Alois Prinz: "Der erste Christ"
Die Lebensgeschichte des Apostels Paulus
Ähnlich wie der vor einigen
Jahren verstorbene Frederik
Hetmann besitzt auch der 1958 geborene Schriftsteller Alois Prinz eine außergewöhnliche
Fähigkeit, berühmte Personen der Geschichte speziell einem jungen Lesepublikum
in spannend und sprachlich hochwertigen Biografien nahezubringen. Bei Beltz
& Gelberg, jenem Verlag, in dem auch Hetmann vor Jahrzehnten schon seine
exzellenten Bücher publizierte, hat auch der vor kurzem mit dem "Rosenheimer
Literaturpreis" ausgezeichnete Alois Prinz bisher Biografien von Hannah
Arendt, Hermann Hesse, Ulrike Meinhof und Franz Kafka veröffentlicht.
Auch in dem vorliegenden Buch über den Apostel Paulus besticht Prinz wieder
durch seine, hier in diesem Fall auch theologisch einwandfreie recherchierte,
Arbeit, den sorgfältigen Aufbau und eine leidenschaftliche Schreibwiese, die
sich ganz tief sowohl in die Materie als auch in das Leben der historischen
Person einlässt und dennoch immer die für einen Biografen nötige kritische
Distanz walten lässt.
Dabei standen dem Autor wie so vielen anderen theologischen und auch
literarischen Paulusbiografen vor ihm die eher "legendenhafte"
Apostelgeschichte des Lukas, die originalen und die deuteropaulinischen
Briefzeugnisse zu Verfügung. Zusätzlich zu diesen bisher allen zugänglichen
Daten bezieht sich Prinz, wie auch andere aktuelle Paulusbiografen, auf neuere
archäologische und theologische Erkenntnisse.
Er beschreibt die Lebens- und Wirkungsgeschichte eines Menschen, der als jüdischer
Gelehrter zunächst eifrig an der Verfolgung der jüdischen Sekte der Christen
beteiligt war, bevor ihn ein ganz besonderes Erlebnis geradezu aus der Bahn warf
und seinen Weg zu einem der Gründungsideologen einer späteren Weltreligion
vorbereitete. Wie Prinz dieses "Damaskus-Erlebnis" beschreibt und wie
er sich dabei auf andere zeitgenössische Denker bezieht, ist typisch für den
Stil des Buches und soll deshalb hier ausfürhlich zitiert werden:
"Paulus gilt als der 'Entdecker des inneren Menschen'. Was er
entdeckt hat, das würde man heute umschreiben mit Begriffen wie das Ich,
Identität oder Existenz. So gesehen war das Damaskuserlebnis für Paulus auch
die blitzartige Erfahrung von sich selbst, von dem, was es bedeutet, zu sein, zu
existieren. Laut Peter
Sloterdijk, einem zeitgenössischen Philosophen, ist das eine schockartige
Erfahrung, vor der ein Mensch zu keiner Zeit gefeit ist. 'Von einem Moment auf
den anderen kann sich ein Abgrund auftun, in den man fällt. Es ist ein Sturz
ins Innere, durch den sich schlagartig alle Sicherheiten auflösen, sich aber
auch eine neue Klarheit einstellt.' Der Skandal des Menschen, so Sloterdijk,
bestehe darin, 'dass er sich finden kann, ohne sich gesucht zu haben ... davor
gibt es keinen sicheren Schutz. Weder Theorie noch Alkohol können eine lückenlose
Daseinsverhütung garantieren ... niemand kann ausschließen, dass bei ihm über
Nacht der Existenzfall eintritt.'"
Nicht allein an dieser Stelle, wo Prinz beschreibt, wie alles begann, setzt sich
der Autor nicht nur literarisch mit Paulus auseinander. "Die
Auseinandersetzung mit Paulus", so schreibt er, "war der
Versuch, mir über die eigene religiöse Haltung klar zu werden. Kann das
Christentum auch heute Bedeutung haben für jemanden, der die
Glaubensgewissheiten kirchlicher Lehren ebenso wenig nachvollziehen kann wie die
Blindheit rein wissenschaftlicher atheistischer Weltanschauungen."
Dieser Versuch ist dem Autor gut gelungen. Seine Lebensgeschichte des Paulus
macht einen Mann und seine Theologie lebendig, der auch heute noch etwas über
die wesentlichen Fragen des Lebens und der Existenz zu sagen hat. Insbesondere
seine tiefe Kenntnis und Erkenntnis seiner eigene Schwäche und seiner
Selbstzweifel und wie er sie mit dem Satz deutete "Gott ist in den
Schwachen mächtig", können eine Ermutigung in einer Zeit sein, in der
ein Mensch schneller zum Verlierer abgestempelt wird, als er denkt. Paulus
hat schon vor fast 2000 Jahren mit einem solchen brutalen und unmenschlichen
Denken Schluss gemacht, als er Gott und seinen Sohn Jesus Christus als jemanden
verkündigte, der selbst durch diese Leiden hindurchgegangen und dem deshalb
nichts Menschliches fremd ist.
Das Buch wird für Jugendliche an 14 Jahren empfohlen, ist jedoch für jeden an
christlicher und neutestamentlicher Theologie interessierten Erwachsenen
ebenfalls zu empfehlen, und zwar aufgrund seiner Verständlichkeit und seiner
sprachlichen Brillanz.
(Winfried Stanzick; 06/2009)
Alois Prinz: "Der erste Christ. Die Lebensgeschichte des Apostels Paulus"
Beltz & Gelberg, 2008. 256 Seiten. (Ab 14 J.)
Buch
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