Otto A. Böhmer: "Möglichst Heine"
Ein Lesebuch. Illustriert von Peter Schössow
Unbequem und zeitlos: Einer der
facettenreichsten deutschen Schriftsteller in einem umsichtig konzipierten
Buch
Ein wenig droht der vor 150 Jahren verstorbene Heinrich Heine im Trubel um Mozart
unterzugehen. Dennoch haben sich etliche Verlage des eigenwilligen, schon zu
Lebzeiten sehr umstrittenen Schriftstellers angenommen. Wer das Heine-Jahr zum
Anlass nehmen möchte, Heine für sich zu entdecken, tut sich daher unter Umständen
schwer, unter den Neuveröffentlichungen das geeignete Buch zu finden.
Das in der Reihe Hanser erschienene Heine-Lesebuch
präsentiert einen Querschnitt des Heineschen Werks. Darüber hinaus enthält es
eine gründliche Biografie und einleitende Texte zu den abgedruckten Auszügen aus
Heines Büchern sowie eine biografische Übersicht als Zeittafel.
Der erste Abschnitt beleuchtet die von Krisen und Umbrüchen geprägte Zeit, in
die Heine 1797 hineingeboren wurde, und skizziert parallel dazu sein Leben.
Daher werden viele von Heines literarisch verarbeiteten Ansichten nachvollziehbar,
etwa seine Verehrung für Napoleon
und Frankreich schlechthin, seine Sehnsucht nach Freiheit, die später mit seiner
Neigung zum Sozialismus in Konflikt geriet, und seine Hassliebe dem von Zensur
und ängstlicher Flucht in die Romantik geprägten Deutschland gegenüber. Das
ungeliebte, ihm durch die "sponsernde" Familie aufgezwungene Jurastudium prägte
ihn ebenso wie die vernichtenden Rezensionen erster Werke; von seinem Weg ließ
er sich nicht abbringen, auch wenn ihn die Zensur seiner Schriften, die ständige
finanzielle Abhängigkeit vom reichen Onkel und ab den 1830er Jahren der Verlust
der Gesundheit zunehmend verbitterten.
Heines Schaffen wird aber nicht nur in sein historisches Umfeld
eingebettet, sondern es kommen auch Zeitgenossen zu Wort, die ihn
charakterisieren - und natürlich er selbst. Somit ist der Leser nach diesem
Abschnitt gerüstet für das Werk des mit einer durchdringenden analytischen
Beobachtungsgabe gesegneten satirisch-ironischen, unbestechlichen, wunderbar
unterhaltenden und gelegentlich unglaublich witzigen Schriftstellers.
Es folgen Auszüge aus Heines autobiografischen Schriften, den Reisebildern (in
zwei Teilen), Gedichte (ebenfalls zwei
Teile), "Über deutsche, französische und englische Zustände", "Deutschland.
Ein Wintermärchen" und "Über Literatur und Philosophie" - überwiegend in chronologischer
Reihenfolge. Die Auswahl der heineschen Lyrik- und Prosatexte vermittelt einen
Eindruck der Vielseitigkeit dieses Dichters, dessen spitze Feder so manchen
Zeitgenossen böse karikierte und den Zeitgeist kritisch prüfte, aber auch Heines
unerschütterliche Liebe zu
den Frauen in poetische Worte fasste und die verschiedensten Stimmungen
ausdrucksvoll darstellte. Dank der begleitenden Texte des Autors Otto A. Böhmer
kann der Leser viele Anspielungen und Seitenhiebe Heines einordnen, sodass Heine
als Chronist, aber auch in seiner zeitlosen Aktualität gut begreiflich wird.
Die Auswahl der Auszüge aus dem Werk Heines spiegelt hervorragend
das breite Spektrum seines Schaffens wider. Erfreulicherweise unterstützen die
Begleittexte auf anregende, kurzweilige Weise behutsam das Verständnis für den
Dichter, ohne dem Leser die Interpretation abzunehmen. Dadurch wird das Buch zu
einer idealen Ergänzung für die Schule und zum "Appetithäppchen" für Erwachsene.
Die originellen, kecken Illustrationen lockern die Texte auf und hätten wohl
auch Heine gefallen. Abbildungen von Manuskriptseiten und anderen Originalen
überbrücken die Distanz von 150 Jahren vom Dichter zum Leser.
Alles in allem
eine gelungene Kombination aus Biografie und Originalwerk - ein Lesebuch eben,
kein weiterer Staubfänger fürs Regal.
(Regina Károlyi; 02/2006)
Otto A. Böhmer: "Möglichst Heine"
dtv, 2006. 303 Seiten. (Ab 14 J.)
ISBN
3-423-62250-4.
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Otto A. Böhmer, geboren 1949 in
Rothenburg ob der Tauber, studierte u. a. Philosophie, Politologie und
Literaturwissenschaften und promovierte über Johann Gottlieb Fichte. Er schreibt
Gedichte, Romane, Essays und Theaterstücke und veröffentlichte mehrere
erfolgreiche Sachbücher für Erwachsene, 2001 erhielt er den Erich-Fried-Preis
der Republik Österreich und den Kulturpreis für Literatur. Dass Otto A. Böhmer
unterhaltsam und kenntnisreich über Dichter und Denker schreiben kann, bewies er
bereits mit seinen "Sternstunden der Literatur", "Sternstunden der Philosophie"
und mit "Sofies Lexikon".
Weitere Bücher des Autors
(Auswahl):
"Lexikon der Dichter. Deutschsprachige Autoren von Roswitha
von Gandersheim bis Peter Handke"
Das Handbuch deutschsprachiger
Autoren, in dem das Wichtigste über Leben und Werk von 80 Dichtern amüsant und
kenntnisreich zusammengefasst ist. Eine unkonventionelle Literaturgeschichte von
Roswitha von Gandersheim bis Peter
Handke - und zugleich ein leicht lesbares, sachkundiges
Nachschlagewerk.
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"Sofies Lexikon"
Sofie wäre bestimmt froh gewesen, dieses Lexikon zu
besitzen. Knapp 130 Namen und Begriffe von Albertus Magnus bis Zenon von Kition
werden von Otto A. Böhmer im leichten Erzählton beschrieben, nicht ohne Sinn für
das Zufällige und manchmal Komische, aber auch nicht ohne leise Kritik an
Personen und Zeit. Entstanden ist ein philosophisches Handbuch sowohl zum
schnellen Nachschlagen wie auch ein echtes Schmökerbuch der Philosophie. Zitat-
und Seitenangaben am Ende eines jeden Beitrags verweisen auf den Roman.
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