Gerda van Erkel: "Der salzige Kuss"
Aus der Reihe "Das besondere Buch"
Vom
Wert und Zauber einer Liebe
auf Zeit
In einem Sanatorium am Meer, ihrem vorläufigen
Zuhause, haben sich Nienke und Kobe kennen gelernt. Nienke, ein junges
Mädchen
aus wohlhabendem Hause, ist eine "Muko", sie leidet an einer extrem
aggressiven Form der genetisch bedingten Krankheit Mukoviszidose. Kobes
Familienverhältnisse sind ungleich schwieriger; er lebt im
Sanatorium, weil er
krankhaft fettleibig ist.
Der scheinbar unattraktive Kobe mit seinem Ziel, sein
Körpergewicht dauerhaft
auf einen normalen Stand zurückzuführen, und Nienke,
die verzweifelt versucht,
nicht noch mehr abzunehmen, haben sich ineinander verliebt. Sie wissen,
dass es
eine Liebe auf Zeit ist, denn Nienke wird nicht mehr lange leben,
obwohl die Ärzte
und Therapeuten im Sanatorium sie vorzüglich betreuen.
Zu ihrer Gruppe stößt Steffi, verbittert und
verzweifelt, auch sie stark übergewichtig
und aus einer Familie mit massiven Problemen. Die Liebe zwischen Nienke
und Kobe
verärgert sie zunächst, glaubt sie doch, dass niemand
sie je lieben könnte.
Daher entsteht Neid auf die enge, zärtliche Beziehung zwischen
dem massigen,
aber einfühlsamen und liebevollen Kobe und der zerbrechlichen,
ihr Schicksal
geduldig tragenden Nienke. Zudem verliebt sich Steffi in einen der
Betreuer,
findet jedoch heraus, dass er verheiratet ist und ein Kind hat. Dadurch
fühlt
sich Steffi noch mehr abgelehnt.
Auch die anderen Jugendlichen in der Gruppe haben ihr
persönliches Kreuz zu
tragen. Das alles aber wird nebensächlich, als es mit Nienke
zu Ende geht.
Die Autorin hat ein bezauberndes Glück auf Zeit entworfen, an
dem die beiden
jungen Menschen wachsen, insbesondere Kobe, der ja nach Nienkes Tod
"übrig
bleiben" wird. Ihr Buch ist ein Lob der Liebe, die Kraft gibt und
manches
scheinbar Unüberwindbare möglich macht; Kobe etwa
fällt das Abnehmen beim
Gedanken an seine um jedes Kilogramm ringende Freundin leichter.
Ganz wunderbar porträtiert die Autorin jedoch auch die anderen
Jugendlichen der
Gruppe, insbesondere Steffi, und macht dem Leser bewusst, dass
Außenseiter
meistens "gemacht" werden: Die adipösen Jugendlichen aus "Der
salzige Kuss" stammen überwiegend aus armen, einfachen
Familien, in denen
unmäßiger Verzehr fetter und
süßer Nahrung zur Routine gehört. Da die
Jugendlichen von ihren Klassenkameraden gehänselt werden,
essen sie aus
Frustration und Verzweiflung noch mehr und geraten in einen
Teufelskreis, der im
Sanatorium durchbrochen werden soll.
Besonders eindringlich wirken die Schilderungen der Auswirkungen und
Bekämpfung
der Mukoviszidose auf den Leser, einer Krankheit, die zu
ständiger
Schleimabsonderung in Organen wie der Lunge führt und
früher den Tod im
Kindesalter bedeutete. Die Autorin hat Nienke bewusst eine
ungewöhnlich
aggressive Form der Krankheit verliehen, doch die Geschichte erweckt
niemals den
Eindruck von überzogenem Pathos. Im Wechsel schildern Kobe,
Nienke und Steffi
ihre Erlebnisse, Gefühle und Gedanken.
Jugendliche Leser lernen anhand dieser Lektüre zum einen die
Hintergründe
kennen, die häufig ein Außenseitertum
bedingen, und
werden dazu angeregt, das
Anderssein mancher ihrer Mitschüler und Bekannten zu
akzeptieren. Zum anderen
zeigt das Buch auf so schöne wie schlichte Weise, dass Liebe,
und wenn sie noch
so hoffnungslos erscheint, die kleine Welt des Einzelnen zu
verändern vermag.
(Regina Károlyi; 01/2008)
Gerda
van Erkel: "Der salzige Kuss"
Deutsch von Mirjam Pressler.
rororo rotfuchs, 2008. 336 Seiten. (Ab 12 J.)
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