Jostein Gaarder: "Jonathan und die Zwerge aus dem All"
Illustriert von Peter Schössow
Die
gelbe Gefahr
Sein in mehr als 40 Sprachen übersetzter Erfolgstitel "Sofies
Welt" hat ihn bekannt gemacht. Weitere Bücher folgten,
ebenfalls mit beachtlichen Auflagen. Sie alle machten Jostein Gaarder
zum erfolgreichsten norwegischen Schriftsteller aller Zeiten.
Philosophisch kommen Gaarders Bücher immer daher. Der Autor
beschreibt in seinen Geschichten, wie wenig wir Menschen manchmal Dinge
hinterfragen und sie einfach nur tun. Sei es aus Gewohnheit, Angst oder
vielfach nur mangelndem Interesse.
Auch Kinderbücher zählen zu seinem Repertoire (u. a.
"Das Schloss der Frösche" oder "Hallo, ist da jemand?").
"Jonathan und die Zwerge aus dem All" wird für Kinder ab sechs
Jahren
empfohlen.
Gaarder denkt sich übrigens seine Geschichten beim Wandern
aus. "Wenn ich meinen Körper nicht bewege, kann ich
auch meine Gedanken nicht bewegen", sagte er in einem
Interview. "Geh' nicht um Probleme herum, sondern durch sie
hindurch (...) Das ist meine Nachricht."
Und vielleicht ist er dabei auf einer achtlos hingeworfenen
Bananenschale ausgerutscht, so wie sein Buchheld Jonathan.
Noch bevor der eigentliche Text beginnt, sieht man den kleinen Knaben
nach Hause eilen, wegen einer Bananenschale die Bodenhaftung verlieren
und unsanft auf dem Untergrund landen. Da tanzen schon einmal die
Sternchen um den Kopf. Doch offensichtlich ist alles glimpflich
abgegangen, denn nun setzt die fantasievolle Handlung ein; oder
vielleicht doch nicht?
Ein gelber Zwerg und ein Würfel voller Sechser
Eigentlich trifft Jonathan nie gern als Erster zu Hause ein. Zu
gruselig ist die große leere Wohnung. Aber heute ist alles
noch viel unheimlicher. Das Telefon ist stumm, im Treppenhaus ist kein
Geräusch zu hören, obwohl doch sonst immer jemand
herumlärmt. Aber es kommt noch viel schlimmer. Auch auf der
Straße ist keine Menschenseele, kein Auto. "Wo
stecken nur all die Menschen, die hier wohnten?",
grübelt Jonathan.
Verzweifelt schnappt sich der kleine Bursche eine Banane aus dem Regal
des ebenfalls menschenleeren Supermarktes. Als er sie schält,
entdeckt er, dass auf der Innenseite der Schale etwas geschrieben
steht: "Hüte dich vor der gelben Gefahr!"
Er bekommt es mit der Angst zu tun und rennt aus dem Markt.
Und da sieht er ihn, einen gelben Zwerg, mit Haut wie aus Gummi. Er
sitzt auf dem Asfalt und würfelt. Aber mit einem besonderen
Würfel, der nur
Sechser aufweist! Der Zwerg murmelt andauernd: "Dann
entkommen sie eben nicht. Dann können wir sie eben nicht
laufen lassen." Irgendwie scheint dieser eigenartige
Würfel etwas mit dem Verschwinden der Menschen zu tun zu
haben. Genau, der gelbe Wicht erklärt es nach einigem
Zögern: Nur mit einer gewürfelten Sieben
können sie gerettet werden und auf die Erde
zurückgelangen. Denn sie sollen nach Sykk, auf den
Heimatplaneten des gelben Zwerges. "Das gelbe Volk hat
beschlossen, ihn gegen den Planeten der Menschen einzutauschen. Weil
bei euch so leckere Bananen wachsen." Das Raumschiff steht
auch schon auf dem Fußballplatz, und alle Menschen haben
darin Platz genommen.
Kurze, kindgerechte, philosophische Dispute des pfiffigen Buben mit dem
Zwerg bestimmen den weiteren Handlungsverlauf. Da geht es um den Rand
des Möglichen und die Grenze zum Unmöglichen, um mit
einem Fahrrad viel einfacher zu fahrende Achter als Siebener oder um
gute Pläne. Letztendlich hilft doch nur Eines, denkt der
aufgeweckte Knirps. Dann muss man eben schummeln. Und er malt einen
neuen schwarzen Punkt auf seine Würfel, genau in die Mitte der
Sechs und würfelt ...
Traum und Wirklichkeit
"In vielleicht allen meinen Büchern gibt es zwei
Niveaus, ich meine, zwei verschiedene Geschichten. Es gibt immer eine
fantastische Geschichte und einen realistischen Hintergrund",
erklärt Jostein Gaarder. Und während der Leser -
zumindest der erwachsene - bald begreift, dass der kleine Jonathan den
Sturz wegen der Bananenschale wohl doch nicht so ganz unbeschadet
überstanden hat und die Geschichte erträumt, erlebt
ein Kind, das diese Erzählung liest - oder besser: vorgelesen
bekommt - zuerst einmal ein spannendes und geheimnisvolles
fantastisches Märchen. Und weil Jostein Gaarder seine kleinen
und großen Leser wieder einmal mit vielen anspruchsvollen
Gedanken beschäftigt, ist es sicher sinnvoll, Kindern dieses
Buch nicht einfach in die Hand zu geben, sondern es ihnen vorzulesen
und immer wieder einmal über einzelne Passagen gemeinsam
nachzudenken und miteinander zu sprechen.
Eine vergnügliche Erzählung ist entstanden, mit einer
wunderbaren Mischung aus Witz, Charme, philosophischen Gedanken, aber
auch aus Träumen, Realität und Fantasie, die durch
die großartigen Illustrationen des
Bilderbuchkünstlers Peter Schössow eine
zusätzliche Aufwertung erfährt. Er hat Gaarders
Geschichte mit großformatigen Zeichnungen in abgedunkelten,
gelblich-braunen Farben ausgestattet und den Personen der Handlung in
kräftigen Strichen Gestalt gegeben. Auffallend sind die
dünnen Beine aller Akteure, die in viel zu weiten Hosen
stecken. Aber trotz Schössows sparsamen Zeichenstrichs weisen
sie eine ausgesprochen aktive Mimik auf und geben einen wunderbaren
Einblick in ihr Seelenleben.
Fazit:
Tiefsinn und Leichtigkeit, Ernst und Heiterkeit halten auf zarte Weise
in diesem Kinderbuch von Jostein Gaarder, das erneut viele
philosophische Hinterfragungen parat hält, die Balance. Ein
Buch voller Geheimnisse, die das Lesen spannend machen und sich nach
und nach auflösen.
(Heike Geilen; 08/2008)
Jostein
Gaarder: "Jonathan und die Zwerge
aus dem All"
Illustriert
von Peter
Schössow.
(Originaltitel "De gule dvergene ")
Übersetzt aus dem Norwegischen von Gabriele Haefs.
Hanser Kinderbuch, 2008. 48 Seiten. (Ab 6 J.)
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