Beim Aufwachen den Wind hören. Sehen, wie wegen den Schlitzen im Fensterrahmen sich der Vorhang im Zimmer bewegt. Auch dadurch den Morgensturm ahnen.
Die Beine bewegen. Auf dem Rücken liegen. An etwas denken, das schliesslich den Schlaf vertreibt. An gestern denken, an das kommende Heute und sich im Bett aufsetzen und noch einmal nach hinten fallen lassen. Beim zweiten Versuch mit einem Schwung die Beine in die Höhe ziehen, danach auf den Boden stellen, während sich der Oberkörper aufrichten muss. Irgendwie oder irgendworüber froh sein. Dass man nicht so aufgewacht ist, wie man gestern eingeschlafen ist. Dass Dinge, Situationen, Visionen, über die man gestern fürchterlich erbost war, heute lächerlich, eigentlich jämmerlich sind. Was einem wirklich fehlt ist das Gift. Es nicht für giftig halten.

Es Mittag werden lassen. Den Fernseher aufdrehen und es einem gut gehen lassen. Dabei manchmal aus dem Fenster sehen und sich an etwas Fernes erinnern. Aber nicht lange und nicht mehr genau wissen, war es schön damals? Nebenbei ganz genau wissen: es war schöner als jetzt. Jetzt ist es ein Kreislauf, früher war es eine Laufbahn, auf der man mal langsamer, mal schneller vorankam. Jetzt ist es ein schwindliges Ringelspiel, wovon abspringen zu gefährlich wäre.

Wildgewordene Herbstblätter, berauschende Farben und Windspiele vor dem Fenster und dabei ein paar Sekunden wie weggetreten fasziniert sein und sich erneut erinnern. Hunger bekommen und sich die Schuhe mit einem Seufzer anziehen, sich die Jacke überstreifen und wissen, es wird einem kalt werden draussen. Zum Würstelstand gehen und wissen, einem Klischee zu entsprechen und wissen, man ist wahr so wie man ist.

Bekannte treffen, die immer schon mal besser aussahen, und reden. Ein Gefühl von nicht mehr allein sein haben. Eine Erinnerung bekommen an diese Empfindung wie sie früher war und sich fragen ob sie anders war und wissen, es könnte schlimmer sein. Durst bekommen wie gestern. Eingentlich wissen wer man ist, und es schlimm finden.

Aufwachen. Nicht alleine sein. Aber allein sein. Es nicht für Gift halten. Den letzten Rest vom Kaffee machen den man findet, der auch innen verstaubt ist, aber andere Gedanken haben.
Sich zu erinnern versuchen. Sich fragen ob man sich erinnern will. Regen vorm Fenster.Die Stimme im Zimmer. Den Fernseher auf stumm schalten. Die eigene Stimme stumm schalten wollen. Die Frau grauenhaft finden und gleichzeitig wissen wie grauenhaft man selbst ist, wie sehr man sich ähnelt und sich wundern wie es einem immer noch etwas ausmachen kann und das eigentlich nicht verstehen.
Zigaretten nehmen, die Frau verabschieden und hoffen, man könnte bald an etwas denken, das einem Freude macht.
Erinnerungen erwarten, die man die meiste Zeit zuvor immer nur zurückgedrängt hat, doch jetzt ein Bedürfnis haben, das sich, stark und zielstrebig, ausbreitet wie der Wind, daher in Ritzen drängt und überall zugegen scheint. Man ist noch nicht alt, man fühlt sich nur so. Man fühlt sich gelebt aber nicht von einem selbst. Man fühlt sich verwendet und wiederverwertet, dabei aber nicht neu zusammengesetzt. Den Gedanken haben, seit so langer Zeit den Herbst zu beobachten, oder die Jahreszeiten zu erleben seit so langer Zeit, und während man sie jedes Jahr frisch und anders findet, man selbst jedoch unaufhörlich unter dem gleichen Himmel nur verbraucht und vergeht.
Man ertränkt diesen und andere Gedanken in rauen Mengen Gift, die man aufgrund der Quantität eigentlich für nichts anderes als Gift halten kann.Zwei Tage vergehen, oder drei. Aufstehen versuchen, atmen versuchen, nicht mehr atmen versuchen und ein Erlebnis suchen, das einen aufhält.

Eine Lösung sich wünschen und sich nicht dafür entscheiden, aber in den Wald gehen. Die Blätter auf dem Waldboden zählen und die Farben vergleichen, dabei andauernd so etwas wie hoffen.
Ein paar Sekunden sich in einer Betrachtung verlieren. An Gift denken und es beginnen abzulehnen. Nüchtern darüber nachdenken. Einem die vielen Morgen einfallen lassen, die man nicht mehr unterscheiden kann seit Wochen, die alle gleich beginnen, sich in gleicher Art in den Vormittag, den Mittag, den Nachmittag und den Abend verlieren. Wie sich der späte Vormittag schon wieder vergiftet und es nicht als Gift betrachtet. Wie jeder Nachmittag sich vorerst in Humor, Geselligkeit und Unterhaltung verwandelt und später zu Streit und manchmal zu einer Handgreiflichkeit wird, die dem Klischee entspricht das Menschen haben, von welchen man beobachtet wird. Das Wissen nicht mehr ertragen wollen dass sie Recht haben könnten. Verzewifeln wollen, nicht verzweifeln wollen.

An diesem Baum vorbeigehen und die Vorstellung haben, jener ist aus einem winzigen Samenkorn gewachsen und jetzt, übermannshoch, mit den eigenen langen starken Armen nicht mehr zu umfassen, steht er da. Noch jung, denn seine Rinde ist glatt und eben über den Stamm gezogen. Man bleibt stehen, die Schultern hängen über das Schlüsselbein, der Blick haftet am Baum während man ihn ohne zu reden bittet, Zeig mir wie das geht.Man weiss nicht, ob das Gift noch giftig sein wird wenn man es auf dem Küchentisch nicht mehr stehen sieht und es verzweifelt in den Regalen sucht.
Man weiss nichts, weil der Baum nicht geantwortet hat, aber man hat das Gefühl er hätte einen gehört und man dürfe wieder kommen.

Man wird weiter trinken, das ahnt man eine Stunde später. Es wird noch viele Morgen geben, die, zusammengefasst in einem, diesen ununterscheidbaren Brei aus dem immer gleichen Danach ergeben, für das man zuvor gesorgt hat.
Man wird wieder in den Wald gehen, man wird die Frage noch öfter stellen, man wird neue Fragen finden und diese stellen, man wird an die Rinde fassen und sich erinnern wer man sein könnte.
Man wird in einem Jahr an eine Zeit denken die einem einfällt, wenn eine Frau wieder Nein sagt, und weitere eineinhalb Jahre später wird man an diese Zeit zurückdenken, wenn man gemeinsam spazieren geht im Wald zur Herbstzeit mit einer Frau, die Ja gesagt hat.


(ericka wu.)