangelt.
Die nunmehrige Aufbereitung für Kinder ist erstaunlich
umgesetzt. Dorfrichter Adam, dem quasi selbst der Prozess gemacht wird,
den er zu leiten gezwungen ist, versucht sich Kraft seines Amtes selbst
aus der Affäre zu ziehen, und einen Schuldigen zu finden, der
statt seiner verurteilt wird. Dass ein zerbrochener Krug eine
Richterlaufbahn beenden mag, hätte sich Adam wohl nicht
gedacht, doch letztlich ist er als Täter
überführt. Er schlich sich bei einer jungen Dame ein,
die längst mit einem Jüngling verlobt ist, und wurde
dabei auf frischer Tat ertappt. Das Komödiantische an der
Geschichte ist, dass es einige Beweise für die Schuld des
Dorfrichters gibt, diese jedoch lange Zeit nur als Wink mit dem
Zaunpfahl Richtung Adam eingesetzt werden. Er will seinen Status
bewahren, entflieht am Ende dann aber doch seinem eigenen Prozess, weil
alles gegen ihn spricht.
Das Wechselspiel von Sein und Schein, von Realität und
Fantasie, von äußeren und inneren Wahrheiten, von
Haben und Sein entfaltet sich im "Zerbrochenen Krug" auf bestechende
Weise. Die jungen Leser werden somit mit einer Welt konfrontiert, die
sie im Laufe ihres Lebens verstehen lernen müssen, um im Spiel
der eigentlichen und der bloß sich selbst
beweihräuchernden Mächte bestehen zu können.
Kann unsere Zeit heute überhaupt noch Tugenden vermitteln,
oder will sie das überhaupt? Und wer vermittelt den Kindern
die Zusammenhänge der menschlichen Realitäten abseits
von Inszenierungen von Macht und dem Irrsinn des Konkurrenzdenkens, der
Existenzen zu zerstören vermag? Eine Antwort darauf ist die
Literatur. Wer liest, bildet sich nicht nur, sondern lernt mit der
Zeit, über das vorgegebene Raster eingefrorener in sich
zerstörerischer Gesellschaftssysteme hinaus zu sehen. Wer
liest, lässt jene Grenzen hinter sich, die Wirtschaft und
Politik gesetzt haben und am liebsten für alle Ewigkeit
sichern wollen.
"Der zerbrochene Krug" ist ein Beispiel dafür, woran es vielen
Menschen zu allen Zeiten gemangelt hat, mangelt und mangeln wird:
Selbsterkenntnis, Verständnis für die eigene
Fehlerhaftigkeit und jene der anderen Menschen, Selbsttranszendenz
abseits von Standesdünkel, innerer Abstand zu
zerstörerischen Tendenzen im Gesellschaftsgefüge.
Es geht auch anders. Die menschliche Komödie spiegelt sich im
"Zerbrochenen Krug" wider.
Barbara Kindermann und ihrem Illustrator Willi Glasauer ist es zu
verdanken, dass Heinrich von Kleists einzige Komödie
für weiteren Gesprächsstoff sorgen wird. Die Reihe
"Weltliteratur für Kinder" ist um einen kostbaren Schatz
erweitert worden, und übrigens auch älteren Lesern zu
empfehlen. Schließlich kann es nie schaden, sich von den
lesebegierigen Kindern und deren Zugang zur Welt etwas abzuschauen.
Gemeinsames Lesen von Eltern(teilen) und Kindern ist auch nicht
verkehrt.
(Klabauter; 08/2011)
"Der
zerbrochene Krug" nach Heinrich von Kleist
Neu erzählt von Barbara Kindermann mit Bildern von Willi
Glasauer.
Reihe
"Weltliteratur für Kinder".
Kindermann Verlag, 2011. ca. 36 Seiten. (Ab 7 J.)
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Heinrich
von Kleist: "Der zerbrochene Krug"
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Noch ein Buchtipp:
Günter Blamberger: "Heinrich von Kleist. Die Biografie"
Wie kein anderer deutscher Dichter hat Kleist die Leser fasziniert.
Doch was ist sein Geheimnis? Woher kommt die Tragik seines Lebens? Was
sagt uns sein Werk heute?
In seiner großen Biografie zeichnet Günter
Blamberger einen neuen Kleist: Anders als üblich
erzählt er nicht vom Ende her, vom Selbstmord, sondern
wählt die offene Perspektive, das Präsens, den
Augenblick, wie er von Kleist selbst erlebt worden ist. Damit gelingt
es ihm, das Beunruhigende und Staunenswerte offenzulegen, den
Zündstoff in Kleists
Leben und Werk zu zeigen. Entstanden ist
das packende und anschauliche Porträt eines der
großen deutschen literarischen Genies. (S. Fischer)
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